Im Baugewerbe bleibt kein Stein auf dem anderen
Interview mit Christian Wohlrab, Geschäftsführer der HBW Höfle & Wohlrab Bau GmbH
31.08.2021
Wirtschaftsforum: Herr Wohlrab, in Ihrem mittelständischen Bauunternehmen konzentrieren Sie sich auf große und sehr große Projekte. Einmal in die andere Richtung gefragt: Wann ist ein Projekt zu klein für Sie?
Christian Wohlrab: Aus dem klassischen Einfamilienhausbau halten wir uns konsequent heraus – und zwar nicht, weil wir hochnäsig sind, sondern weil kleinere Baufirmen dieses Marktsegment besser bedienen können als wir. Wir haben uns mit unserer gesamten Infrastruktur stattdessen voll und ganz den Großprojekten verschrieben. Für uns werden Aufträge ab der Größenordnung Reihenhaus oder bei Wohnanlagen ab etwa sechs Wohneinheiten interessant.
Wirtschaftsforum: Was ist das derzeit größte Projekt, das Sie betreuen?
Christian Wohlrab: Derzeit sind wir mit den Baumeisterarbeiten für den Ackermannpark in Augsburg beauftragt. Dort entstehen 416 Wohneinheiten samt Tiefgaragen und weiteren Nebengebäuden.
Wirtschaftsforum: Projekte dieser Größenordnung können gerade für mittelständische Unternehmer schnell zu Klumpenrisiken führen. Wie beugen Sie einer solchen finanziellen Problematik vor?
Christian Wohlrab: Das auf uns entfallende Volumen des Ackermannparks beträgt circa 26 Millionen EUR. Das ist zwar eine ordentliche Hausnummer, aber mit der richtigen Finanzplanung auch für einen Mittelständler mit ausreichend Eigenkapital zu stemmen. Grundsätzlich vereinbaren wir mit unseren Auftraggebern jedoch engmaschige Abschlagszahlungen, um etwaigen Ausfallrisiken konsequent vorzubeugen.
Wirtschaftsforum: Welche logistischen und baulichen Herausforderungen gilt es, bei einem solchen Großprojekt zu bewältigen?
Christian Wohlrab: Logistisch ist ein solches Bauvorhaben eine Meisterleistung. Bei so vielen Gewerken müssen alle Handgriffe perfekt ineinandergreifen, und zwar nicht nur bei uns als Baumeister. Wenn zwei Dutzend Firmen und mehr als 400 Menschen auf der Baustelle tätig sind, muss jeder Tag ganz genau terminiert werden, damit wir zielgenau unsere Arbeit aufnehmen können und die Betonlieferung nicht schon im Fahrzeug auf dem Weg zur Baustelle aushärtet.
Wirtschaftsforum: Ihr Einzugsgebiet ist der gesamte süddeutsche Raum und der Wettbewerb dürfte entsprechend hart sein. Was hebt Sie von Konkurrenzunternehmen ab?
Christian Wohlrab: Sicherlich unsere Größe und die damit einhergehende Spezialisierung auf entsprechend umfangreiche und ambitionierte Projekte. Natürlich gibt es viele Bauunternehmen, aber ein Großteil von ihnen ist genau in dem Segment aktiv, das wir nicht bespielen: bei den Ein- und Zweifamilienhäusern. Der von uns bediente Markt ist da schon enger, was dazu führt, dass wir so viele direkte Wettbewerber gar nicht haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns nicht beständig auf bestehende Innovationsmöglichkeiten konzentrieren und gerade auch für entsprechend qualifizierte Mitarbeiter attraktiv bleiben müssen.
Wirtschaftsforum: Sind Sie trotz dieser Bemühungen vom Fachkräftemangel betroffen?
Christian Wohlrab: Der Fachkräftemangel ist doch schon so alt wie der Arbeitsmarkt selbst. Bereits im 17. Jahrhundert sprach man vom ‘Leutemangel’ und schon immer hatte eine Generation die Tendenz, schlecht von der nachfolgenden zu sprechen. Trotzdem stehen wir in Deutschland heute da, wo wir sind, und das ist ein Niveau, das vor hundert Jahren nicht zu denken war. Deshalb bin ich auch voller Zuversicht für die nächste Generation im Bauhandwerk.
Wirtschaftsforum: Wie wird gerade ein Bauunternehmen für diese jüngeren Arbeitnehmer attraktiv?
Christian Wohlrab: Indem man offen die Chancen einer Karriere im Baugewerbe kommuniziert. Viele haben noch heute jahrzehntealte Klischees vom Bauberuf im Kopf, wo die Lehrlinge in Uraltautos zur Baustelle gefahren sind und dort dann mit heruntergekommenem Werkzeug hantiert und Bier getrunken wurde. Das hat mit dem heutigen Berufsleben eines Maurers jedoch überhaupt nichts zu tun. Unsere Mitarbeiter bekommen bei uns nur neuestes Werkzeug in die Hand und üben zudem einen hochprofessionellen und weitgehend digitalisierten Beruf aus.
Wirtschaftsforum: Wie muss man sich diese Art der Digitalisierung vorstellen – schließlich bleibt das Bauhandwerk am Ende ein analoger Prozess?
Christian Wohlrab: Natürlich muss am Schluss einer den Stein setzen – aber auch der Stein ist nicht mehr derselbe wie früher, ganz zu schweigen vom Mörtel, der bei modernen Baustellen kaum noch zum Einsatz kommt, weil wir heute die meisten Bauteile miteinander verkleben. Bis zu diesem Punkt hat sich jedoch schon eine Vielzahl an Schritten ereignet, von der Projektierung über die millimetergenaue Vermessung des Geländes bis hin zur detaillierten Planung – und all das ist vollständig digitalisiert.