Verstehe den Kunden und werde sein Freund

Interview mit Dipl.-Ing. Jan Kukulies, Geschäftsführer, und Verena Heinrichs, Head of Social Media Intelligence

Wirtschaftsforum: Herr Kukulies, Frau Heinrichs, die PRS Technologie Gesellschaft wurde 2012 als Spin-off der RWTH Aachen gegründet, zunächst mit dem Ziel, der Industrie Leistungen wie Weiterbildung und Beratungskompetenz anzubieten sowie gemeinsame Projekte in Gang zu setzen. Seit 2015 bringen Sie Produzenten die Wünsche und Erwartungen ihrer Kunden nahe, indem deren in Internetforen gepostete Beiträge analysiert und für die Unternehmen aufbereitet werden. Wie darf man sich das genau vorstellen?

Verena Heinrichs: Wir gehen mit unserer Dienstleistung SocialYou zyklisch in fünf Phasen vor: Fragestellung (Define), Suche (Search), Sprachprozessierung (Crawl), Analyse (Mine) und Improve (Umsetzung). Herzstück von SocialYou ist ein von uns entwickelter Algorithmus, der diese Beiträge vor allem aus thematischen Blogs extrahiert – im Automobilbereich zum Beispiel motortalk.de –, in denen ein tiefgreifendes Interesse am Thema besteht und es zu einem regen Meinungsaustausch kommt. Diese Beiträge unterziehen wir einer sprachlichen Prozessierung – wir vermessen buchstäblich die Sprache des Kunden, stellen fest, welche Semantik jedes Wort hat und in welchem Kontext es steht. Am Ende können wir sehr präzise sagen, was für ein Kunde das ist und welche Bedürfnisse er hat. Unternehmen können dieses qualitativ sehr hochwertige Feedback sofort umsetzen.

Wirtschaftsforum: Können die Unternehmen, denen Sie Ihre Methode vorstellen, das direkt nachvollziehen, oder ist das Thema eher schwierig zu kommunizieren?Verena Heinrichs: Das Thema ist für die meisten Interessenten noch ziemliches Neuland. Unternehmen nutzen gern Fragebögen oder Interviews und stehen dem Netz noch eher kritisch gegenüber. Dazu kommt: Man kennt die Namen Facebook und Twitter, in die aufgrund ihrer großen Bekanntheit vorab schon viel Vertrauen gesetzt wird, und wenn wir dann sagen, dass das gar nicht unsere primären Kanäle sind, müssen wir schon erklären, warum das so ist.

Das geht aber prima anhand von Beispielen: So nehmen wir Foren wie ‚Netmoms‘ sehr ernst, weil der Austausch dort, anders als bei Facebook oder Twitter, auf einer sehr emotionalen Schiene abläuft. Da geht es beispielsweise um Palmöl und -fett in Nutella: Was ist noch gesund fürs Kind, ab wann wird’s schädlich? Das sind genau die Informationen, auf die es Unternehmen ankommt, die müssen Sorgen und Bedürfnisse der Kunden verstehen können. Man kann nur ein Freund des Kunden werden, wenn man versteht, wie er tickt, und wenn Unternehmen das verstanden haben, sind sie meist auch sehr aufgeschlossen.

Wirtschaftsforum: Wie Sie sagen, ist die Diskussion in den Foren emotional aufgeladen. Werden diese Emotionen für Unternehmer, die normalerweise mit Excel-Tabellen und statistischen Erhebungen hantieren, durch Ihre Herangehensweise greifbar?

Verena Heinrichs: Dass sie ihre Kunden kennenlernen müssen, wissen ja alle Unternehmen, aber es reicht eben nicht mehr, das nur an der Oberfläche zu versuchen – nach dem Motto‚ ‚ich stelle mal einen Fragebogen auf, habe am Ende ein paar Balkendiagramme und weiß genau, wer mein Kunde ist‘. Das funktioniert so nicht, denn Produkte und Märkte gleichen sich immer mehr an, und man muss sich wirklich mit dem individuellen Kunden auseinandersetzen. Die Analyse seiner Sprache gibt einen viel genaueren Einblick in das, was ihn umtreibt, als eine rein quantitative Erhebung mittels Fragebogen.

Jan Kukulies: Wir schaffen es, eine große Menge von Daten sprachwissenschaftlich zu analysieren, sie in kurzer Zeit zusammenfassend zu bewerten und so genau die Informationen für ein Unternehmen zu generieren, die ihm hinsichtlich Produktentwicklung und -kommunikation nützen.

Wirtschaftsforum: Sie begleiten den gesamten Prozess von der Fragestellung bis zur Umsetzung der gewonnenen Information in der Produktentwicklung. Insofern nehmen Sie den Unternehmen die gesamte Marktforschung ab, nicht nur vor, sondern auch nach dem Markteintritt. Wie kommt das bei Ihren Kunden an?

Verena Heinrichs: Ist die anfängliche Skepsis erst einmal überwunden, ist das Feedback sehr gut. Die Ergebnisse überzeugen schlussendlich immer, und das Schöne ist, dass der Kunde wirklich diesen Aha-Effekt hat. In der Automotive-Branche löst unsere Methode demnächst die traditionellen Fragebögen ab. Auch im Medizintechnik-Bereich haben wir schon Projekte, dort setzt sich gerade die Erkenntnis durch, dass sich auch Leute, die zum Beispiel eine Insulinpumpe brauchen, ebenfalls im Netz austauschen.

Wirtschaftsforum: Im Gegensatz zur Auswertung von Fragebögen nimmt eine Social Media-Analyse viel weniger Zeit in Anspruch. Lassen sich für Ihre Kunden durch eine kürzere Bearbeitungszeit Kosten sparen?

Jan Kukulies: Wir sind in der Datenauswertung zeitlich viel schneller, und von den Kosten her ist natürlich der Algorithmus weniger kostenintensiv als Personal, das irgendwo eine Marktstudie durchführen muss. Unseren Service können wir also zu ganz anderen Konditionen anbieten als ein klassisches Marktforschungsinstitut. Bisher lief es so ab: Das Produkt kommt auf den Markt, irgendwann kommen die ersten Rückläufer, dann werden Befragungen durchgeführt und ausgewertet – dauert alles ewig, oft ein halbes Jahr. Mit einer Social Media-Analyse, die sich auf ein bestimmtes Problem fokussiert, habe ich schon nach ein, zwei Wochen ein valides Feedback und kann das Produkt entsprechend schnell verbessern. Das Problem bei Fragebögen ist ja: Sie überlegen sich Fragen, die Sie für interessant halten, und die beantworten die Kunden dann. Im Netz schreiben die Leute aber darüber, was sie persönlich interessiert.

Wirtschaftsforum: Gibt es auch Unternehmen, die Sie nach etwa einem halben Jahr noch einmal um eine Analyse bitten, wie das Produkt jetzt beim Kunden ankommt?

Jan Kukulies: Es kommt zum Beispiel im Automobilbereich oft vor, dass der Kunde mit einem schon abgeschlossenen Projekt sehr zufrieden gewesen ist und den Service gern auch für weitere Modelle desselben Produkts in Anspruch nehmen möchte.

Wirtschaftsforum: Glauben Sie, dass die Unternehmen, wenn ihnen die Kundenmeinung so aufbereitet übermittelt wird, auch selbst Lust bekommen, mit den Kunden auf Tuchfühlung zu gehen?

Verena Heinrichs: Es ist sehr schön zu sehen, wie kreativ und offen die Unternehmen als Reaktion auf die Kundenreaktionen werden. Man fängt an zu überlegen, was der Kunde wirklich braucht. Da fliegt so richtig der kreative Funke – und daran haben auch die Leute im Unternehmen selbst Spaß. Was wir schaffen ist, dass wir dieses ‚Tunneldenken‘ auflösen. Wir führen eine neue Sicht auf den Kunden herbei, indem wir den Unternehmen dessen Reaktion im Netz unmittelbar vor Augen führen. Wenn es außerdem in irgendeinem Forum einen Thread gibt, in dem immer Probleme mit dem Produkt diskutiert werden, schlagen wir dem Unternehmen vor, jemanden einzustellen, der sich direkt vor Ort mit den Leuten im Forum auseinandersetzt und auf die Rückfragen persönlich antwortet. Das wird dann auch tatsächlich umgesetzt, quasi als ‚Deeskalationsmaßnahme‘.

Wirtschaftsforum: Dass Sie nicht unmittelbar Teil des Unternehmens, sondern mittelbar als Dienstleister involviert sind, ist in dieser Hinsicht ein Vorteil, oder?

Verena Heinrichs: Absolut. Unternehmen könnten ja beispielsweise eine eigene Abteilung dafür einrichten, aber als Teil des Unternehmens ist diese dann auch schnell wieder im ‚Tunnel‘ drin. Wir dagegen kommen von draußen rein, durchlaufen unseren Projektzyklus, bringen unsere eigene Kreativität ein. Gerade die kreativen Workshops sind deshalb so wichtig, weil man sich dabei frei macht von Kosten- oder Umsetzbarkeitsdenken und sich traut, einfach mal zu ‚spinnen‘. Für uns ist toll zu sehen, dass etwas passiert und vor allem auch, was als Ergebnis daraus hervorgeht. Das ist unser Prüfstein dafür, dass wir gute Arbeit geleistet haben.

Wirtschaftsforum: Auf welche Marketing-Kanäle setzen Sie?

Verena Heinrichs: Ich bin auf Messen und Kongressen unterwegs und halte dort Vorträge, in denen ich unser Vorgehen vorstelle. Das hat den Vorteil, dass wir dort den direkten Kontakt mit Interessenten haben, gemeinsam ins Internet gehen und unser Vorgehen an konkreten Beispielen zeigen können. Außerdem lancieren wir Veröffentlichungen beim VDI, wir sprechen die einzelnen Branchen konkret mit Fallbeispielen an. Wir haben natürlich auch eine Homepage, wir geben Seminare, Webinare zum Thema, aber unser präferiertes Medium ist der Vortrag.

Wirtschaftsforum: Welche Impulse möchten Sie Ihrem Unternehmen geben?

Jan Kukulies: Wo wir bisher das Thema Bildungsdienstleistungen stark fokussiert haben, möchten wir jetzt einen Raum schaffen, um gute Produktideen, die auf wissensintensiven Dienstleistungen beruhen, zur Marktreife zu bringen. Zu den weiteren Produktideen gehören die Auftragslokalisierung in der Produktion oder Applikationen für das Fehlermanagement – intelligente, datenbasierte Lösungen, die zunächst im universitären Umfeld entwickelt werden, aber einen gewissen Raum brauchen, um zu einem Produkt oder einer Dienstleistung für den Kunden heranzureifen, so wie wir es auch mit SocialYou gehandhabt haben.

Wirtschaftsforum: Was treibt Sie in Ihrem Beruf an?

Verena Heinrichs: Ich sehe, dass Unternehmen deutlich besser sein können, wenn sie ihren Kunden zuhören. Ich sehe mich sozusagen als Vermittlerin, um unseren Kunden die Angst vor dem unbekannten Netz zu nehmen und auch zu zeigen, wie einfach und erfolgreich man Produkte gestalten kann, wenn man mal von seinem Entwicklerross runterkommt und sich tatsächlich mit dem Kunden auseinandersetzt. Mir macht es viel Spaß zu sehen, was dann tatsächlich für Produkte und Dienstleistungen entstehen – auf Basis von Texten.

Jan Kukulies: Ich habe während meiner Zeit an der Hochschule viel an Beratungsprojekten mitgearbeitet und habe so einerseits die ‚Bedarfsseite‘ von Unternehmen kennengelernt, andererseits aber auch gesehen, wie viele gute und brauchbare Ideen an einem Lehrstuhl entstehen. Mir macht es sehr viel Spaß, in der PRS jungen Menschen den Raum zu geben, intelligente Ideen weiterzuentwickeln und auch Impulse aus meiner Beratungserfahrung weiterzugeben, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zur Marktreife zu bringen.

Wirtschaftsforum: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in den nächsten drei bis fünf Jahren?

Jan Kukulies: Ich möchte die PRS als Anbieter wissensintensiver Dienstleistungen positionieren, die auf Kompetenzen und Ideen beruhen, die im wissenschaftlichen Umfeld generiert werden und dann in der PRS Technologie reifen – schwerpunktmäßig im Bereich Datenauswertung und Datenanalyse, Stichwort Industrie 4.0. Im universitären Umfeld entstehen dazu gerade sehr viele interessante Ideen, zum Beispiel, was Auftragslokalisierung oder Fehlererfassung in der Produktion betrifft – wir wollen sozusagen ein Kompetenzzentrum für Digitalisierung werden.

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