„Alles in Frage stellen, was der Kunde nicht bezahlt“

Bestsellerautor Dr. Reinhard K. Sprenger im Interview

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Sprenger, ist ein Unternehmen weniger erfolgreich, wenn es nicht „radikal“ geführt wird?

Dr. Reinhard K. Sprenger: Wer wirklich etwas verändern will, muss bei der Wurzel anfangen. Die vielen Change-Initiativen scheitern, weil sie, um im Bild zu bleiben, an der Oberfläche verweilen und den Dingen nicht auf den „Grund“ gehen. Sie wären erfolgreich, würden sie die Kernaufgaben der Führung erledigen.

Wirtschaftsforum: Lässt sich das messen?

Dr. Reinhard K. Sprenger: Ich bin kein Freund des Zählens und Messens. Mitunter scheint es, als sei die Messung ein Synonym für das, was im Unternehmen überhaupt unter vernünftig und rational zu verstehen ist. Aber je wichtiger ein Faktor für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens ist, desto weniger lässt er sich messen. Was sich hingegen messen lässt, sind die Kosten der vielen gescheiterten Change-Management-Programme.

Wirtschaftsforum: Gibt es bereits Firmen, die erfolgreich nach Ihrer Methode arbeiten?

Dr. Reinhard K. Sprenger: Es gibt etliche Firmen, die ihre Führungskräfte-Entwicklung auf das Buch „Radikal führen“ stützen. Das Feedback dazu ist jedenfalls überwältigend, auch international.

Wirtschaftsforum: Sie plädieren in Ihrem Buch „Radikal führen“ für einen grundlegenden Wandel der Führungskultur in der Wirtschaft. Was läuft denn nach Ihrer Erfahrung in vielen Unternehmen schief?

Dr. Reinhard K. Sprenger: Das lässt sich kaum in wenigen Worten sagen und einiges läuft ja auch sehr erfolgreich. Grundsätzlich wird in den Unternehmen zu wenig von der Zukunft her geführt. Es dominiert eine Reparatur- und Optimierungs-Intelligenz. Alles wird besser, nichts ist gut. Die vorherrschende Managementpraxis geht zum Beispiel die sich erhöhende Umgebungsgeschwindigkeit nicht mit. Sie ist weiterhin reflexhaft alternativvernichtend, reagiert auf jedes Gestaltungsproblem mit einer Richtlinie, regelt und kanalisiert „ein für alle Mal“. Sie ist tendenziell risikoscheu und stammt aus einer Zeit, in der Marktlücken noch Gebirgstäler waren, und nicht – wie heute – Gletscherspalten.

Wirtschaftsforum: Muss sich an der Führungskräfte-Ausbildung etwas ändern?

Dr. Reinhard K. Sprenger: Auch die Rollenbilder, Modelle und Theorien der Führung werden nicht von der Zukunft her entworfen. Sie gehen immer noch von relativ stabilen Bedingungen und überschaubaren Reichweiten aus. Das behagt vor allem jenen Führungskräften, die sich traditionell an wohlgeordneten, zu kontrollierenden und damit auch zu steuernden Strukturen orientieren. Da müssen wir die Gewichte sicher mehr zum Unternehmertum hin verschieben. Vor allem aber dürfen wir nicht länger „Lernen“ mit „Anpassen“ verwechseln. Der Mensch lernt nur, wenn er will, nicht wenn er soll.

Wirtschaftsforum: Mehr Führungsaufgaben, weniger Sachaufgaben – so lautet Ihr Appell an die Führungsetagen. Zusammenarbeit zu organisieren – also das Unternehmen zu einer Art „Solidargemeinschaft“ zusammenzuschweißen – halten Sie dabei für die wichtigste von fünf Kernaufgaben. Wie kann das konkret gelingen?

Dr. Reinhard K. Sprenger: Dazu muss man zunächst den institutionellen Rahmen als Bedingung von Führung hinterfragen: „Was in unserer Organisation macht Zusammenarbeit strukturell unwahrscheinlich?“ Bei den Institutionen spielt sicher die Qualität der Ziele eine Rolle. Ebenso Architekturen, die Größe der Einheiten. Wichtig sind vor allem die Botschaften, die das Bezahlungssystem aussendet: Wird hier der Kooperationsvorrang durchgesetzt? Danach kann man in einem zweiten Schritt die individuellen Eigenschaften überprüfen, die geeignet sind, diese Führungs-Aufgabe zu erfüllen. Sind unsere Führungskräfte gute Gastgeber, die das Potenzial ihrer Mitarbeiter nutzen? Sind es nach wie vor Selbstoptimierer, oder sind sie Fremdoptimierer, die die Leistung anderer organisieren? Und wenn ein Unternehmen sich nicht von Menschen trennt, die weder zusammenarbeiten können noch wollen, bleibt der Kooperationsvorrang Lippenbekenntnis.

Wirtschaftsforum: Welches ist aus Ihrer Sicht die zweitwichtigste Kernaufgabe?

Dr. Reinhard K. Sprenger: Es gibt diesen fast naturgesetzlichen Kreislauf, dass Wohlfahrt zu Dekadenz führt. Und die Dekadenz dann die Wohlfahrt unterhöhlt. Um diesen Zyklus zu unterbrechen, müssen wir in die alltagshypnotische Routine die Krise einbauen. Das ist der Störungsauftrag der Führung. Diese Störung ist eine Ressource zur Revitalisierung der wirtschaftlichen Kraft, um nicht zu verweichlichen, sondern anpassungsfähig zu bleiben. Gemeint ist die präventive Vorbereitung der Organisation auf mögliche Veränderungen. Eine Alarmierfunktion, die Wachsamkeit, Vorbereitung auf Neues und eine Dauerskepsis am Weiter so signalisiert. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, muss Führung in homöopathischen Dosen Störungen in die Organisation einführen. Sie muss das Unternehmen in optimistischer Absicht beunruhigen. Sie füttert das Unternehmen mit Aktionen, mit der es nicht rechnen kann und die dennoch handhabbar sind. Weil nur die permanente Austragung von Krisen es fit hält.

Wirtschaftsforum: Was sollte ein Unternehmen als Erstes tun, wenn es seine Führungskultur in zukunftsfähiger Weise verändern will?

Dr. Reinhard K. Sprenger: Es sollte sich in radikaler Weise am Kunden orientieren. Es sollte alles in Frage stellen, was der Kunde nicht wahrnimmt und nicht bezahlt. Es sollte sich so organisieren, dass es sich um den Kundenauftrag herum immer neu organisiert. Es sollte sich selbst radikal unter Horizontalspannung stellen. Nur dann bleibt es zukunftsfähig.

Wirtschaftsforum: Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Sprenger.

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