Uns geht’s gut

Andererseits

Ansonsten geben wir allerorten und jederzeit unserem Bedauern Ausdruck, dass die Polklappen schmelzen, dass in Syrien Menschen sterben, dass wir immer weniger Zeit für das Wesentlich haben, von dem wir gar nicht mehr wissen, was es ist. Wir lamentieren über Merkels Halskette und Steinbrücks Stinkefinger. Das sind die Themen, die uns bewegen.

Aber mal ehrlich: bewegt uns wirklich noch irgendetwas und was bewegen wir eigentlich? Bewegt, ja erschüttert uns wirklich, was in Syrien oder anderen Teilen der Welt passiert? Alles, uns bewegen und berühren, uns aufschreien lassen müsste, zappen wir mit der Fernbedienung unseres Fernsehers weg, und alles, was außerhalb unserer kleinen Fernseherwelt und der Reichweite der Fernbedienung liegt, interessiert uns doch nicht.

Für das neueste Smartphone stehen wir Schlange, um die ersten zu sein, die es in Händen halten, wir interessieren uns für technische Innovationen und die aktuellsten technischen Features. Ansonsten haben wir abgeschlossen mit der realen Realität. Wir sitzen in Cafés und starren auf unsere Handys, wir setzen unsere Kopfhörer auf und hören Musik und tun alles dafür, die Welt um uns herum, die Menschen um uns herum auszuschließen.

Wir sind von nichts mehr bewegt und bewegen weder uns noch andere. Der amerikanische Trendforscher Gerald Celente hat das in einem Interview sehr schön formuliert: „Heutzutage sind schlecht ernährte Menschen nicht unbedingt dünn, sondern meistens fett: Heute ist ja ein Drittel der Amerikaner übergewichtig und ein weiteres Drittel sogar richtig fettleibig. So jemand geht nicht auf die Straße und kämpft für bessere Nahrung und ein besseres Leben, sondern zieht sich lieber noch mehr Junk Food rein und lässt sich lieber erneut Antidepressiva verschreiben.“

Genau so ist es: wir stopfen uns voll mit Junk Food, Antidepressiva und unerträglichem Fernseh- und Internetmüll – und das alles unter dem Vorwand, uns informieren zu wollen oder zu müssen. Wir vergiften nicht nur unsere Körper sondern lassen unsere Seele und unsere Gefühle verfetten. Wir schlagen beinahe wörtlich die Zeit tot, damit wir die unendliche Leere und Sinnlosigkeit nicht sehen, erkennen und ertragen müssen.

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Und so verschließen wir Augen und Ohren, um nicht wissen zu müssen. Denn Wissen würde bedeuten, handeln zu müssen. Und Handeln ist unbequem. Andererseits: zu wissen und nicht zu handeln, bedeutet mit schuldig zu werden. Da ist es doch besser, die Hände in Unschuld zu waschen, nicht zu wissen, um nicht handeln zu müssen. „Nie wieder“ hieß es nach der Nazidiktatur. Die Realität ist eine andere: immer wieder, tagtäglich lassen wir Ungerechtigkeiten geschehen, schauen weg, schweigen, lassen es geschehen. Schließlich sind wir nicht betroffen.

Es gibt die schöne Geschichte vom Frosch, der in einen Topf mit Wasser gesetzt wird. Unmerklich und ganz langsam wird die Temperatur des Wassers erhöht, bis der Frosch, der sich langsam an die steigenden Temperaturen gewöhnt hat, an Kreislaufversagen stirbt. Und dann gibt es den Frosch, der in heißes Wasser geworfen wird und reflexartig mit aller Energie sofort wieder herausspringt.

Mein Eindruck: wir bewegen uns nicht, wir bewegen nichts, weil wir uns an Schmerz und Ungerechtigkeit gewöhnt haben. Meine Befürchtung: wir haben ihn längst verpasst, den Zeitpunkt, an dem wir hätten aufspringen müssen, um uns und die Welt zu retten. Andererseits ist das auch gar nicht so schlecht. Wenn es sowieso zu spät ist, dann macht es ja auch gar keinen Sinn mehr, aufzustehen und zu handeln. Na denn: lassen wir es einfach, schließlich bleibt uns ja die Hoffnung der virtuellen Welt, unserer Ersatzwelt, in die wie sicher schon bald wie der „Rasenmähermann“ als bits und bytes eintauchen können.

Ein Kommentar von Georg-W. Exler

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