Im Metaverse zur immersiven Messe

Interview mit Dr. Christian Coppeneur-Gülz, Geschäftsführer der WWM GmbH & Co. KG

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Coppeneur-Gülz, Ihr Unternehmen ist angetreten, um in Form von virtuellen Messen Begegnungen im digitalen Raum zu ermöglichen. Wird dabei die wichtigste Komponente – der unmittelbare persönliche Kontakt – nicht immer auf der Strecke bleiben?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Vor einigen Jahren habe ich noch ähnlich argumentiert, unter anderem in meinem Buch ‘Event- Resource-Management mit digitalen Tools’. Damals sah auch ich uns nicht in der Lage, das multisensorische Gefühl, das wir in der realen Welt erleben, vollständig in den digitalen Raum zu transportieren. Dem werden natürlich gerade im Hinblick auf die körperliche Erfahrung immer gewisse Grenzen gesetzt sein – doch wenn wir die technologische Entwicklung und die große Akzeptanz bei breiten Konsumentenschichten betrachten, muss diese Überzeugung zunehmend infrage gestellt werden.

Wirtschaftsforum: Wird die Messe in der realen Welt dann irgendwann verschwinden, wenn Akzeptanz und technische Leistungsfähigkeit einmal hinreichend groß sind?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Wir sollten diese Frage gar nicht als Entweder-Oder-Problem betrachten. Unsere aktuelle Erfahrung zeigt, dass es nach der Pandemie weder eine Rückkehr zu reinen Präsenzveranstaltungen noch eine alleinige Fokussierung auf digitale Events geben wird. Stattdessen werden die Möglichkeiten der Begegnung und Erfahrung vor Ort mit der Flexibilität der zeitlichen und örtlichen Unabhängigkeit des digitalen Raums kombinieren. Es geht also nicht um eine vollständige Ablösung der physischen Welt durch die virtuelle, sondern um die sinnvolle Ergänzung mit neuen digitalen Möglichkeiten, mit denen man individuell auf die konkreten Bedürfnisse der Kunden und Partner eingehen kann.

Wirtschaftsforum: Wie ausgereift ist überhaupt die Technologie, um die Erfahrung einer virtuellen Messe so angenehm und nahtlos wie möglich zu gestalten?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Der rasante technische Fortschritt ist der maßgebliche Grund, aus dem ich meine eingangs erwähnte Grundüberzeugung revidiert habe und für die Zukunft enormes Potential für das multisensorische Erleben im digitalen Raum sehe. Nehmen wir Microsoft Teams als Beispiel – damit dürfte in den Pandemie-Jahren schließlich jeder Erfahrung gesammelt haben. Vor drei Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich bei einem Videotelefonat so viel von der Mimik und der nonverbalen Ebene meines Gesprächspartners mitbekommen könnte, wie das heute tatsächlich der Fall ist. Schon früh in der Coronapandemie ist mir jedoch klar geworden, dass MS Teams eine fundamentale Verbesserung im Vergleich zu manchen Präsenz-Meetings darstellt, in denen nicht selten die Hälfte der Teilnehmer einen schlechten Blick auf das Whiteboard hat und alle handschriftliche Notizen in ihren jeweiligen Besprechungsunterlagen anfertigen, anstatt in Echtzeit auf ein zentrales Dokument zugreifen zu können.

Wirtschaftsforum: Andere technische Revolutionen – etwa Oculus Rift oder das Google Glass – haben die hohen Erwartungen hingegen nicht erfüllen können. Wieso sollte es bei digitalen Messen anders sein?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Der technische Fortschritt läuft nicht linear ab. Gerade das Thema Virtual Reality ist hier ein gutes Beispiel: Als die ersten bekannteren VR-Brillen auf den Markt kamen, mussten sie mit einem leistungsstarken PC verbunden werden und der Nutzer war in der ersten halben Stunde mit der Kalibrierung des Geräts beschäftigt. Da bleibt verständlicherweise nur das enthusiastischste Publikum am Ball. Die neue Generation dieser Brillen verfügt hingegen über ein eigenes Betriebssystem, und der Nutzer kann direkt loslegen und seine virtuelle Welt erkunden, ohne lange Vorarbeit leisten zu müssen. Das wird einen großen Unterschied bei der Breitenwirkung bedeuten.

Wirtschaftsforum: Die nächste große Revolution haben Sie bereits ausgemacht: das Metaverse.

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Schon heute kann sich der Kunde nicht nur zweidimensional auf einer Website, sondern im dreidimensionalen Raum mit einem Brand beschäftigen, und zwar sowohl im Rahmen der individuellen Betrachtung des Produktes als auch im zwischenmenschlichen Austausch. Ich halte es für essentiell, dass sich Unternehmen bereits jetzt mit dem Corporate Metaverse beschäftigen, um ihre Produkte, ihre Kultur und ihre Menschen auch in Zukunft effizient präsentieren zu können. Dabei gibt uns diese Entwicklung die Möglichkeit, uns auch ein Stück weit von den Beschränkungen der physischen Welt zu befreien. So müssen wir zum Beispiel bei Messeständen nicht mehr in begrenzten Grundflächen denken; denn „Fläche & Raum“ sind in einer immersiven Welt unbegrenzt verfügbar. Diese Erkenntnis macht den Weg frei für eine ganz neue kreative Unbeschwertheit. Unternehmen, die das bereits erkannt haben, werden entscheidende Wettbewerbsvorteile genießen; und wer in fünf Jahren keine eigene Corporate Metaverse Lösung anbietet, wird dastehen wie ein Unternehmen ganz ohne Webpräsenz heute.

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