Von einfach nur teuer bis vollkommen wirtschaftsfeindlich
Wahlversprechen im Kosten-Check
„Aus ökonomischer Perspektive sind die Wahlprogramme mal ein mehr, mal ein weniger großes Desaster: Die einen verschenken Arbeitsplätze, die anderen gefährden Arbeitsplätze“, sagt der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, Prof. Michael Hüther, zur ökonomischen Analyse der Wahlversprechen der fünf großen Parteien im Bundestag.
Für die Analyse nahmen sich die IW-Experten die berechenbaren Bereiche der Steuer-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik von CDU/CSU, FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken vor. Ergebnis: Trotz rekordverdächtig sprudelnder Steuereinnahmen wollen alle Parteien Unternehmen und Bürger finanziell stärker be- und nicht entlasten.
Union verspricht teure Wahlgeschenke
Beispiel CDU/CSU: Die Union plant zwar, das Problem der kalten Progression* zu lösen, verspricht aber den Rentnern im Vorfeld der Bundestagswahl im September teure Wahlgeschenke. Mit den angedachten Mütter- und Lebensleistungsrenten kämen Mehrbelastungen in Höhe von rund 12 Milliarden Euro pro Jahr auf die Bevölkerung zu. Nach IW-Angaben würde das innerhalb von fünf Jahren 0,1% Wirtschaftswachstum kosten und die Schaffung von bis zu 100.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen verhindern.
Schlimmer träfe es allerdings Wirtschaft und Verbraucher, wenn eine der Oppositionsparteien die alleinige Regierungsverantwortung bekäme. In weiten Teilen gleichen sich die Pläne von SPD und Bündnis 90/Die Grünen und sehen u. a. eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes sowie die Einführung einer Vermögensteuer oder Solidar- und Garantierente vor.
Investitionshemmende Effekte durch Vermögensteuer
Summa summarum belaufen sich die jährlichen Mehrkosten für die Steuerzahler auf rund 60 Milliarden Euro – fünfmal so viel wie bei der Union. Bis zu 300.000 Jobs würden nicht entstehen und die Wirtschaft in den nächsten fünf Jahren 0,7% weniger wachsen, so das IW. Hinzu kommen weitere investitionshemmende Effekte, die Experten nach Einführung der Vermögensteuer erwarten.
Das Horrorszenario schlechthin wäre eine Regierungsübernahme der Linken. Die Steuer- und Rentenpläne der Partei, die die Rücknahme sämtlicher Reformen vorsehen, kosten 161 Milliarden Euro, 1,9% Wirtschaftswachstum und 800.000 neue Arbeitslätze bis 2018. Bei der FDP hingegen sind die Aussagen im Wahlprogramm so vage und zurückhaltend, dass seriöse Berechnungen kaum möglich sind.
Fazit
Die Wahlversprechen aller fünf im Bundestag vertretenen Parteien kosten viele Milliarden Euro, Wirtschaftswachstum und neue Jobs. Für einen nur nach ökonomischer Logik handelnden Bürger sind die fünf also praktisch unwählbar. Die Regierungsparteien formulieren ihre Pläne teilweise so schwammig, dass ein Urteil schwer fällt. Die Opposition dagegen profiliert sich dagegen in ihren Programmen so scharf, dass ein Urteil vernichtend ausfällt. So bleibt am 22. September nur die Wahl zwischen Pest und Cholera – mal mehr, mal weniger.
Die steuer- und sozialpolitischen Pläne der fünf Bundestagsparteien zusammengefasst:
CDU/CSU
- Anpassung des Einkommensteuertarifs zur Vermeidung der kalten Progression
- Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen
- Aufstockung der Mütterrente
- Einführung einer Lebensleistungsrente
- Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs
SPD
- Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49%
- Anhebung der Abgeltungssteuer für Kapitalerträge
- Einführung einer Vermögensteuer
- Einführung einer Finanztransaktionssteuer
- Einführung der Solidarrente als steuerfinanzierte Aufwertung niedriger Rentenanwartschaften
- Konservieren des aktuellen Rentenniveaus oder Angleichung des Rentenniveaus im Osten an den Westen
- Koppelung der „Rente mit 67“ an die Beschäftigungsquote Älterer
- Neue Möglichkeiten zum vorzeitigen abschlagfreien Rentenbezug
- Systemwechsel hin zur so genannten Bürgerversicherung in der Gesundheits- und Pflegeversorgung
- Erweiterter Pflegebegriff und verbesserte Pflegebedingungen
Bündnis 90/Die Grünen
- Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49%
- Anhebung der Abgeltungssteuer für Kapitalerträge
- Erhöhung des Kindergeldes
- Einführung einer Vermögensteuer
- Einführung einer Finanztransaktionssteuer
- Einführung einer Garantierente ähnlich dem SPD-Modell, aber zugänglicher
- Konservieren des aktuellen Rentenniveaus oder Angleichung des Rentenniveaus im Osten an den Westen
- Systemwechsel hin zur so genannten Bürgerversicherung in der Gesundheits- und Pflegeversorgung
- Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs
Die Linke
- Anhebung des Steuertarifs auf 53%
- Anhebung des Spitzensteuersatzes auf bis zu 75% und Individualbesteuerung
- Einführung einer Vermögensteuer von 5% für Vermögen ab einer Million Euro
- Rückkehr zur Lebensstandardsicherung in der Rentenversicherung
- Rente mit 65
- Abkehr von Frühverrentungsabschlägen
- Systemwechsel hin zur so genannten Bürgerversicherung ohne Begrenzung der Beitragsbemessung
- Überführung der Pflege in die öffentliche Daseinsvorsorge – vollständig steuerfinanziert
- Anhebung der Grundsicherungsleistung auf 500 Euro/Monat
- Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens von 1.050 Euro/Monat netto
FDP
- Anpassung des Einkommensteuertarifs zur Vermeidung der kalten Progression
- Abschaffung der Steuerklasse V
- Erhöhung der Kinderfreibeträge
- Freie Wahl des Rentenzugangsalters ab 60 mit Abschlägen
- Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs
*) Unter der so genannten „kalten Progression“ versteht man die überproportionale, durch die Inflation verursachte Vergrößerung der Einkommensteuer.