Rein ins wirkliche Arbeitsleben

In diese Branchen zieht es Deutschlands Nachwuchs-Fachkräfte nach Abschluss und ersten Berufserfahrungen

1. Eine Minderheit von Selbstständigen

Viele Studierende lernen bereits während des Studiums die Arbeitswelt aus Angestelltensicht kennen – notgedrungen, um finanziell über die Runden zu kommen. Die Mehrheit von ihnen hat daran nichts auszusetzen. Je nach Umfrage ein Sechstel bis ein Viertel aller Absolventen streben hingegen eine Selbstständigkeit an – direkt nach Erhalt des Abschlusses. Die Ernst & Young Studierendenstudie 2022 identifizierte vor allem in den folgenden Studiengängen einen hohen prozentualen Anteil von Gründerwünschen:

 

Ingenieurswissenschaften und Informatik: 20%
Geisteswissenschaften: 21%
Medizin: 26%
Jura: 27%

Dabei überwiegen männliche Studenten deutlich. Und: Bezogen auf diese spezielle Studie, die bereits mehrfach erschien, hat sich der Drang zur Selbstständigkeit deutlich verstärkt. Wo er 2022 bei 18 Prozent lag, betrug der Wert 2016 noch 10 Prozent und 2018 sogar nur 7 Prozent.

Interessant ist in dieser Umfrage allerdings die längerfristige Betrachtung. Die genannten Werte beziehen sich auf eine Selbstständigkeit unmittelbar nach dem Studium. Befragt nach ihren Vorstellungen für den Zeitraum von zehn Jahren nach dem Abschluss gaben sogar ganze 38 Prozent aller Studierenden an, selbstständig sein zu wollen. Die Reihenfolge der Studiengänge änderte sich dabei merklich. Die Zahlen jedoch sehr stark:

 

Naturwissenschaften: 33%
Wirtschaftswissenschaften: 38%
Ingenieurswissenschaften und Informatik: 42%
Jura: 42%
Kulturwissenschaften: 45%
Medizin: 56%

Unternehmer sollten durch diese Werte hellhörig werden. Denn sie bedeuten nicht weniger, als dass geschlechter- und studiengangübergreifend knapp zwei Fünftel aller Studierenden nach ihren ersten Berufserfahrungen der Angestelltenwelt den Rücken kehren möchten.

Was derzeit mit etwa einer halben Million Absolventen jährlich nach einem guten Wert zur Deckung des künftigen Fachkräftebedarfs aussehen mag, beträgt bei realistischer Betrachtung deutlich weniger. Nämlich nur noch ungefähr 300.000 Absolventen, die sich auch langfristig ein Angestelltendasein vorstellen können.

2. Die IT- und Software-Branche

Die Zukunft ist digital. Vielleicht gibt es keine andere Gruppe, die diese Tatsache so tief verinnerlicht hat wie die der Studierenden. Denn – das ergeht ebenfalls aus der genannten Studie – fast 60 Prozent von ihnen schätzen die Doppelbranche IT und Software als sehr attraktiv ein.

Allerdings ist die reine Zukunftstauglichkeit nur ein Aspekt dieser Attraktivität. Zu den anderen gehören oftmals sehr attraktive Gehälter, flexible Arbeitszeitmodelle sowie eine große Vielzahl von möglichen Berufen – die Zeiten, in denen IT vornehmlich reine Computerarbeit bedeutete, sind längst vorbei. Prinzipiell ist diese Branche sogar dabei, in andere Bereiche einzufließen.

So ist die Consulting-Branche einer der aktuell größten „Schwämme“, der sowohl frisch von der Hochschule kommende als auch bereits berufserfahrene IT-Profis regelrecht magisch anzieht. Der Grund dafür: Im Consulting sind entsprechende Leistungen rund um digitale Transformation, IT-Sicherheit sowie Mergers & Acquisitions enorm gefragt. Dafür braucht es Experten, die IT sozusagen von der Pike auf gelernt haben.

Umgekehrt bedeutet ein Beruf in dieser Branche, durch seine Beratungstätigkeit in zahlreichen anderen Branchen und Unternehmen tätig sein zu können. Das ist für viele junge Professionals sehr interessant – deutlich mehr, als tagtäglich dasselbe Büro, dieselben Kollegen zu sehen.

3. Die Automobilbranche

Diese Nennung mag manchen überraschen. Wird doch seit einigen Jahren von verschiedensten Seiten kolportiert, das Auto sei für die junge Generation ebenso auf dem absteigenden Ast wie sogar der bloße Besitz eines Führerscheins.

Bei genauerer Betrachtung hat sich jedoch – zumindest bei den Zulassungszahlen – wenig geändert. 2023 besaßen 1,12 Millionen U25er einen PKW. Ihr Anteil an den Haltern ist damit ähnlich groß wie vor zehn Jahren.

Was sich allerdings in diesem Zeitraum massiv gewandelt hat, ist der gesamte Charakter der Automobilbranche. Nicht zuletzt durch das Erstarken des Elektroantriebs und die Digitalisierung von Fahrzeugen wird sie mittlerweile von vielen jungen Menschen als wichtige, geradezu revitalisierte Zukunftsbranche wahrgenommen. Besonders gut zeigt das die aktuelle Universum Young-Professional-Studie 2023. Bei gleich mehreren hochschulischen Fachrichtungen sind Automobilkonzerne unter den Top-5.

Bei den Wirtschaftsexperten und Ingenieurswissenschaftlern belegen Auto- und Zuliefererkonzerne jeweils sogar vier von fünf Plätzen – rechnet man Siemens noch als wichtigen Partner für Produktentwicklung und -Fertigung in der Automobilbranche hinzu, sind es sogar alle fünf.

Weiter muss hier nochmals die derzeitige Lage betrachtet werden: Die Elektrifizierung des Personenkraftverkehrs sorgt gerade für sehr viele Gründungen in einer zuvor starren, seit Jahrzehnten von bekannten Namen dominierten Branche. Das sorgt für zusätzliche Attraktivität.

4. Der öffentliche Dienst

Diese Nennung mag ebenfalls manchen Leser überraschen. Gilt doch der öffentliche Dienst (ÖD) bei vielen nicht gerade als junge, moderne, vorwärtsgewandte Branche. Für viele junge Profis scheint sie jedoch genau das zu sein – und zwar bei einer großen Vielfalt von hochschulischen und beruflichen Backgrounds.

Über die Beweggründe lässt sich vortrefflich spekulieren, Für die bereits im ÖD Beschäftigten gibt eine kürzlich veröffentlichte Studie tiefere Einblicke. Just bei jungen Menschen, die bereits Berufserfahrungen haben, aber erst vor der Entscheidung stehen, in den öffentlichen Dienst zu gehen, dürfte es jedoch ein Mix aus den folgenden Punkten sein:

• Die berufliche Sicherheit im ÖD ist deutlich größer als in der freien Wirtschaft. Das liegt nicht zuletzt an der deutlichen Entkoppelung von den Gezeitenströmungen der Wirtschaft.
• Der ÖD bedeutet stets einen irgendwie gearteten „Dienst am Volk“. Von vielen wird er deshalb als eine sehr sinnstiftende, systemrelevante, tatsächlich wichtige Ergebnisse liefernde Branche wahrgenommen.
• Es gibt im ÖD sehr klar definierte Karrieremöglichkeiten, die ungeachtet von eher vagen Zusammenhängen wie persönlicher Zu- und Abneigung gelten.
• Der öffentliche Dienst hat in den vergangenen Jahren einen deutlichen Wandel begonnen. Hin zu mehr Digitalisierung, flexibleren Arbeitsmodellen und ähnlichen Elementen – just das, was viele junge Menschen sich für ihre mittel- bis langfristige Berufsperspektive wünschen.
• Das Einkommen mag zwar nicht maximal hoch sein – aber es ist weit davon entfernt, kümmerlich zu sein. Überdies dürfte es nur wenige andere Branchen mit einer ähnlichen Sicherheit und Regelmäßigkeit von Gehaltszahlungen und -erhöhungen geben.

Weiter darf hierbei ein wichtiger Punkt nicht in Vergessenheit geraten: Der öffentliche Dienst ist weit mehr als die Büroarbeit in irgendwelchen Amtsstuben von Verwaltung, Rentenversicherung und gesetzlichen Krankenkassen.

Er umfasst ebenso (beispielsweise) Bildungseinrichtungen, Häfen und Flughäfen, Berufsgenossenschaften, Zentralbanken und Krankenhäuser. Die berufliche Spanne ist deshalb sehr breit, was wiederum eine breite Masse junger Menschen anzieht.

5. Gesundheitswesen und Pharmabranche

Kranke wird es immer geben – und ebenso werden Heilmittel und Behandlungsmethoden stetig weiterentwickelt. Mit diesem Satz lässt sich wohl am besten umschreiben, was viele ehemalige Absolventen in die Doppelbranche Gesundheit und Pharmazeutik zieht.

Auf der einen Seite handelt es sich um ein Feld, in dem nicht erst seit der Pandemie sehr viel Geld gemacht wird. Auf der anderen Seite kommt diese Arbeit ohne viele Umwege immer Menschen zugute. Insofern finden hier sinnstiftende Tätigkeiten und angenehme Seiten des Berufs zusammen.

Wer etwa als Naturwissenschaftler bei einem Pharmaunternehmen arbeitet, muss sich selten darüber Gedanken machen, dass sein Projekt nicht genügend Forschungsgelder bekommen könnte – Pharma ist, sowohl bezogen auf die Aufwendungen als auch das Verhältnis von Umsätzen zu Forschungsausgaben, die forschungsstärkste Branche in Deutschland.

Naturgemäß gibt es in der Doppelbranche Ausnahmen. Besonders prominent ist der Pflegebereich. Er ist generell bei sämtlichen Nachwuchskräften sehr unattraktiv. Grund dafür sind unter anderem die hohen körperlichen und seelischen Belastungen. Tatsächlich darf die Pflege jedoch als jene Ausnahme gelten, welche die Regel bestätigt. Jenseits davon sind Gesundheitswesen und Pharma äußerst beliebt bei Menschen, die sich über ihre beruflichen Ziele durch erste Erfahrungen vollends im Klaren sind.

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