Bodo Janssen: Unternehmen sind dazu da, Menschen zu stärken

Interview mit Bodo Janssen, Geschäftsführer der Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH & Co. KG

Wirtschaftsforum: Herr Janssen, eine Fehlerkultur für das eigene Unternehmen zu definieren ist eine Sache, diese mit Leben zu füllen eine ganz andere. Wie gehen Sie bei Upstalsboom das Thema an?

Bodo Janssen: Erstmal in der Form, dass wir ganz konkret die persönlichen Voraussetzungen bei den Menschen entwickeln, dass sie sich überhaupt in der Lage fühlen, Fehler einzugestehen. Wenn Menschen nämlich Angst davor haben, Fehler zuzugeben, können Sie eine Fehlerkultur von hier bis nach Meppen einführen, sie wird wirkungslos sein. An dieser Stelle greift unser Unternehmensgrundsatz: Wir wollen Menschen dabei unterstützen, stark zu sein, mit dem Ziel, sich physisch und sozial wohlzufühlen.

Bodo Janssen
„Wenn ich [als Geschäftsführer] keine Fehler zugebe, wird sich kein anderer Mitarbeiter dazu berufen fühlen.“ Bodo JanssenGeschäftsführer

Wirtschaftsforum: Was bedeutet das ganz konkret in der Praxis?

Bodo Janssen: Es braucht dafür schon Menschen, die als Vorbild vorangehen. Da bin ich als Geschäftsführer natürlich besonders gefragt. Wenn ich keine Fehler zugebe, wird sich kein anderer Mitarbeiter dazu berufen fühlen. Also ist das eine Aufgabe, der ich mich regelmäßig bewusst stelle und Kritik annehme. Wir haben zum Beispiel Culpa-Sessions, für die wir Teambesprechungen als Plattform nutzen.

Wirtschaftsforum: In einzelnen Unternehmen gibt es Incentives zu dem Thema. Da wird beispielsweise der Fehler des Monats gefeiert. Wie stehen Sie dazu?

Bodo Janssen: Für mich ist alles, was mit Incentives und extrinsischer Motivation zu tun hat, nicht unser Weg. Das würde unserem Wesen nicht entsprechen. Das hat für mich zudem etwas Manipulatives. Es geht letztendlich nicht darum, zu sagen, wie toll Fehler sind, sondern um die Erkenntnis, wie sinnvoll Fehler sind.

Wirtschaftsforum: Eine Mitarbeiterbefragung 2010 war bei Ihnen die wortwörtliche Initialzündung. Sie hätten die damalige Kritik verhallen lassen können, warum wurden Sie stattdessen aktiv?

Bodo Janssen: Es gab ja tatsächlich schon 2006 eine Mitarbeiterbefragung und die Ergebnisse waren wenig berauschend. Die habe ich in der Schublade verschwinden lassen. Das Dumme war nur, dass die Mitarbeiter sich natürlich daran erinnert haben und gern die Ergebnisse wissen wollten. Das war für mich immer sehr unangenehm, darauf angesprochen zu werden. Das hat dazu geführt, dass das Vertrauen zu mir noch schlechter wurde.

So gab es die zweite Befragung 2010. Da wollte ich es in jedem Fall besser machen. Dieses Verschweigen war keine Option. Eine weitere Option wäre es gewesen, das Unternehmen zurückzugeben, also zu flüchten. Das konnte ich nicht machen, mein Vater war ja drei Jahre zuvor mit dem Flugzeug tödlich verunglückt. Ich musste also dort meinen Mann stehen. Wir kommunizierten die Ergebnisse letztendlich so, wie sie ausgefallen waren.

Wirtschaftsforum: Wie fielen die Reaktion auf diesen offenen Umgang aus?

Bodo Janssen: In der Offenheit war das für viele Mitarbeiter ein Schock. Vorher herrschte Geheimniskrämerei bei Upstalsboom nach dem Motto: Die Mitarbeiter sind wie Champignons, die Köpfe sitzen im Dunkeln. Es war dann ungemein lehrreich, die Reaktionen der Belegschaft auf den Umgang der Führungskräfte mit der vorgebrachten Kritik zu sehen. In dem Moment, in dem die Verantwortlichen die Schuld von sich gewiesen haben, ist das Team aufgebracht gewesen und es ist eine Trennung zwischen dem Team und den Vorgesetzten erfolgt. Da gab es richtig Krawall. Andere Führungskräfte haben sich bekannt und sich entschuldigt. Als Konsequenz haben sich die Mitarbeiter gegenüber ihren Vorgesetzten verbunden gefühlt.

„In dem Moment, in dem die Verantwortlichen die Schuld von sich gewiesen haben, ist das Team aufgebracht gewesen und es ist eine Trennung zwischen dem Team und den Vorgesetzten erfolgt. Da gab es richtig Krawall.“ Bodo JanssenGeschäftsführer
Bodo Janssen

Wirtschaftsforum: Sie haben mit „Kraftquelle Tradition“ ein neues Buch veröffentlicht. Warum sollten es Führungskräfte zur Hand nehmen?

Bodo Janssen: Es geht nicht nur darum, ein positives Bild von Arbeit als etwas Freudestiftendes zu schaffen, sondern auch, an konkreten Praxisbeispielen zu verdeutlichen, wie das bei uns gelungen ist. Ich glaube nämlich, dass wir deshalb so wenig tun, weil wir immer wieder passende Entschuldigungen dafür finden. Da liegt es am Chef, am mangelnden Budget oder einer anderen Sache. Das Gemeine an meinem Buch ist jetzt, dass es diesen Entschuldigungen kein Raum lässt, weil ich das Buch so weit auf die Praxis ausrichte, dass nur eine einzige Entschuldigung übrigbleibt. Man sagt: Ich will es nicht.

Wirtschaftsforum: Das ist nicht Ihre erste Publikation, fühlen Sie sich in der Rolle des Autors wohl?

Bodo Janssen: Für mich ist das Buch eine Herzensangelegenheit und dazu ein starkes Medium, um mich als Mensch weiterzuentwickeln und auch den Mitarbeitern etwas an die Hand zu geben, was ihnen dabei hilft, noch besser zu verstehen, worum es bei Upstalsboom geht. Darin sehe ich auch den Sinn meines Lebens: Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass die Menschen abends aufrechter nach Hause gehen als sie morgens zur Arbeit gekommen sind.

Wirtschaftsforum: Wenn Sie abschließend einen Blick auf die Arbeitswelt und den Umgang der Menschen untereinander werfen: Gibt es eine Entwicklung, die Ihnen Sorge bereitet?

Bodo Janssen: Ja, ich glaube, die Verhaltensweisen in Unternehmen sind immer ein Abbild der Entwicklung innerhalb der Gesellschaft. Die Menschen ziehen sich immer mehr zurück, bewegen sich in ihrer eigenen kleinen Welt. Es ist die Aufgabe eines Unternehmens, dem entgegenzutreten und Gemeinschaft zu fördern.

Ähnliche Beobachtungen mache ich im Bereich Gesundheit. Der Zugang zu Fachärzten wird immer schwieriger. Die Wartezeiten sind unheimlich lang. Jetzt kann ich als Unternehmer einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Versorgung schlecht wird oder selbst aktiv werden. Wir haben gesundheitliche Präventionskurse und ein eigenes Gesundheitssystem eingeführt.

Auch in Bezug auf das Schulsystem können und müssen Unternehmen Verantwortung übernehmen, wenn sie nicht unter den Folgen leiden wollen, die uns gesellschaftlich immer stärker tangieren.

Wirtschaftsforum: Überfordern Sie mit Ihrem Anspruch nicht viele Unternehmen?

Bodo Janssen: Ja, und zwar auf Basis ihrer jetzigen Haltung. Im Moment ist es so, dass der Mensch mehrheitlich als Mittel zum Zweck in der Wirtschaft betrachtet wird: Ich nutze die Mitarbeiter, um als Unternehmen selbst Vorteile zu bekommen. Wir dagegen haben den Paradigmenwechsel vollzogen. Wir haben gesagt: Wir als Unternehmen sind dazu da, Menschen zu stärken. Das heißt, unser Zweck ist es, für physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden zu sorgen. Wenn ich diesen Anspruch auf all meine Prozesse lege, meine Produkte, meine Angebote und meine Kommunikation, dann ist die logische Konsequenz, dass irgendwann die Menschen stärker werden.

Interview: Markus Büssecker | Fotos: Upstalsboom; Tim Rost

Eine Kurzbiographie von Bodo Janssen wurde uns von Upstalsboom zum Download zur Verfügung gestellt. Klicken Sie hier.

Mehr von Bodo Janssen hören? Hier geht's zum Radiointerview vom 25.8.2019.

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