Die Gründer von heute sind der Mittelstand von morgen

Interview mit Dagmar Wöhrl, Juristin, Politikerin und Unternehmerin

Wirtschaftsforum: Frau Wöhrl, Sie sind Juristin, Politikerin und Unternehmerin und nun auch eine Löwin in der Höhle der Löwen. Zudem sind Sie Mitglied in vielen Räten und ehrenamtlich tätig. Hat Ihr Tag 48 Stunden oder wie koordinieren Sie all Ihre Aufgaben?

Dagmar Wöhrl: Schön wäre es ja mit 48 Stunden. Aber nein, jetzt im Ernst, aus den 24 Stunden kann man mit viel Disziplin und guter Organisation eine ganze Menge rausholen. Einer meiner wichtigsten persönlichen Leitsprüche war schon immer gewesen: „Den Acht-Stunden-Arbeitstag gibt es nicht“. Diesen Leitspruch gebe ich auch meinen Gründern mit auf den Weg. Denn große Ziele kann man nur mit dem entsprechenden Einsatz erreichen. Wer was erreichen will, muss hart dafür arbeiten. Das bedeutet auch, dass man auf das eine oder andere eben verzichten muss. Meist ist das die Freizeit. Was bei meinen verschiedenen Tätigkeiten natürlich auch eine Rolle spielt, ist, dass man mit der Zeit bei vielen Aufgaben eine Routine entwickelt. Die kann dabei helfen, vieles doch schneller zu erledigen, als noch am Anfang. Den absoluten Hauptteil meiner Zeit hat bislang natürlich die Politik beansprucht. Nach dem Ende meiner Abgeordnetentätigkeit wird jetzt mein Engagement bei „Die Höhle der Löwen“ im Mittelpunkt stehen. Und natürlich kann ich mich noch intensiver als bislang um meine eigene Stiftung kümmern, mit der ich benachteiligte Kinder auf der ganzen Welt unterstütze.

Dagmar Wöhrl
„Einer meiner wichtigsten persönlichen Leitsprüche war schon immer gewesen: „Den Acht-Stunden-Arbeitstag gibt es nicht“. Diesen Leitspruch gebe ich auch meinen Gründern mit auf den Weg. Denn große Ziele kann man nur mit dem entsprechenden Einsatz erreichen.“ Dagmar WöhrlJuristin, Politikerin und Unternehmerin

Wirtschaftsforum: Als Unternehmerin investieren Sie mit der Introinvest GmbH bereits länger in Start-ups. Gibt es bestimmte Start-ups, bei denen Sie sofort zusagen oder absagen? Nach welchen Kriterien entscheiden Sie über eine Investition?

Dagmar Wöhrl: Dass wir von Introinvest sofort zusagen oder absagen, kommt eigentlich so nie vor. Alle Vorschläge, die Gründer oder schon bestehenden Start-ups an uns herantragen, werden gründlich geprüft. Die Kriterien für eine Entscheidung sind im Grunde genommen dieselben, wie bei „Die Höhle der Löwen“. Ganz wichtig ist, dass das Produkt gut ist und dass ein vielversprechender Markt vorhanden ist. Das wichtigste ist aber immer der Mensch, der hinter dem Produkt steht. Ein Produkt kann man noch verändern, den Menschen nicht. Mit den Gründen möchte man schließlich monatelang oder jahrelang zusammenarbeiten. Die Chemie muss darum stimmen. Ein großer Unterschied bei „Die Höhle der Löwen“ ist, dass man im Gegensatz zu „normalen“ Auswahlverfahren innerhalb kürzester Zeit eine Entscheidung treffen muss. Die Rolle, die das Bauchgefühlt dabei spielt, nimmt etwas zu.

„Als Wirtschaftspolitikerin war ich immer davon überzeugt, dass Start-ups einerseits wichtig sind, weil sie die dringend benötigte Innovation in Deutschland vorantreiben. Auf der anderen Seite sind die Gründer von heute der Mittelstand von morgen und sichern langfristig qualitativ hochwertige Arbeitskräfte in Deutschland.“ Dagmar WöhrlJuristin, Politikerin und Unternehmerin
Dagmar Wöhrl

Wirtschaftsforum: In der Höhle der Löwen läuft es ja anders herum. Hier müssen die Löwen für ein Produkt pitchen, wenn es ihnen gefällt. Fühlen Sie sich persönlich enttäuscht, wenn ein anderer die Zusage vom Gründer erhält?

Dagmar Wöhrl: Na der Pitch liegt schon immer erst einmal bei dem Gründer. Aber Sie haben natürlich völlig Recht: Nachdem die Gründer ihr Produkt pitchen und den „Löwen“ ihre Vorstellungen zum Investment und den Beteiligungsverhältnissen präsentieren, ist es auch an den Löwen, sich für den Gründer möglichst attraktiv zu präsentieren. Das ist in jedem einzelnen Fall ganz unterschiedlich. Bei manchen der bisherigen Pitches hatte gar kein Löwe Interesse an dem Produkt, oder es ließ sich am Schluss eben nur einer überzeugen, zu investieren. Wenn aber mehrere Gründer Interesse haben, dann kommt es schon auch mal zur Konkurrenzsituation. Dann liegt die Aufgabe bei den Löwen und ja, jeder versucht, die Gründer für sich zu gewinnen. Diese Wechselwirkung ist ja auch das Spannende an dem Format. Natürlich bin ich enttäuscht, wenn ein anderer eine Zusage bekommt, die ich selbst haben wollte. Aber wir nehmen das alle sportlich und ich bin ehrlich gesagt begeistert über die Fairness und die Kollegialität, der unter den Löwen herrscht – vor und hinter den Kulissen. Bei „Graceflowers“ zum Beispiel wollten auch meine Löwen-Kollegen Judith Williams und Frank Thelen gerne mit den Gründern zusammenarbeiten, weil wir eben alle von der Idee begeistert waren. Die Gründer haben sich dann aber für mich entschieden. Judith und Frank hätten den Deal gerne gemacht, haben sich aber für mich gefreut. Judith hat mir sogar noch mit einem total süßen Video auf Facebook noch gratuliert. Das ist eben DHDL.

Wirtschaftsforum: Als Politikerin haben Sie sich als ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium schon früh für die Förderung von Gründerinnen und Gründern eingesetzt. Woher kommt Ihre Leidenschaft für das Thema?

Dagmar Wöhrl: Ich komme aus einer Unternehmerfamilie und habe selbst Unternehmen mit aufgebaut. Als Wirtschaftspolitikerin war ich immer davon überzeugt, dass Start-ups einerseits wichtig sind, weil sie die dringend benötigte Innovation in Deutschland vorantreiben. Auf der anderen Seite sind die Gründer von heute der Mittelstand von morgen und sichern langfristig qualitativ hochwertige Arbeitskräfte in Deutschland. Darum war mir die Förderung von Gründern schon immer ein Herzensanliegen, für das ich mich politisch während meiner ganzen Zeit im Bundestag eingesetzt habe. In meiner Funktion als Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium habe ich die Weiterentwicklung von Förderprogrammen für Gründer besonders vorangetrieben. Wir sind hier besser geworden, aber es gibt noch einiges zu tun.

Dagmar Wöhrl
„Es wird jetzt Aufgabe der demokratischen Parteien sein, möglichst viele Wähler wieder dorthin zurückzuholen, wo die Spielregeln der Demokratie und die Achtung vor der Gleichheit und der Würde des Menschen Grundkonsens sind.“ Dagmar WöhrlJuristin, Politikerin und Unternehmerin

Wirtschaftsforum: Die Wahlen sind vorbei und die CDU und CSU haben viele Stimmen an die AfD verloren. Was muss sich Ihrer Meinung nach in der Politik ändern, damit die Bürger sich nicht weiter von den großen Parteien abwenden und wieder Vertrauen fassen?

Dagmar Wöhrl: Die Bundestagswahl war in vielerlei Hinsicht eine politische Zäsur. Mit sechs im Parlament vertretenen Parteien wird die parlamentarische Arbeit von den Abläufen nicht einfach werden. Das kann ich nach 23 Jahren Erfahrung im Bundestag mit einiger Sicherheit voraussagen. Aber der Wähler hat so entschieden und das gilt es zu respektieren. Die beiden großen Parteien sehen sich herben Verlusten gegenüber, das stimmt. Auch meine Partei ist hinter dem erhofften Ergebnis deutlich zurückgeblieben. Das muss jetzt aufgearbeitet werden. Ihre Frage muss ich aber dennoch zweigeteilt beantworten: Dass die Bürger ihre Stimme auch kleineren Parteien geben, wie jetzt wieder der FDP, ist in einer Demokratie ja erst mal nichts an sich Schlechtes - solange es eben demokratisch gesinnte Parteien sind. Der hohe Stimmenanteil für die AfD gibt aber Grund zur Sorge. Denn in großen Teilen der Partei werden Töne angeschlagen, die sich ganz klar außerhalb des demokratischen Rahmens bewegen. Klar ist, dass es bei den Stimmen für die AfD auch viele Protestwähler gibt, die ganz allgemein ihre Unzufriedenheit ausdrücken wollten, aber jetzt nicht unbedingt hinter dem rechten Gedankengut der AfD stehen. Die haben das wirksamste Ventil gesucht. Es gibt Wähler, die sich abgehängt fühlen und denken, dass die AfD die Situation zu ihren Gunsten verbessern kann. Das ist darum natürlich etwas schwierig, weil die AfD bei vielen Themen überhaupt keine klaren inhaltlichen Vorschläge gemacht hat. Ein dritter Teil der Wähler hat wirklich rechtes Gedankengut. Um all diese Wähler muss man sich kümmern. Es wird jetzt Aufgabe der demokratischen Parteien sein, möglichst viele Wähler wieder dorthin zurückzuholen, wo die Spielregeln der Demokratie und die Achtung vor der Gleichheit und der Würde des Menschen Grundkonsens sind.

Interview: Sarah Urquhart

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