Forschen mit Sinn und Verstand

Interview mit Prof. Dr. med. Marc O. Schurr, Vorstandsvorsitzender der Ovesco Endoscopy AG

Ovesco legt seit Beginn den Fokus auf die Entwicklung endoluminaler Verfahren und Technologien für die Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen. Flaggschiffprodukte sind endoskopische Clip-Systeme, die insbesondere für die Behandlung gastrointestinaler Blutungen zum Einsatz kommen. Gegründet wurde das Unternehmen 2008.

„Vorher gab es einen Forschungsvorläufer“, erklärt Geschäftsführer Prof. Dr. med. Marc O. Schurr. „Ich selbst bin Arzt; das Unternehmen wurde daher aus der klinischen Perspektive heraus gegründet. Das eigentliche Produkt musste erst entwickelt werden.“

Innovativ und international

Seit 2008 agiert Ovesco als AG auf dem Markt, seitdem ist das Unternehmen stetig gewachsen. Neue Produkte und Technologien, neue Märkte, eigene Produktion lautete die Devise. Seit rund zehn Jahren gibt es eine Tochtergesellschaft in den USA. „Der US-Markt ist für die Medizintechnik bedeutsam“, so Prof. Dr. Schurr. „Wir waren damals noch relativ klein und der Schritt auf den amerikanischen Markt war mutig, aber richtig. Wir haben die Internationalisierung auch danach stetig forciert und den Vertrieb vor allem in Europa, aber auch in Asien und Südamerika mit Handelspartnern aufgebaut und Tochterunternehmen in Indien und Frankreich etabliert.“

Wertschöpfung von A bis Z

Vor vier Jahren ist Ovesco in ein eigenes Gebäude im Tübinger Technologiepark eingezogen, wo rund 100 der insgesamt um die 150 Mitarbeiter tätig sind. Hier profitiert das Unternehmen von idealen Standortbedingungen. „Als Arzt habe ich die minimalinvasive Medizin kennengelernt, als sie noch ganz am Anfang stand“, so Prof. Dr. Schurr. „Es war klar, dass für das neue Verfahren auch eine neue Technik entwickelt werden musste. Diese Idee hat mich sehr begeistert und reifte zum Entschluss, an der Schnittstelle zwischen Technik und Medizin arbeiten zu wollen. Ich war und bin davon überzeugt, dass die Unternehmerlaufbahn die beste ist, um Verfahrensinnovationen voranzutreiben. Sie ermöglicht das dauerhafte Arbeiten an Dingen, ohne von Drittmitteln abhängig zu sein. Wir wollten eine echte Wertschöpfungskette von der Idee bis zum Markt haben.“

Aus Lösungen werden Produkte

Heute arbeitet Ovesco daran, klinische Probleme zu lösen und die Lösungen zu wettbewerbsfähigen Produkten zu machen. Im Fokus steht immer die konsequente kliniknahe Innovation. In der Gastroenterologie hat sich das Unternehmen mit diesem Ansatz als Marke etabliert.

„Bei unserer Methode geht es um die interventionelle Endoskopie, die Intervention mit dem flexiblen Endoskop, um nicht operieren zu müssen“, resümiert Prof. Dr. Schurr. „Wir sind damit in einem überaus sinnstiftenden, spannenden Arbeitsumfeld tätig.“

Kernprodukte des Portfolios sind endoskopische Clips aus Nickeltitan. Randomisierte Studien weltweit belegen, dass der Clip das beste, effizienteste Verfahren zur Blutstillung ist. „Bei etwa 0,8 von 1.000 Einwohnern kommen Magenblutungen vor“, so Prof. Dr. Schurr. „Das ist nicht so selten. Wir arbeiten damit an einer klinisch sehr relevanten Frage und haben Wachstumsraten von 15 bis 20%, selbst bei älteren Produkten. Mit der Zeit haben wir Varianten der Grundform entwickelt, sogenannte Plattform-Derivate für andere Anwendungen wie die endoskopische Entfernung fortgeschrittener gutartiger und bösartiger Tumore im Verdauungstrakt. Für alle hier ist es motivierend, Produkte zu entwickeln, die realen Einfluss haben und für Patienten einen großen Unterschied machen.“

Die hohe Identifikation der Mitarbeiter sorgt dafür, dass sie Ovesco lange verbunden bleiben – nicht selten werden in Tübingen 10- oder 15-jährige Dienstjubiläen gefeiert. „Wir haben hier ein dauerhaft kreatives und produktives Team“, betont Prof. Dr. Schurr. „Das ist eine wichtige Voraussetzung, um kliniknahe technologische Innovationen, Produkt- und Verfahrensinnovationen, zu realisieren. Inzwischen sind wir auch sehr gut darin, in den Interventionsverfahren, die man mit unseren Produkten durchführt, auszubilden. Wir haben ein von der Ärztekammer anerkanntes Kursprogramm und bieten an den vier Standorten Tübingen, Cary, NC in den USA, Paris in Frankreich und Chennai in Indien konkrete Trainings an. Auch das ist eine Stärke.“

Ovesco hat sich so als forschendes Medizintechnikunternehmen – 10% des Umsatzes gehen in die Forschung und Entwicklung – und authentisch interessierter Forschungspartner einen Namen gemacht. Auch künftig soll die Innovationsfähigkeit ausgebaut und vor dem Hintergrund einer zunehmenden Bürokratisierung in der EU die Internationalisierung forciert werden.

„Die Medizin entwickelt sich kontinuierlich weiter“, so Prof. Dr. Schurr. „Dazu gehört das ständige Erforschen, was der Markt braucht. Hier gibt es ganz neue Themen wie das metabolische Syndrom, mit denen wir uns auseinandersetzen wollen. Wichtig ist, dass wir trotz unserer Größe unseren Start-up-Geist erhalten und Menschen für unser Gebiet begeistern.“

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Gesundheit, Medizin & Pharma

Entlastung für blinde und sehbehinderte Menschen durch KI

Interview mit Klaus Knüpfer, Geschäftsführer der EV Optron GmbH

Entlastung für blinde und sehbehinderte Menschen durch KI

EV Optron ist als Hersteller von Produkten für blinde Anwender sowie von Lese- und Vorlesegeräten für Menschen mit Sehbehinderungen bekannt: eine Technologie, die nicht zuletzt aufgrund der rasend schnellen Entwicklungsmöglichkeiten…

MedTech mit Verantwortung – Lösungen, die verbinden

Interview mit Laura Garcia Baglietto, Executive Vice President Medical Devices & Environment International der GBA Group und Dr. Timo Lebold, Geschäftsführer der GBA MDS GmbH

MedTech mit Verantwortung – Lösungen, die verbinden

Die GBA Group zählt zu den führenden Labor- und Beratungsdienstleistern im europäischen Life Sciences-Sektor. In Gilching bei München bietet die GBA Medical Device Services GmbH regulatorische Beratung und umfassende Analytik…

Lentz & Müller: Digital und persönlich

Interview mit Moritz Thole und Thomas Lentz, Geschäftsführer der Lentz & Müller Dentaltechnik

Lentz & Müller: Digital und persönlich

Von der kleinen Zahnschmiede zum digitalisierten Vor­zeigelabor – Lentz & Müller hat seit der Gründung im Jahr 1984 eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Das Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitern setzte früh…

Spannendes aus der Region Landkreis Tübingen

Lichtblick: Hightech trifft Nachhaltigkeit

Interview mit Christian Veser, Geschäftsführer der VEMA technische Kunststoffteile GmbH

Lichtblick: Hightech trifft Nachhaltigkeit

In Krauchenwies, unweit des Bodensees, hat die VEMA technische Kunststoffteile GmbH ihren Sitz. Das 65 Mitarbeiter starke Familienunternehmen hat sich unter der Leitung von Geschäftsführer Christian Veser, der sich die…

Alles für die Praxis

Interview mit Sharath Bhat, CEO und Matthias Neumeyer, Marketingleiter und Dr. Birger Kohlert, CFO von Wörner Medical

Alles für die Praxis

Das Leben der Kunden einfacher zu machen ist das Ziel von Wörner Medical in Reutlingen. Die global agierende Wörner Medical Gruppe bietet das Rundumpaket aus Verbrauchsprodukten für Praxen und Labore…

IT-Infrastruktur und Softwarelösungen für Lebensmittel- und Großhandel

Interview mit Sonja Anton, Geschäftsführerin und Nico Anton, Assistent der Geschäftsführung der am-Computersysteme GmbH

IT-Infrastruktur und Softwarelösungen für Lebensmittel- und Großhandel

Als ab 1985 die ersten PC-Systeme eine immer weitere Verbreitung erfuhren, begann die am-Computersysteme GmbH mit der Bereitstellung von IT-Infrastruktur- und -Softwarelösungen für ihre mittelständischen Kunden und ist dieser unternehmerischen…

Das könnte Sie auch interessieren

Mehr als ‘nur’ ähnlich

Interview mit Mag. Helmut Kaisergruber, Geschäftsführer und Mitinhaber und Dr. Sabine Möritz-Kaisergruber, Geschäftsführerin und Mitinhaberin der Astro Pharma GmbH

Mehr als ‘nur’ ähnlich

Biosimilars, hochqualitative Nachfolgeprodukte von Biologica, gewinnen auf dem internationalen Gesundheitsmarkt zunehmend an Bedeutung. Als kostengünstigere Alternative bieten sie optimale Therapiemöglichkeiten und tragen entscheidend zur Versorgungssicherheit bei. Die Astro Pharma Vertrieb…

Formvollendet: Wie Kunststoff echte Lösungen schafft

Interview mit Philipp Hartung, Geschäftsführer der KVH Hartung GmbH

Formvollendet: Wie Kunststoff echte Lösungen schafft

Die KVH Hartung GmbH ist seit über 50 Jahren eine feste Größe in der Thermoformbranche. Ob Gehäuseteile für medizinische Geräte, technische Kunststofflösungen oder anspruchsvolle Verkleidungssysteme – das Unternehmen kombiniert traditionelle…

Neuer Medizinstandard für die Frauengesundheit

Interview mit Wouter Peperstraete, Geschäftsführer der Hologic Deutschland GmbH

Neuer Medizinstandard für die Frauengesundheit

Frauenmedizin weiterdenken – mit modernster Technologie und klarem Fokus auf Prävention und Früherkennung. Die Hologic Deutschland GmbH gehört zu den führenden Unternehmen im Bereich der Medizintechnik mit besonderer Spezialisierung auf…

TOP