„Im vergangenen Jahr ist der Logistikmarkt in Deutschland um knapp 6 Prozent auf 222 Milliarden Euro gewachsen“, so Prof. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Vorstands der Bundesvereinigung Logistik (BVL). Damit übertraf 2011 das bisherige Rekordjahr 2008, als der Umsatz bei 218 Milliarden Euro lag. Für 2012 ist ein weiteres – wenn auch gedämpftes – Wachstum sowohl beim Umsatz als auch bei den Beschäftigten wahrscheinlich. Eine genauere Prognose ist jedoch schwierig, da die Entwicklung im Wirtschaftsbereich Logistik gekoppelt ist an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Szenarien zwischen 220 und 230 Milliarden Umsatz erscheinen für 2012 realistisch.
Die positive Entwicklung in der Logistik macht sich auch am Arbeitsmarkt bemerkbar. Der BVL erwartet eine weitere Zunahme um 50.000 Beschäftigte von derzeit 2,8 auf 2,85 Millionen Menschen in diesem Jahr. Gleichzeitig erhöhen die Unternehmen die Gehälter ihrer Mitarbeiter im Vergleich zum gesamtdeutschen Arbeitsmarkt überdurchschnittlich hoch. Dies ergab eine Umfrage der BVL. Über 50 Prozent der befragten Unternehmen planen demnach in den nächsten zwölf Monaten eine Gehaltserhöhung von mehr als drei Prozent und im kommenden Jahr ihr Personal aufzustocken. Doch das ist ein Problem.
Fachkräftemangel als Risiko für weiteres Wachstum
Der Fachkräftemangel ist laut BVL-Umfrage ein Risiko für weiteres Wachstum und unternehmerischen Erfolg. Demnach haben 75 Prozent der im Bereich Logistik tätigen Unternehmen Schwierigkeiten, offene Stellen adäquat zu besetzen. 73 Prozent der Befragten erwarten für die Zukunft sogar Einbußen. Arbeitnehmer mit praktischer Berufsausbildung werden ebenso umworben wie Akademiker: 26 Prozent der von der BVL befragten Unternehmen gaben an, nicht genügend Fahrer und Zusteller zu finden.
Auch Fachkräfte mit kaufmännischer oder technischer Ausbildung werden händeringend gesucht. Die Stellenangebote im höher qualifizierten Segment reichen vom Speditionsleiter über den Lagerleiter bis hin zum Logistikleiter. Die besten Chancen haben Absolventen der Logistikstudiengänge in den Bereichen Ingenieurwesen, IT und BWL mit dem Schwerpunkt Supply Chain Management. Die Bereiche Einkauf und Produktion suchen ebenso Top-Logistiker wie die „klassischen“ Funktionen Vertrieb und Distribution. Die Unternehmen sagen selbst: Die interessanten Karrieremöglichkeiten in der Logistik sind zu wenig bekannt. Für junge Menschen oder Quereinsteiger stehen Tätigkeiten in diesem Bereich häufig nicht im Fokus ihrer Überlegungen.
Unternehmen wappnen sich mit Weiterbildungsangeboten
Mit einem vielseitigen Angebot an Maßnahmen und Weiterbildungsmöglichkeiten wappnen sich viele Unternehmen für den Wettbewerb um Fachkräfte. 70 Prozent der befragten Unternehmen unterstützen Mitarbeiter bei der Aus- und Weiterbildung. Ein weiterer Anreiz wird laut 61 Prozent der Befragten durch flexible Arbeitszeitmodelle geschaffen. Aber auch zusätzliche Bonuszahlungen oder Investitionen in das Gesundheitsmanagement finden sich in den Maßnahmenlisten der Unternehmen.
Abgerundet wird das Angebot durch verschiedene Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Regelmäßige Mitarbeitergespräche stehen für fast 88 Prozent der Unternehmen auf der Agenda. Auf Platz zwei stehen für 81 Prozent Weiterbildungen und Trainings, gefolgt von einer individuellen Karriereplanung. Fast 70 Prozent der befragten Unternehmen stellen ihren Mitarbeitern dafür mehr als drei Weiterbildungstage zur Verfügung. Damit liegen sie über dem bundesweiten Durchschnitt von 2,5 Tagen.
„Magisches Dreieck“ für alte und neue Herausforderungen
Um für die Herausforderung der Gegenwart und Zukunft gewappnet zu sein, empfiehlt der BVL den Logistik-Unternehmen den strategischen Ansatz eines „Magischen Dreiecks“: die Wechselwirkungen zwischen Flexibilität, Sicherheit und Nachhaltigkeit. Das „Magische Dreieck“ soll Antworten auf folgende Fragen geben: Wie sind Unternehmen auf ein Welthandelswachstum in volatilen Märkten vorbereitet? Wie können sie an den steigenden Bedarfen der BRIC-Staaten partizipieren? Wie sichern sich Unternehmen gegen Finanzmarktkrisen ab? Welche Ressourcen werden an welcher Stelle optimal eingesetzt? Laut BVL geht es um die Vermeidung von überflüssigen Warenströmen, die Optimierung von Tourenplänen, bestmögliche Flächennutzung, ressourcenschonende Technologien oder sensiblen Mitarbeitereinsatz.
Die Bewältigung immer neuer Herausforderungen – zum Beispiel durch steigende Sicherheitsanforderungen – setze ein hohes Qualifikationsniveau der Mitarbeiter voraus, um die Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen, unternehmensübergreifende Kooperationen und die insgesamt steigende Komplexität von Prozessen zu bewältigen und dabei wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
„Die drei aktuellen Handlungsmaximen stehen also miteinander in Wechselwirkung und bedürfen langfristig einer ausgewogenen Koordination. Unternehmen und Logistikabteilungen, die konsequent ganzheitlich an die Aufgabenstellungen herangehen, dürften regelmäßig auf der Erfolgsspur sein“, so Klinkner.