Finanzwelt erklärt: Am Kassenschalter herrschte jahrzehntelang blindes Vertrauen

Teil 2: Am Kassenschalter herrschte jahrzehntelang blindes Vertrauen
Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, kommen wir auf die Banken zu sprechen. Wie haben die sich Ihrer Meinung nach entwickelt?
Benjamin Mudlack: Im Bankenwesen hat sich eine gewisse Eigendynamik entwickelt, weil bei den Menschen schlichtweg oft Gier und Angst die Richtung vorgeben. Der Grund warum es Banken gibt und sie durchaus sinnvoll sind, ist natürlich, dass sie den Wirtschaftskreislauf mit Geld versorgen, damit Investitionen getätigt werden. Das muss aber reguliert werden zum Beispiel durch den Staat oder bei uns die Bafin. Die Regulierung findet aber nicht so statt, wie sie sein sollte. Ich befürworte eine klare Trennung von Investmentbanken und dem "klassischem Bankgeschäft".
Viele Banken haben damit begonnen, als Investmenthäuser selbst an der Börse aktiv zu werden oder auch wie zur letzten Finanzkrise schwindelige Schrottpapiere mit der Hoffnung auf ordentliche Kursgewinne zu kaufen. Wenn eine Bank dann schlechte Entscheidungen im Investmentbereich trifft und sich das auf die Kreditvergabe auswirkt, ist das ein Problem. Die Bilanzen der Banken beinhalten dann derart große und nicht einzuschätzende Risiken was zu einem Vertrauensverlust der Banken untereinander führt. Das gefährdet den gesamten Liquiditätsfluss, die Kreditvergabe in allen Bereichen und wirkt sich dann negativ auf die Wirtschaftsleistung aus.
Warum haben die Banken ihr Kerngeschäft vernachlässigt? Ganz einfach, wenn du ein börsennotiertes Unternehmen wie die Commerzbank oder die Deutsche Bank bist, dann geht es um Shareholder Value. Der Aktionär soll seine Dividende bekommen, dass die Banken ihre Aufgaben vor Ort wahrnehmen und Wirtschaft mit Liquidität versorgen, rückt in den Hintergrund. Das ist ein Interessenkonflikt und mündet in einer auf den kurzfristigen Profit ausgerichteten Unternehmenspolitik. Nachhaltigkeit erzielt man so nicht.

„Leider sind wir mit unseren Sparbeträgen im Großen und Ganzen nicht wichtig oder gewichtig genug, um die Banken in ihrem Handeln zu beeinflussen.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Wirtschaftsforum: Als einzelner Sparer möchte ich doch eigentlich nur mein Geld sicher verwahrt wissen und Zinsen bekommen.
Benjamin Mudlack: Leider sind wir mit unseren Sparbeträgen im Großen und Ganzen nicht wichtig oder gewichtig genug, um die Banken in ihrem Handeln zu beeinflussen. Wir vertrauen darauf, dass die Banken gut wirtschaften, damit unser Erspartes sicher ist. Aber wenn man den Einlagensicherungsfonds mal außer Acht lässt, dann ist das schon ziemlich heftig. Am Kassenschalter herrschte eigentlich über Jahrzehnte blindes Vertrauen. Dieses Vertrauen hat jedoch seit einigen Jahren durch Fehlentwicklungen mächtig gelitten. Auch das Prinzip Weltspartag funktioniert so heutzutage nicht mehr. Wir haben de facto Negativzinsen, wenn man die Inflationsrate miteinbezieht. Das heißt die Kaufkraft des Ersparten schwindet Tag für Tag. Am Ende müssen wir dahin kommen, dass die Leute sich selbst mehr mit dem Thema Geldanlage befassen, dass sie mehr Eigenverantwortung übernehmen. Finanzielle Bildung ist wichtig und wenn sich die Menschen damit nicht gewissenhaft auseinandersetzen, dann hat man keine Chance die Kaufkraft zu erhalten geschweige denn Renditen zu erzielen.

„Die gängigen Banken haben ihr Geschäftsmodell am Kunden vorbei entwickelt.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Wirtschaftsforum: Verabschieden wir uns von den Banken, wie wir sie bisher gekannt haben?
Benjamin Mudlack: Ein Stück weit schon. Es gibt sicherlich auch noch gute Banken. Aber die gängigen Banken haben ihr Geschäftsmodell am Kunden vorbei entwickelt und das Thema Digitalisierung wurde von vielen Banken massiv unterschätzt. Man merkt, dass die jüngeren Generationen sich viel mehr mit Banking beschäftigen. Durch das Internet liberalisiert sich der Bankenmarkt. Das wird auch weiter so gehen. Sehr viele sogenannte Fintech-Unternehmen mit sehr schlanken Strukturen und Geschäftsprozessen haben erfolgreich Geschäftsfelder der Banken für das Internet entwickelt und so den Banken Marktanteile abgeworben. Die Institute, die am Kunden vorbeiarbeiten und keine gute Arbeit leisten bzw. dem Kunden keinen ersichtlichen Mehrwert bieten, haben in Zukunft keine Chance und werden mit großer Wahrscheinlichkeit vom Markt verschwinden. Ganz abgesehen davon, dass wir viel zu viele Banken haben. Ich glaube, dass das Geschäftsmodel wie wir es kennen, nicht mehr tragfähig und auch nicht mehr zeitgemäß ist.
Lesen Sie den dritten Teil unseres Expertenwissens "Finanzwelt erklärt":
Die Geschichte des Geldes? Eine Geschichte des Scheiterns!