„Als Werkzeug der Politik den regionalen Energiewandel vorantreiben“

Interview mit Christophe Bossel, Direktor der SIE SA

Wirtschaftsforum: Herr Bossel, Ihr Unternehmen tritt als regionaler Energieversorger von vier Kommunen im westschweizer Kanton Vaud auf. Welche Unternehmensstrategie steht hinter diesem Projekt?

Christophe Bossel: Ursprünglich hat sich die SIE nur mit ihrer weitreichenden technologischen Expertise auf dem Gebiet der Energieversorgungsnetze in unserem regionalen Markt bewegt. Die eigentliche Leistungserbringung der Stromversorgung ist ab circa 2005 aufgrund der damaligen starken Marktpreisschwankungen auf dem europäischen Energiemarkt an ein anderes regionales Unternehmen delegiert worden. Im Zuge der Weiterentwicklung des europäischen Energiemarktes wurde es in der Schweiz jedoch zunehmend zur Aufgabe der Kommunen, auf eine nachhaltige Umsetzung der Energiewende hinzuwirken und somit auch bei der Zielsetzung der beständigen Reduzierung des Energieverbrauchs, insbesondere im Gebäudesektor, Verantwortung zu übernehmen.

Somit entschlossen sich unsere Anteilseigner, die vier Gemeinden Chavannes, Crissier, Écublens und Renens, vertreten durch ihre Gemeinde, vor drei Jahren schließlich zu einer Änderung ihrer Strategie, sodass die SIE diese zentralen Aufgaben nicht weiter an ein Drittunternehmen delegiert, sondern nun selbst als Werkzeug der politischen Entscheidungsträger auf die Energiewende in ihrer Heimatregion hinwirken kann.

Wirtschaftsforum: Welche Maßnahmen haben Sie bisher umgesetzt, um diesen Strategiewandel mit Leben zu füllen?

Christophe Bossel: Mittlerweile bieten wir ein deutlich umfangreicheres Leistungsspektrum von Solarpaneelen über Geothermie-Lösungen bis hin zu Fernwärmenetzen an, um als vollwertiger regionaler Energieerzeuger aufzutreten. Seit zwei Jahren bereiten wir uns zudem darauf vor, wieder selbstständig Energie an die Endverbraucher zu verkaufen, was für ein mittelständisches Unternehmen unserer Größe selbstverständlich eine enorme He-rausforderung bedeutet. Hierauf liegt derzeit unser strategisches Hauptaugenmerk, auch wenn wir natürlich selbst perspektivisch nicht in Konkurrenz zu den großen etablierten Schweizer Energieversorgern treten werden.

Wirtschaftsforum: Als zentrale Zielsetzung Ihrer Unternehmens-tätigkeit nennen Sie dabei die Umsetzung globaler Lösungen auf lokaler Ebene. Worin liegt hierbei der Mehrwert für Ihre Partner?

Christophe Bossel: Die globalen Lösungen werden natürlich von den technischen Rahmenbedingungen vorgegeben. Alle Anbieter setzen im Prinzip dieselben Paneele, dieselben Wechselrichter und dieselben Windkraftanlagen ein und agieren unter denselben regulatorischen Rahmenbedingungen auf den gleichen Energiemärkten. Da es sich bei unseren Anteilseignern jedoch um die Gemeinden selbst handelt, stehen wir in engem Austausch mit den lokalen Entscheidungsträgern und können somit direkt auf die individuellen Gegebenheiten vor Ort eingehen und uns vollumfänglich den jeweiligen spezifischen Problem- und Fragestellungen widmen. Soll beispielsweise ein neues Energiekonzept für einen Stadtteil erarbeitet werden, ist SIE gehalten, ein Angebot für ein Fernwärmenetz oder ein entsprechend dimensioniertes Solarfeld samt Verteilungsnetz zu entwickeln. Dabei bewegen wir uns natürlich im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern, haben jedoch als örtlich verwurzelter Anbieter oftmals bedeutende Vorteile – eben weil wir die globalen Technologien zielgerichtet im lokalen Kontext umsetzen können.

Wirtschaftsforum: Wie wird sich dabei der Schweizer Energiemarkt perspektivisch entwickeln – und mit ihm auch die SIE?

Christophe Bossel: Mit dem Krieg in der Ukraine ist die Energieversorgung auch in der Schweiz zu einem zentralen, kritischen Thema geworden: Gegenwärtig produzieren wir, bedingt durch den Stellenwert der Wasserkraft in den Alpen, im Sommer mehr Energie, als in unserem Land verbraucht wird, während wir im Winter auf Nettoenergieimporte angewiesen sind. Da die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union ist und sich schier unaufhörlich in Verhandlungen mit dem großen Staatenverbund vor unserer Haustür befindet, ist auch unsere perspektivische Teilnahme am europäischen Energiemarkt alles andere als gesichert. Ungeachtet dessen wird die Schweiz ihr Streben nach einer stärkeren Autarkie in der Energieversorgung sicherlich fortsetzen, etwa durch Solarparks in den Alpen, die in großen Höhen montiert werden sollen, um den Wirkungsgrad durch die Reflexion des Schnees und die Lage oberhalb des Nebels nahezu auf ein Idealniveau zu optimieren. Auch bei der Windenergie bestehen große Ausbaupotenziale, die aufgrund weitreichender Blockademöglichkeiten durch Personen mit juristischen Partikularinteressen bislang eher unzureichend genutzt werden. SIE wird an all diesen Veränderungen teilhaben und sich weiterhin als lokaler Verteilungsnetzbetreiber an der zielgerichteten Lösung der spezifischen örtlichen Problemstellungen beteiligen.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema

Kundennah, kompetent, klimabewusst

Interview mit Frank Seifert, Geschäftsführer und Lukas Kühner, Geschäftsführer der Kühner GmbH

Kundennah, kompetent, klimabewusst

Die Kühner GmbH in Winnweiler zählt zu den etablierten Fachbetrieben für Heizungs-, Sanitär-, Klima- und regenerative Energietechnik in der Westpfalz. Das 1966 gegründete Familienunternehmen beschäftigt heute 38 Mitarbeiter und betreut…

Für gutes Klima in 3. Generation

Interview mit Christian Stark, Geschäftsführer der Klima Becker Full Service GmbH und Sophie Becker, Business Development Manager der Klima Becker Anlagenbau GmbH

Für gutes Klima in 3. Generation

Aus einem Handwerksbetrieb ist eine Unternehmensgruppe mit breitem Leistungsspektrum geworden: Klima Becker vereint rund 500 Mitarbeiter an elf Standorten in Südwestdeutschland, Frankreich und Luxemburg. Die Firma setzt auf qualifizierten Nachwuchs,…

Passion für Veränderungen

Interview mit Volker Brielmann, CEO der Adval Tech Gruppe

Passion für Veränderungen

Gerade im weltweit hart umkämpften Automotive-Segment hat sich Adval Tech mit seiner starken technologischen Expertise als kompetenter Zulieferer von Kunststoff-, Metall- und Hybridkomponenten nachhaltig als geschätzter Partner etablieren können. Welche…

Spannendes aus der Region Crissier

Innovationen für eine  vernetzte Gesellschaft

Interview mit Sascha Schaub, Geschäftsführer der hotsplots GmbH

Innovationen für eine vernetzte Gesellschaft

WLAN ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken– ob im öffentlichen Nahverkehr, in Hotels oder in Smart Cities. Die Anforderungen an diese Technologie sind jedoch vielfältiger denn je: Sie muss…

Die Zukunft der Elektromobilität gestalten

Interview mit Matthias Nett, Geschäftsführer der Allego GmbH

Die Zukunft der Elektromobilität gestalten

Die Allego GmbH mit Sitz in Berlin hat sich zum Ziel gesetzt, den Markt der Elektromobilität zu revolutionieren. Mit einem der größten Netzwerke von Ladestationen in Europa möchte das Unternehmen…

Neuer Medizinstandard für die Frauengesundheit

Interview mit Wouter Peperstraete, Geschäftsführer der Hologic Deutschland GmbH

Neuer Medizinstandard für die Frauengesundheit

Frauenmedizin weiterdenken – mit modernster Technologie und klarem Fokus auf Prävention und Früherkennung. Die Hologic Deutschland GmbH gehört zu den führenden Unternehmen im Bereich der Medizintechnik mit besonderer Spezialisierung auf…

Das könnte Sie auch interessieren

Tief verwurzelt in der kommunalen Daseinsvorsorge

Interview mit Dörte Schulte-Derne, Sprecherin der Geschäftsführung der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH

Tief verwurzelt in der kommunalen Daseinsvorsorge

Die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) ist weit mehr als ein „klassisches“ Stadtwerk. Bereits vor 127 Jahren sicherte das Unternehmen die Trinkwasserversorgung der Region, betrieb Straßenbahnen und übernahm Verantwortung für…

Versorgung der Zukunft: nachhaltig, digital, sicher

Interview mit Dino Höll, Geschäftsführer der Dessauer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH – DVV – Stadtwerke

Versorgung der Zukunft: nachhaltig, digital, sicher

Energie, Mobilität, Wasser und Telekommunikation – die Stadtwerke Dessau sind weit mehr als ein klassischer Versorger. Als einer der größten Arbeitgeber der Region treiben sie nicht nur die Daseinsvorsorge voran,…

„Brauchen Verlässlichkeit in der Energiewende“

Interview mit Dipl.-Ing. (FH) Michael Raschemann, geschäftsführender Gesellschafter der Energiequelle GmbH

„Brauchen Verlässlichkeit in der Energiewende“

Sonne und Wind sinnvoll zu nutzen, darin sieht die Energie­quelle GmbH mit Sitz in Kallinchen bei Berlin ihre Hauptaufgabe. Der Inhaber und Gründer Dipl.-Ing. (FH) Michael Raschemann sprach mit Wirtschafts­forum…

TOP