Nicht von der Stange
Interview mit Markus Bartsch, Geschäftsführer der Tuchfabrik Willy Schmitz GmbH & CO. KG

Wirtschaftsforum: Herr Bartsch, die Tuchfabrik Willy Schmitz war jahrzehntelang ein Familienunternehmen. 2019 folgte mit dem Verkauf an die Tesca Group ein entscheidender Schritt – wie ist dieser in der Firmengeschichte einzuordnen?
Markus Bartsch: Wir sind immer zweigleisig gefahren, indem wir einerseits traditionell Stoffe für die Bekleidungsindustrie hergestellt, uns andererseits aber mit Interieurtextilien für den Automobilsektor ein 2. Standbein aufgebaut haben. Über die Jahre sind wir im Automotive-Bereich zu einer bekannten Marke geworden.
Parallel dazu haben wir bis 2013 für namhafte Modefirmen sehr hochwertige Stoffe produziert. Dann brach dieser Markt jedoch ein und wir mussten umstrukturieren, indem wir den Fokus komplett auf technische Textilien für den Automotive-Sektor legten. Letztlich hat dies das Überleben der Firma gesichert. Inzwischen arbeiten wir für alle namhaften deutschen Automobilhersteller. Unsere breite Aufstellung in diesem Bereich war ein Hauptgrund für die Übernahme durch die Tesca Group. Für uns ergaben sich daraus viele Vorteile, denn es wurde für uns einfacher, uns auch global aufzustellen: Die Gruppe hat nicht nur weltweit 28 Standorte und knapp 5.000 Mitarbeiter, sondern es werden außer Textilien auch Sitzkomponenten wie Kopfstützen und Armlehnen sowie komplette Sitze gefertigt. Wir sind also viel breiter aufgestellt.
Wirtschaftsforum: Ihr eigener Werdegang ist eng mit der Tuchfabrik Willy Schmitz verbunden; Sie sind sozusagen ein ‘Urgestein’ im Unternehmen.
Markus Bartsch: Ja, das kann man wohl so sagen. Tatsächlich arbeite ich fast mein gesamtes Berufsleben in der Textilindustrie. Angefangen habe ich als Textilveredler, habe mich dann stetig weitergebildet und noch ein Betriebswirtschaftsstudium draufgesattelt. Die Inhaberfamilie Schmitz hat mich während der ganzen Zeit sehr unterstützt. Nachdem das Unternehmen an Tesca verkauft worden war, blieb Herr Schmitz noch 1,5 Jahre bis zu seinem Ausscheiden als Geschäftsführer für die Tesca Group tätig. Nach einer Interimsgeschäftsführung wurde ich im März 2023 zum Geschäftsführer berufen. Ich habe das große Glück, seit 27 Jahren für die Tuchfabrik Willy Schmitz tätig zu sein.
Wirtschaftsforum: Gibt es besondere, innovative Neuentwicklungen, von den Sie uns erzählen könnten?
Markus Bartsch: Lassen Sie es mich so sagen: Ein wichtiger Trend ist derzeit die Suche nach Alternativen zu herkömmlichen Textilien. Nachhaltigkeit und das Streben nach Individualität sind dabei die Eckpfeiler. Auch das autonome Fahren treibt den Markt derzeit stark an, denn es wird bedeuten, dass die Ausgestaltung des Fahrzeuginnenraums sich deutlich verändern wird – vom Funktionalen hin zum Persönlicheren. Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, ist recyceltes Polyester ein großes Thema für uns. Wir versuchen über Chiptracking nachzuvollziehen, woher die von uns verarbeiteten Materialien stammen – wir vermeiden Greenwashing unter allen Umständen. Dafür haben wir einen eigenen Nachhaltigkeitsbeauftragten – und tun auch im Unternehmen selbst in dieser Hinsicht alles, was geht, unter anderem mit eigener PV-Anlage, der ausschließlichen Nutzung von grünem Gas und der Einspeisung unseres Prozesswassers ins öffentliche Kanalnetz.
Wirtschaftsforum: Welche Ziele haben Sie für 2024?
Markus Bartsch: Das erste Ziel ist immer, den Standort Deutschland zu sichern, denn an uns hängt die Verantwortung für 102 Familien. Ferner wollen wir unseren Marktanteil bei einigen Herstellern noch ausbauen und unseren CO2-Fußabdruck weiter verringern. Das Ziel in der Gruppe ist es, bis 2045 klimaneutral zu sein.