Teil 1: Bargeld ist immer ein Stück Freiheit
Viele stehen der Finanzbranche und dem Kapitalmarkt zurückhaltend gegenüber. Beide scheinen Ausdruck einer Parallelwelt zu sein, die von dubiosen Geschäften und Banken in Schieflage dominiert wird. Dabei lohnt es sich für jeden, sich mit Finanzen zu beschäftigen. Dieser Auffassung ist Benjamin Mudlack, der seit 1997 selbst auf dem Kapitalmarkt aktiv ist. Für unsere Rubrik „Expertenwissen“ bezieht er Position zu aktuellen Themen aus der Geldwirtschaft.
Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, wie sehen Sie das eigentlich: Ist Geld Fluch oder Segen?
Benjamin Mudlack: Fluch oder Segen, das ist eine sehr interessante Frage. Ich würde sagen beides. Das „oder“ fällt definitiv weg, wohingegen das „und“ bleibt. Ich glaube, dass wir nach wie vor Geld brauchen. Es erfüllt zahlreiche Funktionen innerhalb des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Aber wenn es falsch eingesetzt und vor allem ungleich verteilt ist, dann ist es definitiv ein Fluch.
„Ich hoffe, dass Bargeld möglichst immer ein zentraler Bestandteil in unserem täglichen Leben bleiben wird.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Wirtschaftsforum: Gehen wir einen Schritt zurück. Wie würden Sie die Entwicklung des Geldes kommentieren? Was ist Geld für uns heute?
Benjamin Mudlack: Geld ist in erster Linie Zahlungsmittel. Wir gehen irgendwohin und bezahlen damit. Dann ist es ein Maßstab oder Recheneinheit. Nehmen wir das Beispiel Gehalt. Ein Abteilungsleiter verdient entsprechend mehr als ein Angestellter. Folglich macht Geld hier auch eine Leistung vergleichbar. Wertaufbewahrung ist auch eine Funktion, egal ob unter dem Kopfkissen oder bei der Bank. Wobei das Kopfkissen nicht so gerne gesehen ist, weil Geld ja in den Umlauf und zur Wertschöpfung beitragen soll. Was für mich auch noch ein wichtiger Aspekt ist, der oft vergessen wird: Geld, also Bargeld, ist immer ein Stück Freiheit. Wenn ich mit der Karte einkaufe, dann weiß das Kreditinstitut über mein Konsumverhalten Bescheid. Bargeld macht uns davon unabhängig.
„Wenn wir Giralgeld bei der Bank unterhalten, dann sind wir als Kunden Gläubiger der Bank und das ist schon wieder ein Problem, welches den meisten Menschen nicht bewusst ist.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Wirtschaftsforum: Wobei mit Karte schon ein weiteres Stichwort gefallen ist? Glauben Sie, dass uns Münzen und Scheine noch lange erhalten bleiben werden?
Benjamin Mudlack: Ich hoffe, dass Bargeld möglichst immer ein zentraler Bestandteil in unserem täglichen Leben bleiben wird. Allerdings ist es durchaus wahrscheinlich, dass es irgendwann abgeschafft wird, weil es große Interessenverbände gibt, die in diesem Schritt einen deutlichen Vorteil sehen. Kreditkarteninstitute könnten womöglich Datensätze anlegen und entsprechend verkaufen. In einer komplett bargeldlosen Welt, werden wir alle abhängig. Denken wir zum Beispiel an Bankguthaben, das wird in Zeiten des Negativzinses immer weniger. Wir dürfen nicht vergessen, Geld ist ja nicht nur Bargeld. Es gibt noch das Giralgeld. Nur hat man davon wenig. Wenn wir Giralgeld bei der Bank unterhalten, dann sind wir als Kunden Gläubiger der Bank und das ist schon wieder ein Problem, welches den meisten Menschen nicht bewusst ist. Das ist eigentlich ein Zahlungsversprechen der Bank und was ein Versprechen wert ist, zeigt sich erst dann, wenn die Bank in Schwierigkeiten gerät.
„Zwar sind Big Data und Negativzinsen eng mit einer Bargeldabschaffung verwoben, jedoch halte ich Banken- und vor allem Staatspleiten für viel gefährlicher.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Wirtschaftsforum: Grundlegende Schwierigkeiten beobachten sie zudem ganz wo anders.
Benjamin Mudlack: Richtig. Zwar sind Big Data und Negativzinsen eng mit einer Bargeldabschaffung verwoben, jedoch halte ich Banken- und vor allem Staatspleiten für viel gefährlicher. Sie vollziehen sich durch eine Krise oft recht unerwartet, man kann sagen "über Nacht“ und können für den Giralgeld-Kunden einer Bank extrem teuer werden. Das wird am Beispiel Zypern 2013 deutlich. Damals wurde die Bank of Cyprus saniert, indem man Bankguthaben, also Giralgeld, über 100.000 EUR in Höhe von 47,5% in Anteilsscheine der Bank umgewandelt hat. Dazu wurde kein Kunde gefragt. Es wurde in dieser Notsituation einfach so entschieden und zur Rettung der Bank umgesetzt. Auch bei der Commerzbank hier bei uns in Deutschland gab es 2008 eine Schieflage, die nur durch die Teilverstaatlichung im Januar 2009 und damit eine Schuldenübernahme (engl. bailout) abgefangen werden konnte. Am Ende haften die Einlagen der Kunden für eine Notsituation der Bank und zusätzlich die Bürger für eine Notsituation des Staates.
Lesen Sie den zweiten Teil unseres Expertenwissens "Finanzwelt erklärt":
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