Was Stephen King und Management verbindet

Was Stephen King und Management verbindet

 

Storytelling-Experte Thomas Pyczak gibt Wirtschaftsforum Einblicke in die Verbindung von Romanfiguren und Unternehmern, warum Resonanz entscheidend ist und was Unternehmer von Geschichten des Horror-Großmeisters lernen können.

 

Es gibt zwei Dinge, die Manager vom Großmeister des Horror-Romans lernen können. Da ist das Gespür für fesselnde Ausgangssituationen. Das Gespür dafür, Menschen zu faszinieren, sie in einer Geschichte mit auf eine Reise zu nehmen. Und da ist ein Verständnis für die Bedeutung von Resonanz.

Intuition oder Plan – wie kommen Romanautoren eigentlich zu ihren Geschichten. Ein Plan, sagt Stephen King, ein vorab entwickeltes Schema der Kapitel „ist in meinen Augen die letzte Zuflucht des guten Schriftstellers und die erste Wahl des Einfaltspinsels. Eine solche Geschichte kann nur künstlich und konstruiert klingen.“ Wie, kein Plan? Nein, eher ein agiles Vorgehen. Nur eben geprägt von Storytelling.

Thomas Pyczak
„Es gibt zwei Dinge, die Manager vom Großmeister des Horror-Romans lernen können. Da ist das Gespür für fesselnde Ausgangssituationen. Das Gespür dafür, Menschen zu faszinieren, sie in einer Geschichte mit auf eine Reise zu nehmen. Und da ist ein Verständnis für die Bedeutung von Resonanz.“ Thomas Pyczak

„Eine ausreichend fesselnde Ausgangssituation macht die ganze Frage nach dem Handlungsfaden überflüssig“, schreibt King. Viel lieber, als alles im Voraus zu planen, lässt er seiner Geschichte freien Lauf. Zu Beginn steht nur eine einzige Frage und sie beginnt mit den Worten „Was wäre, wenn …?“

Was wäre, wenn Vampire in ein kleines Dorf in Neuengland einfielen? Was wäre, wenn eine junge Mutter mit ihrem Sohn in einem liegen gebliebenen Wagen von einem tollwütigen Hund bedroht wird? Soweit Stephen King. Schauen wir uns ein wenig um. Wie lässt sich diese Frage für eine fesselnde Ausgangssituation noch anwenden? Matrix: Was wäre, wenn die Welt, in der du lebst, in Wirklichkeit die Matrix wäre? Herr der Ringe: Was wäre, wenn dein Ring die Macht hätte, die Welt zu zerstören – oder zu retten?

Oder, mal weg von der Leinwand. Airbnb: Was wäre, wenn ich auf Reisen ganz einfach privat wohnen könnte statt in Hotels? Mini: Was wäre, wenn wir die Kultmarke wiederaufleben lassen?

Jetzt entstehen lebendige Szenarien. Keine Charts, keine Listen, sondern greifbare Geschichten. Das Großartige an Stephen Kings drei Worten: Sie regen die Fantasie an, weil in der Frage schon eine Spannung liegt. Wir stellen uns die Welt jetzt anders vor. Etwas wird sich ändern. Ein Riss geht durch die Welt. Was passiert dann?

Stephen King schreibt: „Ich versetze Figuren in einen Konflikt irgendeiner Art und sehe dann zu, wie sie versuchen, sich aus ihrem Dilemma zu befreien … In manchen Fällen geht es so aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Meistens aber nimmt es ein Ende, mit dem ich niemals gerechnet hätte.“

Nichts anderes ist agile Produktentwicklung. Nur im Management ist es meiner Erfahrung nach bedeutsam, viele Menschen mitzunehmen. Geschichten leisten das. Spannung verleitet zum Zuhören. Zum Mitfiebern. Zum Selbstdenken. So entstehen offene Geschichten, die nicht von oben diktiert werden, sondern an denen alle Mitarbeiter mitschreiben. Ganz sicher auch die Partner und die Kunden. So entsteht Erfolg.

Das zweite Thema, das Manager von Stephen King lernen können, hängt eng mit der Frage „Was wäre, wenn …?“ zusammen. Es geht um Resonanz. Stephen King sagt: Geschichten, die so entstehen, erzeugen Resonanz. Resonanz ist meiner Meinung nach eins der Schlüsselworte in der Unternehmensführung – und eins der zentralen Phänomene im Storytelling. Romanautoren zielen darauf ab. Manager sollte es auch tun.

„Resonanz ist meiner Meinung nach eins der Schlüsselworte in der Unternehmensführung – und eins der zentralen Phänomene im Storytelling.“ Thomas Pyczak
Thomas Pyczak

Eine Strategie braucht Resonanz. Ein Change-Prozess. Eine Verkaufspräsentation. Missionen und Visionen brauchen Resonanz. Unternehmenswerte bleiben ohne sie bloße Worte.

King schreibt: „Was ich mir am meisten wünsche, ist Resonanz.“ Der Text, in dem er erläutert, was er damit meint, steht für sich. Manager ersetzen vielleicht das Wort ‚Leser‘ durch ‚Mitarbeiter‘, das Wort ‚Buch‘ durch ‚Vortrag‘: „Leser lassen sich im Großen und Ganzen nicht von der literarischen Qualität eines Buches zum Kauf animieren; sie wollen eine gute Geschichte mit ins Flugzeug nehmen, die sie zunächst fesselt und dann hineinzieht und zum Umblättern zwingt. Und das geschieht meiner Ansicht nach dann, wenn sich der Leser in den Figuren im Buch, in ihrem Verhalten, ihrer Umgebung und ihren Gesprächen wiederfindet. Wenn der Leser ein Echo seines eigenen Lebens und seiner Ansichten aus dem Buch mitnimmt, taucht er tiefer in die Geschichte ein.“

Das könnte auch als Beschreibung eines Unternehmens gelesen werden. Denn dieses ist – nicht zuletzt über sein Management - ein Resonanzboden für die Mitarbeiter, die Kunden, die Partner. Darin liegt aus Storytelling-Perspektive ein wesentlicher Teil seines Erfolgs.

Fotos: Sabine Felbinger

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