„Das war eine Minutenentscheidung – aber es gab keine Alternative!“

Interview mit Peter Baumann, Marketingleiter der Liqui Moly GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Baumann, mit über 4.000 verschiedenen Artikeln bewegt sich Ihr Unternehmen mit einem stattlichen Sortiment im Markt. Wie ist diese umfangreiche Produktauswahl über die Jahre entstanden?

Peter Baumann: Die ersten Produkte, die unser Unternehmen entwickelt und angeboten hat, waren sogenannte Additive, also Zusätze für Automobilschmier- und -kraftstoffe, die wir heute gerne mit der griffigen Beschreibung ‘Vitamine für Ihr Auto’ bewerben. Auf einen dieser Festschmierstoffe, liquides Molybdändisulfid, geht auch der Name unseres Unternehmens zurück: Liqui Moly hört sich einfach prägnanter an! Darauf aufbauend ist schließlich eine ganze Reihe an Zusätzen für Motoröl und Kraftstoffe entstanden. Ein entscheidender Schritt bei der sukzessiven Erweiterung unseres Sortiments erfolgte dann in den späten 80er Jahren mit dem Einstieg ins klassische Motorenölgeschäft. Seitdem bieten wir jenseits unserer Additive auch Motoren- und Getriebeöl als solches an und zählen in diesem Segment heute zu einer der international bekanntesten Marken.

Wirtschaftsforum: Gerade dieser Teil der Wertschöpfungskette ist vom Wandel in der Mobilität besonders betroffen: Denn bei Elektroautos entfällt der von Verbrennern bekannte Ölwechsel. Stellt das Ihr Unternehmenskonzept nicht gänzlich auf den Kopf?

Peter Baumann: Ich bin überzeugt, dass Liqui Moly für die anstehenden Veränderungen bestens gewappnet ist – schließlich zählen zu unseren 4.000 Sortimentsartikeln eben nicht nur Motorenöle und Additive, die ausschließlich bei Verbrennungsmotoren eingesetzt werden. Ansonsten könnte uns ein baldiges Ende des Ölwechsels tatsächlich einige Gänsehaut bereiten. Aber mit einem gelassenen Blick auf unsere große Produktvielfalt und unsere weltweite Ausrichtung mit Aktivitäten in über 150 Ländern relativiert sich so einiges. Denn auch die Elektromobilität sollte man aus einer globalen Perspektive betrachten. Sieht man sich dann den aktuellen weltweiten Fahrzeugbestand an, wird klar, dass der Totalumstieg auf E-Fahrzeuge vielleicht in den Metropolen Zentraleuropas und in einigen anderen Weltregionen in den Zeiträumen vonstattengehen kann, die von den politischen Entscheidungsträgern bisweilen angestrebt werden mögen; doch in vielen Märkten wird die Umstellung des Fahrzeugbestands samt der gesamten Infrastruktur zur Energieversorgung, die für eine flächendeckende Elektromobilität erforderlich ist, nicht in dieser Geschwindigkeit umsetzbar sein. Dabei wird der bereits heute riesige Bestand an Verbrennungsfahrzeugen insbesondere im Nutzfahrzeugbereich von Bussen bis Lkw noch weiterwachsen, wenn auch vielleicht etwas langsamer als bisher. Trotzdem verbleiben uns damit Unmengen an Fahrzeugen, die weiterhin mit Schmierstoffen und Öl versorgt werden müssen.

Wirtschaftsforum: Als Marke möchte Liqui Moly dabei in erster Linie ‘bewegen und begeistern’. Wie genau spiegelt sich dieser Anspruch in Ihrem Unternehmensalltag wider?

Peter Baumann: Ich will ganz ehrlich sein: Im Vergleich zu anderen Konsumartikeln sind unsere Produkte alles andere als sexy. Wenn Sie sich Motoröl kaufen müssen, weil in Ihrem Fahrzeug eine rote Lampe blinkt, ist das für Sie vielmehr eine lästige Angelegenheit, die Sie beim anstehenden Kundendienst auch noch etwas kosten wird. Wir können also kein Konsumentenerlebnis bieten, bei dem der Kunde unsere Produkte riechen, schmecken und fühlen kann. Also bleibt uns nur die Marke, um die Endverbraucher sowie unsere B2B-Kunden aus dem Großhändler- und Werkstattsegment an uns zu binden. Durch unser jahrzehntelanges unbedingtes Qualitätsbewusstsein ist uns genau das gelungen: die Etablierung einer Marke für Motorenöle und Zusatzstoffe, deren Image für Seriosität und Verlässlichkeit steht. Dazu müssen wir diese Werte natürlich in unserem Unternehmensalltag auch leben – und können so Menschen auf der ganzen Welt bewegen und begeistern.

Wirtschaftsforum: Bei vielen Kundinnen nimmt auch das Thema Nachhaltigkeit eine immer bedeutendere Rolle ein. Welche Ambitionen verfolgt Liqui Moly in diesem Bereich?

Peter Baumann: Natürlich hängt unser Unternehmen an dem Geschäft mit Verbrennungsmotoren. Doch auch Verbrennungsmotoren kann man sehr effizient betreiben – und gerade die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte geben uns an dieser Stelle recht. Wo bei einem VW Käfer vor etlicher Zeit nach spätestens 4.000 gefahrenen Kilometern der nächste turnusmäßige Ölwechsel anstand, können Sie heute mit einem modernen Auto bei der gleichen Menge Öl gut 50.000 km zurücklegen, sodass Sie vielleicht nur alle zwei Jahre in die Werkstatt müssen. Das bedeutet einen riesigen Fortschritt und zeigt ein klares Engagement für eine bessere Nachhaltigkeitsbilanz. Auch unsere Schmierstoffe üben dabei einen zentralen Einfluss aus, weil sie dank der jahrzehntelangen konsequenten Weiterentwicklung für einen extrem effizienten, leichten Lauf der einzelnen Komponenten sorgen. Natürlich wird man für jede Schmierstoffrezeptur immer einen bestimmten Anteil an fossilen Elementen benötigen. Aber dieser Anteil ist heute schon sehr gering geworden und wird dank der wachsenden Bedeutung synthetischer Rohstoffe weiter sinken können.

Wirtschaftsforum: Welche weiteren Schwerpunktthemen werden Ihre Unternehmensausrichtung in den nächsten Jahren prägen?

Peter Baumann: Der Anspruch, Produkte „Made in Germany“ anzubieten, ist bis heute ein zentrales Element unserer Marke, von dem wir sicherlich sehr stark profitieren. Da wir jedoch wirklich sämtliche Artikel zu 100% in Deutschland fertigen und anschließend in all unsere 150 Exportmärkte liefern, ist dies mit einem enormen logistischen Aufwand verbunden, der nicht nur entsprechend kostenintensiv ausfällt, sondern möglicherweise auch im Sinne unserer Nachhaltigkeitsstrategie überdacht werden sollte. Denn aktuell werden Rohstoffe, die im Nahen Osten gewonnen werden, in unser Werk nach Deutschland überführt, hier zu Motorenöl verarbeitet und anschließend mitunter wieder in unsere Exportländer in der arabischen Welt ausgeliefert. Deshalb stellt Liqui Moly derzeit entsprechende Überlegungen an, ob wir manche Produkte in Zukunft nicht besser lokal produzieren sollten – selbstverständlich ohne jegliche Qualitätseinbußen. Aus Russland, das mit einem Jahresumsatz von circa 60 Millionen EUR bisher unseren größten Auslandsmarkt dargestellt hatte, haben wir uns nach dem Überfall auf die Ukraine im Februar derweil vollkommen zurückgezogen, und auch wenn es hier um keineswegs unbedeutende Beträge ging, war die Entscheidung in der Geschäftsleitung in wenigen Minuten gefallen. Denn es gab keine Alternative – und wenn es um unsere Glaubwürdigkeit geht, müssen wir konsequent sein.

Wirtschaftsforum: Sie selbst engagieren sich mittlerweile seit 36 Jahren im Unternehmen und haben in dieser Zeit schon viele Herausforderungen bewältigt. Was treibt Sie bei Ihrer Tätigkeit für Liqui Moly weiterhin an?

Peter Baumann: Eine derart lange Betriebszugehörigkeit ist in unserem Unternehmen keine Seltenheit – einige Mitglieder unserer Belegschaft sind dabei auch schon in der zweiten Generation in unserem Unternehmen tätig, was uns natürlich ganz besonders freut und einen wirklichen Vertrauensbeweis darstellt. Mit unserem Produktspektrum bewegen wir uns dabei in einem sehr anspruchsvollen Markt und bestehen hier mitunter gegen vielfach größere Wettbewerber wie Shell und BP, was die Mitarbeiter von Liqui Moly auch ein bisschen zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenschweißt. Ich hatte das große Glück, den gesamten Wachstumsprozess des Unternehmens miterleben und mitgestalten zu dürfen. So sind die letzten 36 Jahre für mich wie im Flug vergangen, und für die Zukunft haben wir alle bei Liqui Moly selbstverständlich noch ganz viel vor.

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