Wirtschaftsforum: Herr Brünger, Sie spielen inzwischen in einer Liga mit den größten Namen der Medizinbranche. Wie war der Weg dorthin?
Robin Brünger: Gegründet wurde aktivmed in heutiger Form 2006 von Reinhold Schmidt und zwei Partnern. Zwischenzeitlich wurde eine Firma in Augsburg akquiriert, deren Wurzeln bis 1925 zurückreichen und die sich als Einkaufsgemeinschaft für Krankenkassen positionierte, aber das nur am Rande, denn bei aktivmed stehen neben den Bereichen Inkontinenz und Pflegehilfsmittel, Diabetes-Produkte im Vordergrund.
Wirtschaftsforum: Der Bedarf an Diabetes-Produkten scheint in den letzten Jahren stark gestiegen zu sein.
Robin Brünger: Das stimmt. Während Typ-1-Patienten oft seit Geburt an einer Nichtfunktion der Bauchspeicheldrüse leiden, tritt Diabetes Typ 2 meist durch eine Fehlernährung und Bewegungsmangel auf. Und die Zahl der Betroffenen steigt rasant. Es ist schon paradox: Obwohl wir heute viel mehr über unsere Ernährung wissen, ernähren wir uns trotzdem immer schlechter. Das Ergebnis sind Zivilisationskrankheiten wie Diabetes. Hier bieten wir Blutzucker-Teststreifen sowie Messgeräte und entsprechendes Zubehör. Unsere Produkte werden von uns entwickelt und von zertifizierten Partnern im Ausland, etwa in Taiwan, produziert.
Wirtschaftsforum: Sie setzen verstärkt auf digitale Produkte?
Robin Brünger: Zu den herkömmlichen Produkten bieten wir mittlerweile digitale Lösungen zur Verwaltung und Dokumentation von Gesundheits- und Ernährungsdaten, die Patienten den Alltag mit Diabetes erleichtern. Bereits am Markt ist DiaBook, eine kostenlose App, die Ernährung, Blutzucker und Bewegung dokumentiert. Zusätzlich entwickeln wir aktuell eine Applikation, die demnächst vom Arzt verschrieben werden kann. Hier sind wir aktuell noch in der Studienphase, weil diese App namens aktivdia den Status eines medizinischen Produktes hat und entsprechende Auflagen wie etwa klinische Studien erfüllt sein müssen.
Wirtschaftsforum: Was ist das Neue an dieser App?
Robin Brünger: Sie ermöglicht neben der reinen Protokollierung von Ernährung und sportlicher Betätigung auch eine patentierte Stoffwechselanalyse. Das ist der Clou an der Sache. Der Nutzer muss zunächst einen Dreitagetest durchlaufen. Anschließend gibt die App ihm individuelle Hinweise. Dies ist dank eines Patents möglich, das durch das Diabetes Institut Karlsburg entwickelt und in unsere App integriert wurde. Die Ergebnisse sollen in einer Studie in diesem Sommer veröffentlicht werden. Wir gehen davon aus, dass wir die Zulassung erhalten und dann das Produkt auf den Markt bringen können.
Wirtschaftsforum: Apropos Markt, aktivmed ist vor allem in Deutschland aktiv?
Robin Brünger: Derzeit ja, aber wir werden in Zukunft sicherlich auch internationale Märkte erschließen. Es existiert nämlich inzwischen eine EU-Richtlinie, die es uns ermöglicht, unsere Produkte auch in anderen Ländern anzubieten. Wir haben einen eigenen Außendienst und sind viel auf Messen unterwegs, um unsere Produkte und vermehrt auch unsere digitalen Applikationen den Ärzten und Ärztinnen sowie den Diabetes-Beraterinnen näherzubringen.
Wirtschaftsforum: Sie verkaufen nicht direkt an den Endkunden?
Robin Brünger: Nein, wir wenden uns vor allem an die Arztpraxen, und hier meist an die ausgebildeten Diabetes-Beraterinnen, die wiederum unsere Produkte und Anwendungen dem Patienten näherbringen.
Wirtschaftsforum: Gibt es neben den digitalen Lösungen weitere Entwicklungen in der Branche?
Robin Brünger: Der herkömmliche Blutzucker-Teststreifen ist aufgrund von neuen Technologien heute bereits rückläufig. Es gibt inzwischen Möglichkeiten zur kontinuierlichen Glukosemessung, kurz CGM, die die herkömmliche Messung teilweise ersetzen kann.
Wirtschaftsforum: Was macht letztlich den Erfolg Ihres Unternehmens aus?
Robin Brünger: Die hohe Qualität der Produkte ist wesentlich, und das sehr gute Preis-Leistungs-Verhältnis, was die Akzeptanz bei den Krankenkassen erhöht hat. Und oft sind es kleine Punkte, die den Unterschied machen. Viele Anbieter haben auf kleinere Blutzuckerteststreifen umgestellt, aber für Benutzer, meist ältere Leute, erfordert das eine höhere Fingerfertigkeit, die nicht immer gegeben ist. Daher sind unsere Teststreifen beliebter, weil sie kundenfreundlicher sind.
Wirtschaftsforum: Wohin geht die Reise für aktivmed?
Robin Brünger: Für uns liegt der Fokus auf unserem neuen digitalen Produkt. Dei App ist anfangs nur für den Diabetes Typ 2 gedacht, aber wir denken, dass wir sie für Typ 1 ausbauen können. Mit digitalen Produkten können wir in Zukunft verstärkt Diabetiker unterstützen. Deren Zahl wird weiter ansteigen und daher ist es wichtig, auf Technik zurückgreifen zu können, denn gleichzeitig wird der Ärzte- und Pflegepersonalmangel nicht verschwinden.
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