Seit einigen Tagen jedoch macht sich Unruhe breit. „Westerwelle kommt“ drohen Wahlplakate der FDP auf den Straßen unserer Stadt an. Allerorten spürt man die Verunsicherung der Menschen, sie tuscheln miteinander, und fast scheint es so, als ob sich Angst und Panik verbreitet.
„Westerwelle kommt“, und die Menschen fragen sich, was will er denn, der Westerwelle, warum kommt er denn. Was haben wir getan, dass Westerwelle kommt, was beunruhigt Westerwelle so sehr, dass er kommt. Gibt es unheilvolle Entwicklungen, von denen wir nichts wissen? Will uns der Außenminister behutsam darauf vorbereiten, dass der Syrien-Konflikt nunmehr auch auf unser kleines Städtchen überzugreifen droht?
Viele Menschen befürchten, dass nichts Gutes auf sie zukommt, wenn Westerwelle kommt. Schließlich ist er, der Westerwelle, doch immer nur da zu sehen, wo die Krisenherde der Welt sind, und zeigt doch immer dort sein Betroffenheit und Ratlosigkeit, wo es brennt, und er mit beruhigenden Worten in staatstragendem Ton vergeblich bemüht ist, die Feuer zu löschen.
Was also will Westerwelle in meiner Heimatstadt, sucht er politisches Asyl oder eine Bleibe für die Zeit nach den Bundestagswahlen, will er bei uns untertauchen, kommt er also, um zu bleiben, oder geht er auch wieder und wenn ja wie schnell? Und warum kommt er überhaupt, wenn er doch wieder gehen wird?
Der Mann ist so bedeutsam, so wichtig, so beschäftigt, dass es doch einen Grund geben muss, wenn er kommt. Was hat er uns zu sagen, fragen sich die Menschen in unserer Stadt, oder hat er gar nichts zu sagen und will einfach nur kommen, um uns zu sagen, dass alles gesagt und nichts getan ist?
Dass Westerwelle kommt, ist schon beunruhigend genug. Völlig ratlos jedoch fragen sich die Menschen, was es zu bedeuten hat, dass auf den Plakaten nicht nur zu lesen ist, dass Westerwelle kommt, sondern auch der Satz „Das geht nur mit uns.“
Immer mehr Menschen führen hitzige Diskussionen darüber, wer ist mit „uns“ gemeint sein könnte? Die Taliban, die syrische Opposition, die FDP, der Außenminister und sein Lebensgefährte, oder sind mit „uns“ wir, die Bürger unserer Stadt gemeint? Aber was soll denn nur mit uns gehen? Meint er mit „uns“ gar sich selbst im Sinne des Pluralis Majestatis, „das geht nur mit uns, dem Außenminister“? Was also geht nur mit uns, wer „uns“ auch immer sein mag.
Vielleicht geht es ja nur mit uns, dass Westerwelle kommt. Klar, das ist es, das ist die einzig sinnvolle Erklärung. Wenn wir nicht wollen, dass Westerwelle kommt, dann geht es auch nicht. Vielleicht können wir dann darauf hoffen, dass er nicht kommt, der Westerwelle. Ja genau, wenn wir alle Widerstand leisten, wenn wir alle gehen, wenn Westerwelle kommt, vielleicht kommt er dann gar nicht. Das ist es: wenn der Westerwelle kommt, dann geht das nur mit uns. „Stell Dir vor, der Westerwelle kommt, und niemand geht hin.“ Dann bräuchte er gar nicht zu kommen, dann könnten wir wieder Hoffnung schöpfen, friedlich unserer Arbeit nachgehen und dem Treiben auf unseren Plätzen zuschauen.
Was für eine hoffnungsvolle Vorstellung!
Ein Kommentar von Georg-W. Exler