Finanzwelt erklärt: Kapitalquellen für Unternehmen: Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Teil 12: Kapitalquellen für Unternehmen: Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, als Privatkunde werde ich momentan von Kreditangeboten zu günstigen Konditionen durch Banken und Finanzdienstleister fast schon erschlagen. Inwiefern profitieren auch Unternehmen von diesem „kreditfreundlichen Klima“?

Benjamin Mudlack: Abgesehen von Kleinkrediten für Gründer haben es Unternehmen ohne entsprechende Sicherheiten sehr schwer bei den Banken beziehungsweise eigentlich keine Aussicht auf Fremdmittel. Das trifft auf Unternehmen, die sich einige Jahre am Markt befinden, gleichermaßen zu wie auf junge Gründer. Die Banken haben durch die neuen Kreditrichtlinien keine Möglichkeiten. Es hilft also nicht, die Banken als Sündenbock auszurufen. Ihnen fehlt schlicht die Handhabe, um größere Risiken eingehen zu können.

Wir haben jedoch einen entscheidenden Vorteil durch das niedrige Zinsniveau. Es besteht Anlagenotstand. Viele Privatanleger und Investoren suchen Möglichkeiten ihre liquiden Mittel gewinnbringend anzulegen und sind auch bereit, gewisse Risiken mitzugehen. Um diese Gruppe von Investoren zu begeistern, ist von den Unternehmern Kreativität gefragt. Ansonsten bleiben viele Unternehmen und Ideen schon in der Frühphase auf der Strecke.

Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker
„Viele Privatanleger und Investoren suchen Möglichkeiten ihre liquiden Mittel gewinnbringend anzulegen und sind auch bereit, gewisse Risiken mitzugehen.“ Benjamin Mudlack

Wirtschaftsforum: Jetzt haben Unternehmen aber Kapitalbedarf, um Investitionen nicht zuletzt in die eigene Zukunftsfähigkeit zu tätigen. Woher frisches Geld nehmen, wenn nicht stehlen?

Benjamin Mudlack: Crowdfunding/Schwarmfinanzierung ist ein interessantes Thema und auch mittlerweile recht salonfähig geworden. Unternehmen/Start-ups können auf die Expertise und das Netzwerk eines Dienstleisters zurückgreifen. Dieser sorgt für Rechtssicherheit, Anlegerschutz, Medienwirksamkeit und die Platzierung. Die jeweiligen Unternehmer können beispielsweise wählen zwischen Partiarischen Nachrangdarlehen mit Gewinnbeteiligung für den Kapitalgeber oder einem endfälligen Darlehen mit einer jährlichen Verzinsung im hohen einstelligen Prozentbereich und einer festen Laufzeit.

Einige Crowdfunding-Plattformen bieten auch Modelle mit Unternehmensbeteiligung an. Der Anleger erhält in diesem Fall gegen die Zahlung seiner Zeichnungssumme Gesellschaftsanteile des zu finanzierenden Unternehmens.

Sobald die Finanzierungs- oder Beteiligungskonzeption gewählt ist, startet der Dienstleister Kampagnen über seine Distributionskanäle (soziale Medien, Direktansprache der Investoren und andere), um Investoren von dem Projekt/Unternehmen zu überzeugen. Auch eine Vielzahl von Filmprojekten wurde mittels Crowdfunding kapitalisiert. Die Crowdfunding-Plattformen und -dienstleister sind reguliert durch das Kleinanlegerschutzgesetz, welches im Jahr 2015 erlassen wurde. Dennoch sind die Risiken enorm. Sie bewegen sich logischerweise im Bereich der unternehmerischen Beteiligung und dürfen nicht vernachlässigt werden. Crowdfunding ist eher für kleine- und mittelgroße Projektfinanzierungen geeignet.

Bei höherem Kapitalbedarf, kommen die Unternehmen an großen Risikokapitalgebern (Venture Capital) oder Kapitalsammelstellen nicht vorbei. Der Branche der sogenannten Private-Equity-Gesellschaften (PEG) eilt allerdings ein fragwürdiger Ruf als Heuschrecken voraus. Der jeweilige Gründer/Unternehmer begibt sich unter Umständen in eine Abhängigkeitssituation und sollte wissen, auf wen er sich einlässt. Um diese großen Spieler zu begeistern, ist eine überzeugende Equity Story und ein ausgereifter Businessplan inklusive lukrativer/realistischer Exit-Szenarien (Börsengang oder ähnliches) für den Kapitalgeber erforderlich. Auch sogenannte Family Offices (Vermögensverwalter großer Unternehmerfamilien) betätigen sich in diesem lukrativen/dynamischen Geschäftsfeld.

Natürlich kann man auch private Investoren auf diese Weise direkt ansprechen. Dann benötigt man jedoch ein recht aufwändiges und teures Wertpapierprospekt und eine Genehmigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Vertriebskosten sind für diese Form der Kapitaleinwerbung enorm und eine Platzierungs-/Erfolgsgarantie wird dem Unternehmer niemand aussprechen.

Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker
„Crowdfunding/Schwarmfinanzierung ist ein interessantes Thema und auch mittlerweile recht salonfähig geworden.“ Benjamin Mudlack

Wirtschaftsforum: Ausländische Investoren haben ein ausgesprochen großes Interesse daran im deutschen Mittelstand einzusteigen. Öffnen Unternehmen damit die Geldkassette der Pandora?

Benjamin Mudlack: Ähnlich wie zum Thema Private Equity ausgeführt, sollte man wissen mit wem man sich zu welchen Bedingungen und mit welchen Absichten/Interessen einlässt. Gibt man zu viele Gesellschaftsanteile ab, verliert man den Einfluss im eigenen Unternehmen. Allgemein gesprochen müssen wir bei ausländischen Investoren aufpassen nicht zu viel Know-how zu transferieren. Mit den Unternehmen verlieren wir zum Beispiel gut ausgebildete Ingenieure und Spezialisten in dem jeweiligen Bereich. Deutschland ist nach wie vor das Land der Ideen. Diesen Vorteil müssen wir für unser Land nutzen und gezielt staatlich fördern. Die Welt befindet durch die Digitalisierung und Industrie 4.0 im Wandel und daraus ergeben sich enorme Chancen. Ich hoffe sehr auf eine sinnvolle Politik in diese Richtung.

Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker
Scheitert ein junger Unternehmer, so verpasst man ihm einen Stempel des Makels, anstatt ihn für den Mut zum Unternehmertum zu loben. Wir brauchen Gründer mit Leidenschaft für ihre Geschäftsidee und dem Mut zum Scheitern. Benjamin Mudlack

Viele junge Gründer aus dem Technologiesektor wandern auf der Suche nach Investoren und besseren Bedingungen in die USA beziehungsweise das Silicon Valley in Kalifornien aus. Solche Entwicklungen stimmen mich nachdenklich.

Es wäre absolut wünschenswert ohne ausländische Investoren auszukommen. Dazu brauchen wir ein deutsches Silicon Valley, sinnvolle staatliche Förderprogramme und auch eine andere Kultur des Scheiterns. Scheitert ein junger Unternehmer, so verpasst man ihm einen Stempel des Makels, anstatt ihn für den Mut zum Unternehmertum zu loben. Wir brauchen Gründer mit Leidenschaft für ihre Geschäftsidee und dem Mut zum Scheitern.

Lesen Sie den 13. Teil unseres Expertenwissens "Finanzwelt erklärt":
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