Auto fahren mit Stroh im Tank

Interview mit Claus Sauter, Gründer und Vorstandsvorsitzender der VERBIO Vereinigte BioEnergie AG

Wirtschaftsforum: Herr Sauter, Sie produzieren Biokraftstoffe. Was ist das Besondere an den Anlagen und der Technologie von VERBIO?

Claus Sauter: Unsere Biodiesel-anlagen und auch unsere Bioraffinerien, die Bioethanol und Biomethan produzieren, sind technologisch und auch mit Blick auf die Energie- und CO2-Effizienz global führend. Unsere Biokraftstoffe sparen bis zu 90% CO2 im Vergleich zu Benzin oder Diesel. Dies gelingt uns durch selbst entwickelte innovative Technologien. Mit unserer Stroh-Biomethan-Technologie setzen wir internationale Standards.

Wirtschaftsforum: Bitte erklären Sie uns den Slogan ‘Stroh im Tank’.

Claus Sauter: Wir haben einen Prozess entwickelt, mit dem wir aus Getreide-, Mais- oder Reisstroh in großtechnischen Anlagen Biomethan gewinnen. Das Biomethan wird auf Erdgasqualität aufbereitet, in das Erdgasnetz eingespeist und bundesweit als Biokraftstoff an CNG-Tankstellen angeboten. Außerdem betreiben wir bereits einen Teil unserer eigenen Lkw-Flotte damit. Mit ‘Stroh im Tank’ spart man so 90% CO2-Emissionen ein.

Wirtschaftsforum: Wie sind Sie darauf gekommen, Stroh zu nutzen?

Claus Sauter: Jedes Jahr verrotten bis zu 20 Millionen Tonnen Stroh auf den Feldern, das nicht genutzt wird, aber CO2 produziert. Wir haben damals einen Biokraftstoff aus Nicht-Nahrungsmittelstoffen gesucht, mit dem wir langfristig im Geschäft bleiben können.

Wirtschaftsforum: Wie wichtig ist der Standort Deutschland für Sie?

Claus Sauter: Wir haben 2001 unsere erste Biokraftstoffanlage in Sachsen-Anhalt gebaut und später unsere Bioraffinerien in Brandenburg. Damals hatten wir eine Rot-Grün-Regierung. Dann kam der Regierungswechsel und seitdem befindet sich der deutsche Biokraftstoffmarkt im Stillstand. Ursprünglich wollte Angela Merkel Klimakanzlerin werden, aber es ist nichts vorangegangen bei der geplanten Verkehrswende. Im Gegenteil: der Markt für Biodiesel ist sogar geschrumpft. Nach wie vor ist 2006 das Rekordjahr. Die Branche hat einen brutalen Konsolidierungswettbewerb hinter sich, die Hälfte der Biodieselanlagen wurde stillgelegt. Wir sind das einzige deutsche Unternehmen, das diese Phase überlebt hat. Wir haben seitdem unsere Prozesse verbessert und neue Produkte entwickelt. Die Stroh-Biomethan-Produktion ist nur ein Beispiel. Wir produzieren zum Beispiel auch Sterole – Nahrungsergänzungsmittel zur Cholesterinsenkung – aus Rapsöl. Aber unser Investitionsschwerpunkt liegt inzwischen in Asien und den USA, weil hierzulande die Rahmenbedingungen einfach nicht mehr stimmen.

Wirtschaftsforum: Aktuell scheint sich auf europäischer Ebene etwas zu tun, denken wir zum Beispiel an Fridays for Future, an den Green Deal der EU oder die Dekarbonisierung des Verkehrs.

Claus Sauter: Wir verfolgen all diese Entwicklungen sehr interessiert. Heute sind in Deutschland und Europa die CO2-Werte auf dem Stand von 1990. Man hat also die letzten 30 Jahre nichts erreicht. Jetzt sollen die Emissionen in zehn Jahren um 40 oder 50% reduziert werden. Man kann nicht eine komplette Volkswirtschaft elektrifizieren oder alles über Solarstrom und Windenergie regeln. Was wir mit dem Stroh machen, ist besser als Elektrifizierung, denn wir vermeiden Emissionen und stellen gleichzeitig erneuerbare Energie her. Zudem sind wir mit dem gängigen Dieselpreis wettbewerbsfähig. Wenn es politisch gewollt wäre, könnten wir schon längst viel mehr Biomethan zur Dekarbonisierung des Verkehrs bereitstellen.

Wirtschaftsforum: Was erwarten Sie vom Markt in den nächsten Monaten, welche Pläne haben Sie mit VERBIO?

Claus Sauter: Die EU muss handeln, sonst macht sie sich lächerlich. Schließlich macht der Verkehr 30% der Emissionen unserer Gesellschaft aus. Im Pkw-Bereich ist Elektrifizierung ein guter Weg, aber im gewerblichen Gütertransport ist sie keine praktikable Lösung. Hier können wir mit Biomethan effizienter und kostengünstiger eine CO2-Reduktion erreichen. Aber wir brauchen verlässliche politische Rahmenbedingungen und die werden wir nicht bekommen, wenn Union und SPD gegeneinander arbeiten. Aktuell gibt es nur Konzepte – wir brauchen Gesetze – mit Penalties. Bei VERBIO haben wir eine Investitionspipeline in Nordamerika und Asien in Höhe von rund 200 Millionen USD. Da-rüber hinaus untersuchen wir neue Investitionsstandorte in Osteuropa und anderen Regionen Europas. Potenzial sehen wir im Bereich Biomethan als BioCNG und BioLNG. Hier gibt es interessante Entwicklungen in Deutschland, die jetzt auch in andere europäische Staaten überschwappen. Wir werden bis Mitte nächsten Jahres BioLNG in Deutschland anbieten und arbeiten dafür auch an neuen Kapazitäten in Osteuropa.

Wirtschaftsforum: Sie sind Unternehmer mit Leib und Seele und von Ihrer Sache überzeugt. Haben Sie eine Vision für VERBIO?

Claus Sauter: Ich möchte mit VERBIO massiv wachsen und dabei einen bezahlbaren ökologisch sinnvollen Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs leisten. Im Vergleich zum Wettbewerb stehen wir schon sehr gut da – wir müssen unsere Exzellenz jetzt weltweit ausrollen. Rückblickend muss ich sagen, dass ich zwischen 2006 und 2017 nicht hätte warten sollen. Ich hätte schon eher aus einem deutschen Unternehmen ein internationales Unternehmen machen sollen.

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