Vom alternativen Viertel zur begehrten Wohnlage
Der Berliner Stadtteil Kreuzberg galt lange als das Symbol des unkonventionellen Berlins. Praktisch der alternative Kiez. In den 1970er- und 1980er-Jahren war es Heimat für Studenten, Künstler und auch Migranten. Es war geprägt von Hausbesetzungen und alternativen Wohnprojekten. Heute ist das Quartier, kaum zu glauben, eine der begehrtesten Wohnlagen Berlins. Luxussanierungen von Altbauten, exklusive Penthouses und steigende Mieten haben das Gesicht des Viertels verändert. Die steigenden Mieten sind vor allem den Altbewohnern ein Dorn im Auge. Denn sie leiden unter den schon sehr krassen Preisanstiegen.
Doch wie kam es dazu? Ein zentraler Treiber war die Nähe zum Zentrum und die Attraktivität für Investoren. Projekte wie die Entwicklung der Mediaspree, bei der Bürokomplexe und hochpreisige Wohnanlagen am Spreeufer entstanden, verstärkten die Dynamik zusätzlich. Während Unternehmen und Wohlhabende die neue Lebensqualität schätzen, fühlen sich viele alteingesessene Bewohner verdrängt.
Laut einer Studie des Instituts für Stadtforschung und Wohnungswirtschaft sind die Mietpreise in Kreuzberg zwischen 2010 und 2022 um über 150 Prozent gestiegen. Während man 2010 noch durchschnittlich 6,50 Euro pro Quadratmeter zahlte, liegt der Preis Stand heute bei rund 18 Euro. Demnach wären es mit den aktuellen Werten sogar ein Anstieg von unglaublichen 177 Prozent. Der Berliner Mietspiegel zeigt jedoch, dass nicht nur Kreuzberg zu den teuersten Wohnlagen der Hauptstadt gehört. Generell hat sich nämlich das Gesamtniveau weit oben eingependelt. Diese rasante Entwicklung hat nicht nur die Zusammensetzung der Bewohnerschaft verändert, sondern auch zur Verdrängung einkommensschwacher Haushalte geführt. Selbst in Karlshorst, wo der Quadratmeterpreis im Jahr 2021 durchschnittlich noch 9,99 Euro betrug, beträgt dieser nun stolze 16,72 Euro. Ein Anstieg von 67,37 Prozent innerhalb von drei Jahren.
Stadtteil | €/m² 2021 | €/m² 2022 | €/m² 2023 | €/m² 2024 |
Mitte | 16,52 € | 17,61 € | 20,55 € | 21,91 € |
Charlottenburg | 13,38 € | 15,17 € | 18,49 € | 20,04 € |
Friedrichshain | 13,61 € | 14,00 € | 18,00 € | 18,86 € |
Moabit | 12,22 € | 14,16 € | 17,66 € | 18,44 € |
Kreuzberg | 12,46 € | 14,25 € | 17,66 € | 18,09 € |
Karlshorst | 9,99 € | 11,81 € | 14,56 € | 16,72 € |
Problembezirk Neukölln nun Hotspot für Investoren
Noch vor 20 Jahren galt Neukölln als sozialer Brennpunkt, der mit hoher Arbeitslosigkeit und sozialen Problemen kämpfte. Doch genau diese niedrigen Mieten machten den Stadtteil für junge Kreative und Start-ups interessant. Bars, Cafés und Galerien schossen aus dem Boden, und Neukölln avancierte zum Trendviertel.
• Bevölkerungswachstum: Neukölln hat seit 2000 fast 100.000 neue Einwohner dazu gewonnen. Es zeigt also einen deutlichen Anstieg, der den Immobilienmarkt sowie aber auch die soziale Struktur verändert hat.
• Hotspot für Start-ups: Der Bezirk in Berlin ist heute ein Zentrum für Start-ups, besonders in den Bereichen Technologie, Design und Kultur. Über 500 Start-ups haben sich mittlerweile allein in Neukölln angesiedelt.
• Kunst- und Kulturszene: Die Zahl der Galerien und kulturellen Einrichtungen stieg von 50 im Jahr 2005 auf mehr als 150 im Jahr 2020.
• Kreative Migrantenkultur: Neukölln hat sich zu einem der kulturell vielfältigsten Bezirke Berlins entwickelt und in dieser Hinsicht auch deutschlandweit dafür bekannt. Heute leben hier Menschen aus über 150 verschiedenen Ländern.
• Investorenströme: Großinvestoren kaufen zunehmend Mietshäuser, um sie zu modernisieren und als Eigentumswohnungen zu verkaufen. In den letzten fünf Jahren stieg der Anteil der Eigentumswohnungen an den Neubauten im Bezirk um 30%. Dies bliebt jedoch nicht ohne Folgen.
Die Kehrseite dieses Wandels zeigt sich nämlich heute in explodierenden Mieten. Besonders entlang des Reuterkiezes und der Weserstraße haben sich die Mietpreise innerhalb eines Jahrzehnts verdoppelt. Investoren setzen auf Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen, während langjährige Bewohner mit Verdrängung kämpfen.
Berlin-Wedding die nächste Luxusoase?
Lange wurde Wedding als das letzte unberührte Stück „authentisches Berlin“ gefeiert. Ein Ort, an dem das quirlige Leben der unterschiedlichsten Kulturen, Traditionen und sozialen Schichten aufeinandertreffen konnte. Inmitten von Altbauten, kleinen Ecken und unauffälligen Bars, in denen das Echo der Vergangenheit noch zu hören war, lebte ein einzigartiger Charme, der immer mehr Menschen anzog. Doch die Zeiten ändern sich.
In den letzten Jahren hat sich der Stadtteil stark gewandelt. Nicht unbedingt von heute auf morgen, aber doch stetig. Die ersten Luxusbauprojekte wie das „Berlin Decks“, ein modernes Büro- und Wohnquartier direkt an der Panke, sind längst mehr als nur ein symbolischer Auftakt für die Veränderung. Man spürt es in der Luft, die Sanierungen von Altbauten nehmen zu, neue Cafés und Boutiquen öffnen ihre Türen.
Trotz der offensichtlichen Veränderungen ist Wedding noch nicht das, was man als „gentrifiziert“ bezeichnet. Zumindest nicht im Vergleich zu den hippen Vierteln wie Kreuzberg oder Neukölln, die in den letzten Jahren den Ruf als „Neue Mitte Berlins“ erlangt haben. Zum Glück. Hier in Wedding kann man immer noch günstig wohnen. Die Frage ist jedoch, wie lange noch. Denn auch hier sind die Mieten über die letzten Jahren merklich gestiegen.
Doch was passiert, wenn der Charakter eines Stadtteils plötzlich ins Rampenlicht gerät und die Nachfrage steigt? Wird Wedding, wie so viele andere Berliner Kieze vor ihm, zu einem luxuriösen Viertel, in dem sich nur noch die Wohlhabenden eine Wohnung leisten können? Oder wird der Kiez in seiner ursprünglichen Form überleben – ein Ort, der für seine Vielfalt und Authentizität bekannt bleibt? Viele fragen sich, ob der Bezirk aus den Fehlern der anderen Viertel lernen kann oder ob er denselben Entwicklungspfad einschlägt.
Es gibt in Berlin viele Stimmen, die hoffen, dass Wedding nicht die gleiche „Verdrängung“ erleben muss, die in den benachbarten Bezirken zu beobachten war. Doch die Tatsache, dass Investoren und Bauträger bereits die Weichen für eine Neubebauung stellen, zeigt, dass der Stadtteil längst in den Fokus geraten ist.
Bauvorhaben und die Gefahr der sozialen Spaltung
Großprojekte wie die Mediaspree haben die Stadt nachhaltig verändert. Während Unternehmen wie Zalando, Universal Music oder Mercedes-Benz hier ihre Büroflächen bezogen haben, wuchsen parallel luxuriöse Wohnanlagen wie das „Living Levels“.
Bei den „Living Levels“ handelt es sich um ein bekanntes und äußerst exklusives Wohnhochhaus in Friedrichshain, welches direkt an der Spree liegt und einen unvergleichlichen Panoramablick über die Stadt gibt. Es steht für moderne Architektur und wurde 2015 final fertiggestellt.
Diese ganzen Entwicklungen ziehen natürlich internationale Investoren an und treiben dabei auch die Preise in umliegenden Vierteln in die Höhe. In diesem Kontext eröffnen sich immer wieder neue und spannende Objekte mit Perspektive, die das urbane Leben von morgen prägen könnten. Wenn da nicht der große Nachteil der Preissteigerung wäre. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich auch beim Neubauprojekt „Europacity“ am Hauptbahnhof oder der geplanten „Siemensstadt 2.0“. Solche Prestigeprojekte fördern wirtschaftliches Wachstum, bergen aber wie gesagt auch das Risiko einer sozialräumlichen Entmischung.
Als Außenstehender fragt man sich: „Wie erleben die Menschen, die seit Jahrzehnten in diesen Kiezen wohnen, den Wandel?“ Viele Berliner berichten von Unsicherheiten. Kündigungen wegen Eigenbedarfs, drastische Mietsteigerungen oder der schleichende Verlust des nachbarschaftlichen Charakters, spielen dabei eine große Rolle. Gleichzeitig entstehen Protestbewegungen und Initiativen, die sich für Mietendeckel und Erhaltungssatzungen einsetzen. Doch ist die Entwicklung wirklich aufzuhalten? Oder handelt es sich um einen natürlichen Prozess urbaner Veränderung? Die Antworten auf diese Fragen sind vielschichtig und hängen nicht zuletzt von der politischen Weichenstellung der kommenden Jahre ab.