Finanzwelt erklärt: Der Immobiliensektor mit all seinen Risiken ist heiß gelaufen

Teil 10: Der Immobiliensektor mit all seinen Risiken ist heiß gelaufen
Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, ich möchte als Privatperson ein solides, zukunftsfähiges Investment tätigen und gleichzeitig meiner Familie ein Zuhause geben. Da treffe ich mit Immobilien doch die richtige Wahl?
Benjamin Mudlack: Diese Frage kann mit nicht pauschal beantworten. Ein Eigenheim ist eine Frage der Lebensausrichtung, des Wohlfühlcharakters und der Lebensqualität sowie Lebensphilosophie im Allgemeinen. Die wirtschaftliche Komponente ist da sekundär für die meisten Menschen.

„Viele Menschen bauen sich eine Art Denkmal und verschulden sich über Gebühr.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Der ehemalige österreichische Investmentbanker Gerald Hörhan bezeichnet „das Eigenheim in der Pampa, für das man ein Leben lang buckelt und es abzahlt“, gern als einen großen Finanzirrtum. Für mich liegt die Wahrheit in der Mitte. Viele Menschen bauen sich eine Art Denkmal und verschulden sich über Gebühr, sodass sie aufgrund eines hohen Kapitaldienstes weder für die Zeit des Ruhestandes vorsorgen, noch ansonsten das Leben genießen können. Die monatliche Gesamtbelastung für Zins und Tilgung müssen in einem vertretbaren Verhältnis zum Nettoeinkommen stehen. Es sollte noch genug übrig sein, um beispielsweise mit monatlichen Aktiensparplänen Vermögen strukturiert aufzubauen. Der durchschnittliche Eigenheimbesitzer in Deutschland ist oft übergewichtet im Immobilienvermögen und hat sein Vermögen nicht ausgewogen diversifiziert. Durch das niedrige Zinsniveau und fehlende Anlagealternativen sind die Immobilienpreise schon ziemlich weit nach oben gelaufen.

„Kaufe oder baue ich als Familienvater heute auf dem Niveau ein Haus, dann muss ich im Falle eines Wiederverkaufs einen Preisverfall von bis zu 30% einkalkulieren und verkraften können.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Als überzeugter Antizykliker sehe ich den Immobilienmarkt eher im oberen Bereich der Range. Wir haben eindeutig einen überkauften Markt. Auch die Preise von Bauunternehmen und Handwerkern haben sich durch die gestiegene Nachfrage entsprechend nach oben entwickelt. Kaufe oder baue ich als Familienvater heute auf dem Niveau ein Haus, dann muss ich im Falle eines Wiederverkaufs einen Preisverfall von bis zu 30% einkalkulieren und verkraften können. Vergessen Sie auch die Altersminderung und Instandhaltungskosten nicht. Immobiliengutachter schreiben gesetzlich vorgegeben 2% linear vom reinen Bauwert pro Nutzungsjahr ab.
Wenn die Verhältnismäßigkeiten, der Einkaufspreis und auch die Lage stimmen, dann bin ich absolut bei Ihnen und sehe eine Immobilie als einen guten Baustein in der Asset Allocation. Aber die genannten Faktoren müssen zwingend mit einbezogen werden, wenn man seriös und kaufmännisch vorsichtig kalkulieren möchte.
Wirtschaftsforum: Experten warnen vor einem überhitzten Markt und einer drohenden Immobilienblase. Bisher war allerdings kein Knall zu hören – viel Lärm um Nichts?
Benjamin Mudlack: So lange weiter in dem Maße Immobilien gekauft werden und die Notenbankpolitik nicht verändert wird, können die Preise nicht fallen. Das immense Geldvermögen muss irgendwo investiert werden und fließt dann folglich auch weiter in die Immobilienmärkte. Aber die Risiken sind eindeutig vorhanden und deuten in einigen Teilen der Republik auf eine Blasenbildung hin. Bundesweit von einer Spekulationsblase zu sprechen, halte ich für verfehlt. Man kann eher von einer Übertreibung oder einem Verkäufermarkt sprechen.
Letzte Woche haben wir uns unter anderem über Chinas Kredit- und Immobilienblase unterhalten. Dort haben die Leerstände im Immobilienbereich bereits ein alarmierendes Niveau erreicht. Es liegt über dem Spaniens seinerzeit bevor dort 2008 die Immobilienblase final platzte. Eine Bankenkrise gefolgt vom Immobiliencrash in China wäre ein Beispiel für ein Ereignis, was bei uns zu einem ordentlichen Rückgang der Immobilienpreise führen könnte. Aber auch eine weitere Finanz- und Bankenkrise in Europa zum Beispiel durch eine Schieflage Italiens, ist ein denkbarer Auslöser. Ein nennenswerter Faktor ist die Rendite für vermietete Immobilien. Sie ist aufgrund der Preissteigerungen extrem zurückgegangen. Die Mieten sind nicht gleichermaßen wie die Immobilienpreise gestiegen. Kaufen Sie in meinem 7.000-Seelen Heimatdorf eine neu erbaute Eigentumswohnung und vermieten diese, so erhalten Sie einen jährlichen Mietzins von weit unter 3% bezogen auf das Gesamtinvestment inklusive aller Kosten. Unter 5% Rendite ergibt so ein Deal unter Berücksichtigung der Risiken überhaupt keinen Sinn. Denken Sie an die angesprochene Altersminderung und die Instandhaltungsrücklagen.
Ein Immobilieninvestment ist eine unternehmerische Beteiligung, mit allen Chancen, aber auch allen Risiken. Für mich sind die Chancen auf stark steigende Immobilienpreise derzeit extrem limitiert, daraus ergibt sich ein extrem schlechtes Chance-Risiko-Verhältnis und erhebliches Rückschlagspotenzial. Es ist Vorsicht geboten. Der Immobiliensektor ist ein mit Risiken behafteter heiß gelaufener Markt. Das gilt sowohl für den Kapitalanleger als auch für die angehenden Eigenheimbesitzer.

„Eine Vielzahl von Zwangsversteigerungen wäre bei seriöser und professioneller Beratung vermeidbar.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Wirtschaftsforum: Stichwort: Zwangsversteigerungsmarkt. Wann wird der Traum vom Eigenheim finanziell zum Alptraum und was kann ich dagegen machen?
Benjamin Mudlack: Zum Beispiel wenn man nicht solide kalkuliert und zu teuer gekauft oder gebaut hat und schlichtweg über seine Verhältnisse gelebt hat. Aber auch unverschuldet zum Beispiel durch Scheidungen, Betrug, Krankheit oder Arbeitslosigkeit, kann man in eine derartige Lage geraten. Um den Gesamtschaden für die Betroffenen gering zu halten, ist professionelle Hilfe unabdingbar. Ansonsten wird diese Notsituation schamlos ausgenutzt und der persönliche Totalcrash ist vorprogrammiert. Eine Vielzahl von Zwangsversteigerungen wäre bei seriöser und professioneller Beratung vermeidbar. Jeder Bürger unseres Landes sollte nach einer finanziellen Krise oder einem unternehmerischer Fehlschlag, wie etwa einer gescheiterten Geschäftsidee, weitere faire Chancen bekommen.
Die Aktion Neuanfang aus Nauheim bei Frankfurt am Main leistet auf diesem Gebiet bereits seit vielen Jahren hervorragende Arbeit. Die Zahl der Objekte/Familien, die erfolgreich saniert wurden, ist beachtlich und in der Bundesrepublik in der Art und Weise einmalig. Die betroffenen Familien können zumeist sogar in ihrem Objekt wohnen bleiben und es nach der erfolgreichen Sanierung zurückerwerben. Dieses Beispiel sollte auch im Sinne der Gläubiger Schule machen. Nicht zuletzt die Gläubiger haben ein valides Interesse an einer strukturieren Abwicklung und Sanierung. In Fällen der Zwangsversteigerung ergeben sich natürlich auch super Investmentmöglichkeiten für Investoren. Sie haben die Möglichkeit deutlich unter Verkehrswert zu kaufen und dadurch rentiert ein derartiges Objekt natürlich auch heute im vernünftigen und interessanten Bereich. Wenn man dann einer in Not geratenen Familie hilft, gibt es neben dem attraktiven Mietzins noch eine mindestens genauso hoch zu bewertende emotionale Rendite.
Lesen Sie den elften Teil unseres Expertenwissens "Finanzwelt erklärt":
Die Subprime-Krise 2007: Wie die Welt zum Kartenhaus wurde