Wir wollen die grüne Heizung Schwerins werden

Interview mit René Tilsen, Leiter Erzeugung und Julia Panke, Unternehmens- kommunikation der Stadtwerke Schwerin GmbH (SWS)

Wirtschaftsforum: Herr Tilsen, wie kamen die Stadtwerke Schwerin zur Geothermie?

René Tilsen: Die Stadtwerke Schwerin haben das Thema Klimaschutz schon seit Jahren mit unterschiedlichen Ansätzen zur nachhaltigen Energiegewinnung, wie Solar- oder Biogasanlagen, auf der Agenda. Im Laufe dieses Prozesses haben wir die Erdwärme als wichtigen Baustein definiert, um in Zukunft immer weniger auf fossile Energieträger angewiesen zu sein und uns unabhängiger von den Preisentwicklungen des Gasmarktes zu machen. 2018 haben wir uns intensiv mit der Fördertechnologie beschäftigt und die Untersuchungen haben ergeben, dass wir in Schwerin – auch abseits der üblichen Gegebenheiten für geothermische Anlagen – extrem gute Bedingungen für die Tiefengeothermie haben. Das liegt zum einen an der sehr reichhaltigen, 56 °C warmen Sole in einer Tiefe von 1.300 m und zum anderen an unserem gut ausgebauten Fernwärmenetz. Auf Basis dieser idealen Bedingungen soll bis zum Ende des ersten Quartals 2023 in Schwerin-Lankow ein in dieser Kombination der Bohrtiefe und Wärmepumpen europaweit bislang einzigartiges Geothermiekraftwerk entstehen. Nach Fertigstellung des Gesamtprojekts im kommenden Jahr werden etwa 15% des Fernwärmebedarfs in Schwerin durch die Nutzung der erneuerbaren Erdwärme abgedeckt.

Wirtschaftsforum: Welche Vorteile hat die Geothermie gegenüber anderen Methoden zur Energiegewinnung?

Julia Panke: Die Erdwärme ist eine unerschöpfliche Quelle, die das ganze Jahr über, unabhängig von Klima oder Jahreszeit, kostengünstig und losgelöst von geopolitischen Lagen gewonnen werden kann. Die Geothermie ist CO2-neutral und im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energien wie Windkraft oder Solarenergie immer verfügbar. Mithilfe von drei Wärmetauschern wird die thermische Energie ausgekoppelt und anschließend durch vier Hochleistungs-Wärmepumpen auf bis zu 82,5 °C erhöht. Das ist in Europa in dieser Konstellation einzigartig. In Abhängigkeit von der Außentemperatur wird die Wassertemperatur nur bei Bedarf noch einmal erhöht und anschließend in das Fernwärmenetz eingespeist. Die Anlage in Schwerin-Lankow erreicht eine maximale Gesamtleistung von 7,5 MW. Davon sind 5,7 MW grüne Wärme, die wir der Sole entnehmen.

Wirtschaftsforum: Das Thema Versorgungssicherheit ist gerade von extrem hoher Bedeutung. Wie schaffen Sie es, diese Versorgungssicherheit für Ihre Kunden zu gewährleisten?

René Tilsen: Wir betreiben zwei eigene Gas- und-Dampfturbinen-Heizkraftwerke mit angeschlossenem Wärmespeicher. Beide Kraftwerke werden wir von Grund auf mit emissionsarmer und effizienter Technik modernisieren und so optimieren, dass wir die eingesetzte Energie bis auf das letzte Quäntchen nutzen können. Wir befeuern die Anlagen mit Erdgas, dem saubersten fossilen Brennstoff, können aber auch bis zu 10% Wasserstoff beimischen oder komplett auf die Nutzung von Wasserstoff umrüsten. Aus der aktuellen Situation heraus rüsten wir derzeit aber auf die Befeuerung mit Heizöl um. Auf diese Weise können wir Schwerin auch im Falle eines tatsächlichen Gasmangels komplett mit Fernwärme versorgen. Darüber hinaus betreiben wir eine Biogasanlage und diverse Photovoltaikanlagen, die Geothermieanlage kommt in naher Zukunft als wichtiger Baustein hinzu. Wir haben nicht nur die eigenen Erzeugungsanlagen und produzieren die Energie, sondern auch ein eigenes Team für den gesamten Energiehandel bei uns. Damit haben wir einen viel tieferen Einblick in den Markt. Das ermöglicht es uns, vorausschauend zu handeln. Die Marktbeobachtung ist wichtiger geworden als jemals zuvor und wir versuchen immer Lösungen zu finden, um unsere Kunden optimal versorgen zu können.

Wirtschaftsforum: Welche Themen werden die Stadtwerke Schwerin in der Zukunft beschäftigen?

Julia Panke: Wir wollen den Menschen weiter die Möglichkeit bieten, alles aus einer Hand bei uns zu bekommen. Wir versorgen unsere Schweriner Kundinnen und Kunden mit Strom, Gas, Fernwärme, Wasser sowie Internet- und TV-Produkten über unser eigenes city.kom-Glasfasernetz. Wir sind eng mit der Landeshauptstadt verbunden, sind nahbar und direkt vor Ort für die Menschen da. Ein wichtiges Thema für die Zukunft ist der Schutz unserer Umwelt. Die Stadt Schwerin möchte bis 2035 klimaneutral sein. Um dieses engagierte Ziel zu erreichen, leisten auch wir mit den bereits genannten Projekten einen Beitrag. Dazu zählt unter anderem der weitere Ausbau der Geothermie. Um dafür die optimalen Standorte zu ermitteln, werden wir das Stadtgebiet mithilfe der sogenannten 3-D-Seismik komplett erfassen lassen. Die gute und reichhaltige Verfügbarkeit der Sole würde bis zu zehn Anlagen auf dem Stadtgebiet ermöglichen. Diesem Ziel wollen wir uns sukzessive annähern. Denn wir wollen die grüne Heizung Schwerins werden.

René Tilsen: Mit der Geothermie können wir dieses Ziel relativ leicht erreichen. Schon im nächsten Jahr werden wir die zweite Anlage konkret angehen und so die Nutzung der Erdwärme Anlage für Anlage ausweiten.Darüber hinaus möchten wir uns unter anderem mit dem Thema Wasserstoff beschäftigen, um zu evaluieren, welche Möglichkeiten wir haben, um die Menschen auch in der Zukunft günstig mit Energie versorgen zu können.

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