„Wir brauchen mehr Pragmatismus“

Interview mit René Rose Stüber, Geschäftsführerin der Leybold GmbH

Wirtschaftsforum: Frau Stüber, Leybold blickt auf eine lange Geschichte zurück. Welche Meilensteine waren aus heutiger Sicht besonders wichtig?

René Rose Stüber: Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten viele technologische Sprünge erlebt, insbesondere in der Entwicklung von Turbopumpen. Ein entscheidender Schritt war die Abkehr von ölgeschmierten zu komplett trockenen Technologien. Das war nicht nur ein technischer Fortschritt, sondern auch ein Beitrag zu mehr Umweltfreundlichkeit. Parallel dazu spielt die Digitalisierung in der Fertigung eine immer größere Rolle. Der Ausgleich zwischen Mensch und Maschine wird in Deutschland zunehmend wichtiger, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Automatisierung und digitale Prozesse sind deshalb zentrale Erfolgsfaktoren.

Wirtschaftsforum: Seit 2016 gehört Leybold zur Atlas Copco Gruppe. Wie hat sich diese Inte­gration ausgewirkt?

René Rose Stüber: Die Integration dauert noch an, vor allem wegen der kulturellen Umstellung. Atlas Copco hat stark in den Standort investiert, in Maschinen, Prozesse, Weiterbildung und Infrastruktur. Wir verfolgen konsequent das Ziel, bis 2030 komplett CO2-neutral zu produzieren. Fast alle Bereiche sind bereits umgestellt, nur bei der Heizung arbeiten wir noch an einer Lösung.

Wirtschaftsforum: Welche Bedeutung hat der Standort Köln innerhalb der Gruppe, und wie hat sich das Unternehmen personell entwickelt?

René Rose Stüber: Köln ist das globale Kompetenzzentrum für trockenlaufende Schraubenpumpen im industriellen Bereich und für Turbomolekularpumpen innerhalb der Atlas Copco Gruppe. Wir entwickeln und fertigen hier komplette Systeme. Wichtig ist die enge Verzahnung von Entwicklung und Produktion; Engineering und Fertigung müssen Hand in Hand arbeiten, damit Wissen direkt zurückfließt und Produkte stetig besser werden. In Köln beschäftigen wir rund 870 Mitarbeiter. Wir mussten unsere Größe etwas anpassen – unter anderem aufgrund von Veränderungen am chinesischen Markt und im Solarsektor. Viele Kollegen sind in den Ruhestand gegangen, wodurch wir einen sozialverträglichen Generationswechsel gestalten konnten. Besonders stolz bin ich darauf, dass wir sogar Mitarbeiter in 3. Generation haben. Das zeigt, wie tief Leybold in Köln verwurzelt ist und wie stark die Identifikation mit dem Unternehmen ist.

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielen Digitalisierung und KI bei Ihnen?

René Rose Stüber: Eine immer größere. Wir testen KI bereits in der Produktion und nutzen sie in alltäglichen Anwendungen, etwa für Dashboards oder Performance Management. Ohne KI wird man künftig nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Was uns bremst, sind allerdings die Datenschutzbestimmungen. Sie verlängern viele Prozesse, weil jede Softwarelösung erst geprüft und freigegeben werden muss. In Deutschland haben wir dadurch einen Nachteil gegenüber Ländern, die solche Projekte schneller umsetzen können.

Wirtschaftsforum: Was macht Leybold Ihrer Meinung nach so erfolgreich – und was wird künftig entscheidend sein?

René Rose Stüber: Unser größter Erfolgsfaktor ist die technische Kompetenz. Es gibt Fertigungs- und Entwicklungs-Know-how, das weltweit kaum jemand kopieren kann. Aber die Zukunft wird von Kompromissfähigkeit und der Fähigkeit zu schnellen Entscheidungen abhängen. In Deutschland neigen wir dazu, lange zu diskutieren. Während wir noch überlegen, haben andere schon geliefert. Wir müssen schneller handeln und akzeptieren, dass Perfektion nicht immer der beste Weg ist. Früher war Produktentwicklung ein streng linearer Prozess mit langen Phasen der Planung und Tests. Heute reicht das nicht mehr. Wir müssen flexibler agieren – im besten Sinne agil. Das heißt: schneller ausprobieren, kombinieren und mutiger Entscheidungen treffen. Manchmal ist eine Simulation der bessere Weg, manchmal ein realer Test. Wichtig ist, dass wir rasch marktfähig werden. Geschwindigkeit entscheidet im globalen Wettbewerb.

Wirtschaftsforum: Welche Vision haben Sie für das Unternehmen?

René Rose Stüber: Ich wünsche mir, dass Leybold in 25 Jahren sein 200-jähriges Jubiläum feiern wird und wir bis dahin weiter das globale Technologiezentrum für Vakuumlösungen bleiben. Die Tradition von Ernst Leybold und den Pionieren dieser Technologie soll fortleben. Wir wollen Innovationen ermöglichen, ob in der Robotik, der Raumfahrt oder in neuen Produktionsverfahren. Und wir wollen ein echtes Kölner Unternehmen bleiben, mit Menschen, die mit Herzblut dabei sind.

Wirtschaftsforum: Und was motiviert Sie persönlich in Ihrer Arbeit?

René Rose Stüber: Die Menschen. Wenn ich sehe, wie stolz unsere Mitarbeiter sind, wenn sie ein neues Produkt erfolgreich auf den Markt gebracht oder die tausendste Pumpe gefertigt haben, ist das unbezahlbar. Dieses Miteinander, der Zusammenhalt, das ist meine Motivation. Deshalb komme ich jeden Tag ins Werk, obwohl ich im Homeoffice arbeiten könnte. Ich möchte die Menschen sehen, mit ihnen sprechen, sie unterstützen.

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