Retourenquote senken in der Fashion-Logistik: Was Unternehmen tun können

Die Dimension des Problems wird schnell deutlich: Ein durchschnittlicher Retouren-Prozess kostet Unternehmen zwischen 10 und 20 Euro – pro Artikel. Bei größeren Online-Händlern summieren sich diese Kosten schnell auf Millionenbeträge. Hinzu kommen organisatorische Herausforderungen: Ware muss begutachtet, neu verpackt und wieder ins Lager integriert werden. Nicht selten landen Artikel, die eigentlich noch verkaufsfähig wären, am Ende im Outlet oder werden sogar vernichtet. Wer weitere Informationen zur Optimierung seiner Fashion-Logistik sucht, sollte deshalb das Thema Retouren ganz oben auf die Agenda setzen.
Produktdarstellung macht den Unterschied
Der erste und oft unterschätzte Hebel liegt in der Produktpräsentation selbst. Viele Retouren entstehen schlicht aus Enttäuschung: Das gelieferte Produkt entspricht nicht den Erwartungen. Die Farbe wirkt anders als auf dem Bildschirm, der Stoff fühlt sich billiger an als gedacht, oder der Schnitt passt einfach nicht zur eigenen Figur. Hier können Unternehmen ansetzen, ohne gleich ihr gesamtes Sortiment umkrempeln zu müssen.
Hochwertige Produktfotos aus verschiedenen Perspektiven sind dabei nur der Anfang. Besonders hilfreich sind Aufnahmen, die das Kleidungsstück an echten Menschen mit unterschiedlichen Körpertypen zeigen. Ein Blazer sitzt an einer 1,65 Meter großen Person nun mal anders als an jemandem mit 1,80 Meter Körpergröße. Einige Händler gehen noch einen Schritt weiter und ergänzen ihre Produktseiten um kurze Videos, in denen die Ware in Bewegung zu sehen ist. So lässt sich der Fall eines Rocks oder die Elastizität einer Jeans deutlich besser einschätzen.
Mindestens genauso wichtig sind präzise Materialbeschreibungen. Statt pauschal von "Baumwollmischung" zu sprechen, sollten die genauen Anteile genannt werden. Auch haptische Eigenschaften wie "leicht strukturiert", "kühl auf der Haut" oder "mit dezenter Stretch-Komponente" helfen Interessenten, sich ein realistisches Bild zu machen.
Größen und Passformen transparent kommunizieren
Die Größenfrage bleibt eine der Hauptursachen für Retouren. Jede Marke scheint ihre eigene Vorstellung von Konfektionsgrößen zu haben, und selbst innerhalb eines Labels können die Schnitte erheblich variieren. Aktuelle Statistiken zum Retourenverhalten im Online-Handel zeigen: Falsche Größenangaben führen die Liste der Rücksendegründe an.
Größentabellen allein reichen längst nicht mehr aus. Hilfreicher sind detaillierte Maßangaben für jedes einzelne Produkt: Schulterbreite, Ärmellänge, Brustumfang, Taillienweite, Hüftumfang, Beinlänge – je mehr Informationen bereitstehen, desto besser. Einige Unternehmen arbeiten bereits mit KI-gestützten Größenberatern, die auf Basis früherer Bestellungen und individueller Körpermaße Empfehlungen aussprechen. Solche Tools müssen nicht perfekt sein, um nützlich zu werden. Schon eine Trefferquote von 70 bis 80 Prozent kann die Retourenquote spürbar senken.
Ein weiterer oft übersehener Punkt: Kundenbewertungen intelligent einsetzen. Wenn 20 Käuferinnen schreiben, dass ein bestimmtes Kleid klein ausfällt, sollte diese Information prominent auf der Produktseite erscheinen. Noch besser: Das System lernt daraus und passt die Größenempfehlung automatisch an.
Verpackung und Versand überdenken
Auch die Art und Weise, wie Ware verpackt und versendet wird, beeinflusst die Retourenquote. Kleidungsstücke, die zerknautscht und zerknittert aus dem Paket fallen, machen keinen guten ersten Eindruck. Gerade im Premium-Segment erwarten Kunden eine gewisse Sorgfalt bei der Präsentation.
Dabei geht es nicht um teure Geschenkverpackungen, sondern um praktische Details: Hochwertige, knitterfreie Transporttaschen, ein kleines Dankeschön in Form einer persönlichen Notiz oder die Beigabe eines Pflege-Hinweises können die Wertschätzung für das Produkt steigern. Wer seine Ware liebevoll verpackt bekommt, überlegt es sich zweimal, ob die Rücksendung wirklich nötig ist.
Retouren-Analyse als Kompass nutzen
Die wenigsten Unternehmen werten ihre Retouren systematisch aus – dabei stecken in diesen Daten wertvolle Hinweise. Welche Artikel werden besonders häufig zurückgeschickt? Gibt es bestimmte Muster bei den Rücksendegründen? Treten Probleme eher bei neuen Kollektionen oder bei bestimmten Lieferanten auf?
Aus solchen Analysen lassen sich konkrete Maßnahmen ableiten. Vielleicht zeigt sich, dass ein bestimmter Jeans-Schnitt systematisch in der falschen Größe bestellt wird – dann sollte die Produktbeschreibung angepasst werden. Oder es stellt sich heraus, dass eine neue Lieferantenkollektion qualitativ nicht überzeugt – dann lässt sich gegensteuern, bevor weitere Ware ins Sortiment aufgenommen wird.
Auch die Branche selbst entwickelt sich weiter. Die Textilindustrie steht vor der Herausforderung, nachhaltiger zu werden – und dazu gehört auch ein bewussterer Umgang mit Retouren.
Anreize schaffen, ohne Druck aufzubauen
Einige Händler experimentieren mit Bonus-Systemen für retourenarme Käufer. Wer wenig zurückschickt, erhält Rabatte oder sammelt Treuepunkte. Solche Programme können funktionieren, sollten aber mit Fingerspitzengefühl eingesetzt werden. Niemand sollte sich gezwungen fühlen, unpassende Ware zu behalten.
Transparenter und meist besser akzeptiert sind Modelle, bei denen bewusst mehrere Größen bestellt werden können, aber nur die erste Retoure kostenlos ist. Das reduziert die "Ich bestelle alles und schaue dann"-Mentalität, ohne legitime Rücksendungen zu bestrafen.
Das Retourengespräch führen
Oft unterschätzt wird die Kommunikation während des Retourenprozesses. Ein kurzer Fragebogen zu den Rücksendegründen mag lästig erscheinen, liefert aber wertvolle Erkenntnisse. Noch besser: Ein direkter Draht zum Kundenservice, wenn Unklarheiten bestehen. Manchmal lässt sich eine Retoure vermeiden, wenn jemand schnell weiterhilft.
Ein Beispiel: Eine Kundin ist unsicher, ob das Kleid zu einem bestimmten Anlass passt. Ein kurzer Chat mit dem Service-Team, vielleicht sogar mit Stylingtipps, kann die Entscheidung positiv beeinflussen. Solche Interventionen kosten kaum etwas, können aber die Zufriedenheit und Bindung deutlich erhöhen.
Langfristiges Denken zahlt sich aus
Die Senkung der Retourenquote ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wer hier Erfolge sehen will, muss verschiedene Stellschrauben gleichzeitig drehen und kontinuierlich nachjustieren. Die gute Nachricht: Schon kleine Verbesserungen summieren sich. Eine Reduktion der Retourenquote um nur fünf Prozentpunkte kann bei mittleren und größeren Händlern sechsstellige Einsparungen bedeuten.
Entscheidend ist die Haltung: Retouren sollten nicht als unvermeidbares Übel betrachtet werden, sondern als Chance zur Optimierung. Jede Rücksendung ist Feedback – und wer dieses Feedback ernst nimmt, kann sein Geschäft systematisch verbessern. Dabei profitieren nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch die Umwelt und letztlich die Kunden, die schneller finden, was wirklich zu ihnen passt.





