Vom Aufklärer zum Alltagshelfer
Interview mit Marianne Strompf, Geschäftsführerin der Etac GmbH

In den 1930er-Jahren steckte der Markt für Hilfsmittel, die Menschen mit Behinderungen den Alltag erleichtern, noch in den Kinderschuhen. Die in Schweden gegründete Vorgängerin von Etac, RFSU, hatte zunächst eine ganz andere Mission, die lautete: sexuelle Aufklärung mit dem Ziel, Verhütung zu fördern.
Nach ein paar Jahrzehnten fokussierte sich das Unternehmen auf Produkte für Bad und Toilette und begann später auch mit der Rollstuhlentwicklung. Etac ging 1990 aus der RFSU hervor und fasste 1995 in Deutschland Fuß. Die Etac-Gruppe gehört heute zu 100% der schwedischen Firmengruppe Nordstjernan und hat ihren Konzernsitz in Stockholm.
Infolge einer Reihe von Akquisitionen betreibt sie außer in Deutschland auch Niederlassungen unter anderem in Norwegen, Dänemark, England und den USA und beschäftigt rund 800 Mitarbeiter, 28 davon am Standort im nordrhein-westfälischen Marl.
„Wir sind nach wie vor stark auf Wachstum und Expansion ausgerichtet“, betont die Geschäftsführerin der Etac GmbH Marianne Strompf. Die Diplombiologin, die über die Medizin in die Reha-Branche kam, obliegt seit Oktober 2016 neben der Geschäftsführung des Schwesterunternehmens R82 GmbH auch die der Etac GmbH in Marl.
Für sie liegt der Reiz ihres Jobs in der Vielfalt: „Unsere Kunden sind nicht nur Pflegekräfte, sondern auch Krankenkassen als Kostenträger, Therapeuten, Endnutzer, Angehörige und so weiter. Das macht es spannend. Wer in dieser Branche Fuß gefasst hat, der verlässt sie auch nicht mehr.“
So ist sie bereits seit 20 Jahren in der Branche tätig, und auch Fusionen können sie nicht schrecken: „Damit habe ich Erfahrungen und bin in der Lage, in so einer Situation ruhig und besonnen zu bleiben.“

„Der Privatmarkt wird immer größer, da viele ältere Menschen gut situiert sind und sich die Hilfsmittel selbst kaufen.“ Marianne StrompfGeschäftsführerin
Grosser Markt, grosse Herausforderungen
Während der Markt stetig wachse und ein dramatischer Preisverfall zu beobachten sei, nehme die Erstattung durch die Krankenkassen ab, bedauert Marianne Strompf: „Die Kostenträger verzeichnen ein immer größeres Patientenaufkommen – eine Folge der überalterten Population in Deutschland – und der Topf ist eben begrenzt. Das ist für uns eine Herausforderung. Der Privatmarkt wird gleichzeitig immer größer, da viele ältere Menschen gut situiert sind und sich die Hilfsmittel selbst kaufen.“
Auf die veränderten Marktbedingungen reagiert Etac mit speziell auf den privaten Kunden zugeschnittenen Konzepten. Dazu gehören auch optisch ansprechende Produkte in skandinavischem Design und hohe Qualität. „Wir sind ganz bewusst nicht die Billigsten am Markt“, betont die Geschäftsführerin.
Beliefert wird ausschließlich der Fachhandel, also Sanitätshäuser. Über deren Internetshops sind die Produkte teilweise auch online zu erwerben – wovon sie allerdings nur begrenzt etwas hält: „Sie sind erklärungsintensiv und haben Servicebedarf. Dieser Service muss vom Fachhandel vor Ort geleistet werden.“
Das Angebot ist breit gefächert und reicht von montierbaren Produkten für Bad und Toilette über Alltagshilfen, manuelle Rollstühle, Rampen, Transfer- und Umlagerungshilfen, Anti-Dekubitus- Kissen bis hin zu Kinder-Reha- Hilfsmitteln, wobei regelmäßig Innovationen vorgestellt werden.
Für Pflegekräfte bietet Etac bundesweit Schulungen im Bereich Transfer- und Umlagerungshilfen an. „Wir haben dafür ein großes Schulungsteam und allein 2016 1.500 Pflegekräfte geschult.“
Selbstbestimmt und selbstständig
„Unser Ziel ist es, den Kunden ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Sie sollen möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben können. Mit unseren Hilfsmitteln machen wir ihnen von der Jugend bis ins Alter das Leben leichter“, erklärt Marianne Strompf.
Die Voraussetzungen für weiteres Wachstum hält sie für günstig: „Wir haben das Glück, mit Nordstjernan einen Partner gefunden zu haben, der gewillt ist, langfristig zu investieren.“ Unter anderem durch weitere Akquisitionen soll das Portfolio weiter ausgebaut werden. „Doch erst einmal müssen wir das konsolidieren, was in den letzten Jahren akquiriert wurde.“