B2B-Vertrieb durch die Nutzung von Kundendaten

Vorangetrieben wird dieser Wandel primär durch den zunehmenden Trend von B2B2C-Modellen sowie digitalen Sales Channels wie Apps oder Shops, die neue Anforderungen an Vertriebsorganisationen und -prozesse stellen.

So dienen heute immer häufiger datenbasierte, personalisierte und automatisierte CRM-Ansätze dazu, die verschiedenen Kundentypen und -rollen zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Inhalt und Kanal proaktiv zu betreuen – und dabei nicht nur Außendienstorganisationen zu entlasten, sondern das individuelle Kundenpotenzial ressourcenschonend zu realisieren.

1. Die Customer Journey als Big Picture

Die Grundvoraussetzung für diese datenbasierten CRM-Ansätze bildet das sog. Customer-Journey-Modell: Dabei werden für die verschiedenen Anspruchsgruppen, z. B. Leads oder Bestandskunden, Entscheider oder Nutzer, jeweils individuelle Pfade vom Kunden zum Unternehmen konzipiert, die von der Informationssuche über das Engagement, die Conversion bis zur Bindung und Empfehlung alle Owned- und Paid-Kontaktpunkte abdecken. Das Customer-Journey-Mapping beantwortet dabei in erster Linie die Frage, an welchen Kontaktpunkten ein Unternehmen grundsätzlich präsent sein muss und welche davon den größten Einfluss auf seine Zielsetzung haben.

Auf dieser Basis wird anschließend die Bedeutung des jeweiligen Kontaktpunktes innerhalb der Customer Journey für die Zielgruppe beschrieben. So nehmen Suchmaschinen, App Stores, Empfehlungsplattformen, Social-Media-Angebote, die Homepage, der POS oder Kundenbindungsprogramme unterschiedliche Rollen für die verschiedenen Zielgruppen und deren Bedarfe ein. Während manche Kontaktpunkte primär bei der Bekanntheit und Informationsbeschaffung relevant sind, haben andere für Engagement und Vergleich oder die Conversion eine höhere Bedeutung. Diese unterschiedlichen Rollen stellen dann die Voraussetzungen für die richtigen Inhalte und Formate des Unternehmens an den jeweiligen Kontaktpunkten dar.

2. Sammeln von Kundendaten

Um vom Modell der Customer Journey auch im Sinne der Transparenz über das Kundenverhalten profitieren zu können, ist das konsequente und gezielte Sammeln von relevanten First- und Second-Party-Daten an allen Kontaktpunkten obligatorisch. Dabei sind Stammdaten (Name, Unternehmen, Rolle), Kontaktdaten (Permission, Postadresse, E-Mail-Adresse, Telefonnummer etc.), Kommunikationsdaten (Öffnungen, Klicks, Shares etc.) und Kundenzufriedenheitsdaten unmittelbar für den Vertrieb relevante Informationen. So können Datenattribute wie Branche, Unternehmensgröße, Rolle und Interessen die Grundlage für personalisierte Inhalte zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Kontaktpunkt sein.

Ein besonders effektives Instrument, um kontaktpunktübergreifend Kundendaten zu generieren und damit Transparenz über Kunden und deren Potenziale zu erhalten, sind B2B-Kundenbindungsprogramme wie z. B. der Hans Grohe iClub oder der WELLA Circle of Excellence (COE). Diese Programme bieten ihren Mitgliedern Mehrwerte als Gegenleistung für deren Identifizierung und Engagement (Registrierung, Log-In, Käufe etc.) und dienen gleichzeitig als Basis, um diese personalisiert betreuen zu können.

Aber auch ohne dezidierte Kundenbindungsprogramme können Kundendaten gezielt gesammelt werden, wobei sich in diesem Fall hauptsächlich die Owned Medien anbieten, d. h. Kontaktpunkte und Tools, die im unmittelbaren Einflussbereich der Unternehmen sind. Auf der Homepage können digitale Services wie Kundenkonten, Konfiguratoren oder andere Inhalte, die personalisiert einen Mehrwert versprechen, die Zielgruppen zu Log-In, Registrierung, Permission und damit zur Abgabe von Daten bewegen. Des Weiteren kann das Callcenter zum einen gezielt E-Mail-Permissions und Stammdaten (Leads) sowie weiterführende Informationen (Bestandskunden) abfragen und zum anderen bestehende Daten kontinuierlich auf ihre Aktualität prüfen.

3. Setzen von Datenpunkten

Nach der Konzeption der Customer Journey und dem Identifizieren von Zielgruppen an den Kontaktpunkten ist in einem nächsten Schritt das Setzen von sog. Datenpunkten entscheidend. Diese Datenpunkte können beispielsweise Log-Ins (explizit), digitale Services (explizit) oder auch Cookies (implizit) sein und stellen Trigger für das Ausspielen des vermeintlich richtigen Contents dar, z. B. erstmalige Kunden-Log-Ins für die Vorstellung von Marke und Produktsortiment oder Fahrzeugkonfiguratoren für die Zusendung von Broschüren.

4. Contentplanung, -produktion und Kampagnenmanagement

Hat man die Customer Journey mit den verschiedenen Kontaktpunkten und deren zielgruppenspezifischen Rollen identifiziert und ist nun in der Lage, Zielgruppen dezidiert anzusprechen, muss relevanter Content entwickelt, bereitgestellt und – nach Abgabe einer DSGVO-gerechten Marketing-Einverständniserklärung durch den Kunden – mittels Kampagnenautomatisierung als Bewegtbild, Katalog, Produktblatt o. Ä. für z. B. dynamische Webinhalte, Display-Ads, SEA, E-Mails und ggf. auch Telefon ausgespielt werden.

Dabei ist es angesichts der heterogenen Zielgruppenanforderungen notwendig, alle Kontakt- und Kommunikationskanäle wie Onsite (Homepage), Anruf (Callcenter) oder Print-, E-Mail- und Messengerkommunikation zu nutzen. Aufgrund der Komplexität dieser Multichannel-Orchestrierung ist es sinnvoll, sich initial auf die wichtigsten Personas und Punkte der Customer Journey zu konzentrieren und die fehlenden Inhalte sukzessive zu ergänzen.

5. Customer Experience

Damit der vermeintlich richtige Inhalt an der richtigen Stelle mittelfristig zu mehr Absatz führen kann, muss eine hohe Usability sichergestellt werden. Dafür sollte es dem B2B-Kunden so einfach wie möglich gemacht werden, sein Anliegen und seinen Bedarf beim Unternehmen zu adressieren. Bei diesem sog. Customer-Experience-Management sind für die Vertriebsperformance v. a. die Facetten der User Experience, der datenbasierten Integration aller Kontaktpunkte und der Personalisierung besonders wichtig.

Die User Experience setzt sich zum Ziel, den Kunden schnell und hürdenfrei mittels einer Reduktion von Klickpfaden und über zentrale Log-Ins (Single Sign-On) zum gewünschten Ziel zu leiten. Dies stellt gerade im B2B-Bereich bei heterogenen Zielgruppenanforderungen und komplexen Sortimenten häufig eine Herausforderung dar. Vor diesem Hintergrund gewinnen Chatbots kontinuierlich an Relevanz: Diese von künstlicher Intelligenz unterstützten Applikationen ermöglichen es Unternehmen, über einen automatisierten Chat und die Suchbegriffe Ihrer Kunden diesen schnell und kompetent Auskunft zu geben. In den wenigen Fällen, in denen ein gut gefütterter Bot keine direkte Auskunft erteilen kann, wird der Kunde dann in ein Servicecenter an einen menschlichen Experten weitergeleitet.

Die Idee der automatisierten, personalisierten Betreuung muss sich gerade im B2B-Bereich aufgrund der höheren Komplexität, abseits von Technologien wie Bots, durch alle Kontaktpunkte und Prozesse ziehen. Um dies in der Umsetzung sicherzustellen, sollten auf der einen Seite entsprechende Tools wie Kundendatenbanken, Kampagnenmanagement und Data Intelligence nahtlos ineinandergreifen und auf der anderen Seite sämtliche Kommunikations- und Servicemaßnahmen durch A/B-Testings kontinuierlich optimiert werden.

6. Insights Management & Reporting

Transparenz über Kundeninteraktionen und -potenziale ist neben einer optimierten Vertriebsperformance ein zentraler Mehrwert einer kundendatenbasierten Vertriebssteuerung. Insofern ist ein wichtiger Punkt bei der erfolgreichen Umsetzung der Bereich von Insights Management und Reporting. Dabei werden auf Basis der zentral generierten Kundendaten für die verschiedenen internen Anspruchsgruppen die jeweils für sie relevante Kennzahlen aufbereitet, interpretiert, durch Deep-Dive-Analysen erweitert und so Insights und Handlungsempfehlungen verständlich dargestellt.

So können in allen Bereichen schnell Uplifts und Erfolge gefeiert werden, was motivierend für die gesamte Vertriebsorganisation wirkt und damit ein entscheidender Hebel für eine erfolgreiche Transformation ist.

7. Die Umsetzung

Philip Morris ist ein Tabakkonzern, der im Zuge der Einführung seiner Produktkategorie IQOS rauchfreie Produkte vermarktet und sein Geschäftsmodell von einem reinen B2B zu einem Direct-To-Consumer-Geschäft ausgeweitet hat. Vor diesem Hintergrund haben alle oben aufgeführten Bestandteile des Customer-Journey-Modells – das heißt neue Kontaktpunkte (insbesondere im Bereich der Owned Channel), die Generierung von Kundendaten, die Personalisierung der Kommunikation und das permanente Optimieren der Customer Experience auf Datenbasis – in die gesamte Organisation Einzug gehalten.

Auch der B2B-Vertriebsbereich von Philip Morris bedient sich dieser Instrumente: Während in der Vergangenheit die Beziehungen zu Fachgeschäften, Tankstellen und anderen Kundensegmenten überwiegend durch Key-Account-Management und eine große Fieldforce gepflegt wurden, werden inzwischen auch die B2B-Kunden datenbasiert und automatisiert betreut.

So hat der Bereich Digital Trade Engagement bereits vor Jahren ein neues Projekt und eine entsprechende Plattform ins Leben gerufen, um noch mehr Nähe zum B2B-Kunden herzustellen und dabei gleichzeitig den Aufwand beim Außendienst zu reduzieren: „Die B2B-Plattform OPEN bildet die Grundlage und ist der tägliche Begleiter des Händlers. Die Plattform stellt alle relevanten Informationen für den Händler benutzerfreundlich dar und bietet ihm einen echten Mehrwert“, beschreibt Stefan Lienkamp, Manager Trade Engagement von Philip Morris, das zentrale Ziel der Plattform.

Nach der Registrierung bietet OPEN für den B2B-Kunden kuratierte und personalisierte Inhalte, welche Promotions, Gamification und Trainings umfassen sowie das komplette Vertriebs-Portfolio, um die noch immer junge Produktkategorie IQOS an allen indirekten Vertriebsstätten bestmöglich vermarkten zu können.

Zur Personalisierung mit dem Ziel, jeweils den richtigen Content zum richtigen Zeitpunkt dem richtigen Kunden auszuspielen, wird auf Kundendaten in Verbindung mit einer Kundensegmentierung sowie einem Customer-Lifecycle-Modell zurückgegriffen. Dieses Modell bewertet das Interaktions- und Transaktionsverhalten der Kunden mit einem Score und teilt den Kunden auf dieser Basis entsprechende Kampagnen zu, welche per CRM-Tool über Print-Mailings, E-Mails und dynamische Inhalte auf OPEN ausgespielt werden.

Um hier tatsächlich dem Kunden den individuell richtigen Mix aus Frequenz, Kanal und Inhalten anbieten zu können, müssen sowohl geeignete Kundendaten erfasst als auch mithilfe von Data Science interpretiert und verstanden werden: „Ein zentraler Schritt für uns war, eine hohe Transparenz über unser operatives Vertriebsgeschäft zu erhalten und gemeinsam mit dem Außendienst, mit dem wir regelmäßig bei Workshops zusammensitzen, die entsprechenden Schlüsse zur kontinuierlichen Optimierung unseres Programms zu ziehen. So können wir regelmäßig spannende Insights identifizieren, die nicht nur das Programm und unsere Vertriebsperformance voranbringen, sondern auch für alle sehr motivierend sind“, erklärt Philip-Morris-Manager Stefan Lienkamp.

So hat das DTE-Team diese Insights u. a. dazu genutzt, um auf dem Kundenportal OPEN Anfang 2023 mit einem Relaunch eine messbar bessere User Experience zu schaffen.

André Lutz ist Chief Executive Officer von DEFACTO BE/ONE, Full-Thinking-Agentur, die für Customer Activation und datenbasierte und messbare B2C- und B2B-Kundenerlebnisse an jedem Kontaktpunkt steht.

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