Medi24 gehört zu den Pionieren im schweizerischen Markt für Telemedizin und ist Teil der Allianz Versicherungsgruppe. „Wir sind ein telemedizinisches Kompetenzzentrum mit dem Status einer Schweizer Arztpraxis“, erläutert Nico Zehnder, seit Januar 2023 CEO von Medi24. Zuvor war der Sprach- und Politikwissenschaftler Chief Sales Officer bei Allianz Partners und mehrere Jahre in Hong Kong tätig. Allianz Partners ist der weltweit führende Anbieter von Assistance-Dienstleistungen, mit eigenen Notrufzentralen, Agenten und Vertragspartnern auf allen Kontinenten.
Video-Sprechstunden
Medi24 wurde im Jahr 1999 von mehreren Schweizer Ärzten aufgebaut und beschäftigt heute 250 Ärzte, Pflegefachpersonen und Kundendienstmitarbeitende. Die Schwerpunkte des Angebots liegen in der telefonischen Beratung zu medizinischen Themen, an 365 Tagen im Jahr und rund um die Uhr, und ärztlichen Konsultationen über Telefon oder Video.
Darüber hinaus bietet Medi24 E-Rezepte, Medikamentenrezepte als praktischen QR-Code, Chatservices mit Ärzten aus dem Netzwerk von Medi24 sowie digitales Symptom-Checking mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz. In vielen Fällen fungiere man als Gatekeeper zwischen Patienten und Gesundheitsdienstleister, so Nico Zehnder. „Das fängt an mit der Triage, also der Dringlichkeitseinschätzung bei gesundheitlichen Problemen. Das muss nicht immer ein Arzt sein, sondern kann zum Beispiel auch durch eine Pflegefachkraft oder eine medizinische Fachkraft übernommen werden. In 50% der Fälle funktioniert das. In den anderen Fällen leiten wir die Patienten weiter.“
Medi24 arbeitet mit einem Großteil der Schweizer Krankenversicherungen zusammen und übernimmt in den Kantonen Wallis und Freiburg auch die Notfallaufnahme für die Krankenhäuser. „Online erteilen wir allerdings keine Auskunft bei akuten medizinischen Problemen oder Notfällen“, erklärt Nico Zehnder. Medi24 ist schweizweit tätig und hat als Zielgruppe alle 9 Millionen Menschen, die in der Schweiz leben. „Die Schweiz ist sehr reguliert, jeder Einwohner hat eine obligatorische Krankenversicherung. 2023 hatten wir 1.5 Millionen Patientenkontakte, während der Corona-Pandemie war die Zahl etwas höher.“
Kooperation mit Hausärzten
Medi24 verstehe sich nicht als Konkurrenz zu den niedergelassenen Hausärzten, so Nico Zehnder. „Im Gegenteil, wir suchen die Kooperation mit den Hausärzten und ergänzen deren Kompetenzen.“ Ein Beispiel seien chronische Erkrankungen, bei denen der Patient zum Beispiel einmal im Jahr beim Arzt eine Blutprobe abgibt. „Zwischendurch, über das Jahr, kann der Patient effektiv mit Telemedizin begleitet und der Arzt bei Veränderungen informiert werden.“
Ein Problem sei, dass es in ländlichen Genbieten zu wenig Hausärzte gebe. „Aber dort können wir gut helfen, weil wir leicht zugänglich sind. Es ist auch viel angenehmer, weil ich mir die Zeit der Konsultation selbst aussuchen kann und nicht irgendwo hinfahren muss. Gerade für Arbeitnehmer ist das sehr praktisch“, sagt Nico Zehnder. Den typischen Kunden gebe es im Grunde nicht. „Das ist sehr bunt gemischt, und die digitale Kompetenz hat sich quer durch die ganze Gesellschaft stark verbessert, so dass auch viele ältere Menschen damit keine Probleme mehr haben.“
Ursprünglich sei Telemedizin eingeführt worden mit dem Fokus, Kosten im Gesundheitswesen zu sparen. Aber inzwischen stünden auch mehr und mehr die Vorteile für die Patienten im Vordergrund. „Nehmen Sie die Mutter, die für ihr Kind erst eine telemedizinische Beratung einholen kann, als sofort die Notaufnahme aufzusuchen“, erklärt Nico Zehnder.
Attraktiv für Fachkräfte
Als Gesundheitsdienstleister darf Medi24 keine Werbung für seine Angebote machen, aber man sei bekannt durch die Krankenkassen. „Es gibt verschiedene Modelle, in denen telemedizinische Leistungen genutzt werden können oder sogar müssen“, erläutert Nico Zehnder. In der Schweiz gibt es einen weiteren, größeren Anbieter, der zur gleichen Zeit wie Medi24 entstanden ist, sowie einige kleinere, die auf den B2C-Markt abzielen, also direkt auf den Patienten.
„Das sind Online-Ärzte, die sich zum Beispiel auf Dermatologie spezialisiert haben“, so Nico Zehnder. „Aber die haben es wirtschaftlich schwer.“ Unter dem Fachkräftemangel leide Medi24 nicht so sehr wie andere Akteure im Gesundheitswesen. „Es gibt viele, die zu uns wechseln, weil sie die hohe Arbeitsbelastung im Krankenhaus leid sind.“ Attraktiv seien auch die Arbeitsbedingungen, mit Homeoffice und vielen Weiterbildungsmöglichkeiten.
In Zukunft wolle sich Medi24 zu einer umfassenden, virtuellen Arztpraxis weiterentwickeln. „Wir werden dies nächstes Jahr umsetzen und zum Beispiel chronische Patienten länger betreuen“, erläutert Nico Zehnder. Unterstützt wird der Ausbau der Telemedizin durch die ständig voranschreitende technologische Entwicklung und Digitalisierung. So kooperiere man mit einem Anbieter einer Biomarker-App, über die man Werte wie Blutdruck, Puls, Atemfrequenz oder Hämoglobinwerte direkt aufs Handy erhalten kann. „Der technologische Fortschritt ist enorm“, sagt Nico Zehnder. „Doctor ChatGPT gibt es allerdings noch nicht. Dafür sind die Anforderungen zu hoch.“
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