Risikofaktor Dienstreise

Markus Weidenauer im Interview

Risikofaktor Dienstreise

Mit wachsender Globalisierung spielen Geschäftsreisen nicht länger nur bei internationalen Konzernen eine präsente Rolle, sondern gehören auch bei kleinen und mittelständischen Firmen − vor allem bei den sogenannten Silent Playern − zunehmend zum Unternehmensalltag. Im Zuge der weltweiten Verflechtung erhöhen sich zudem die Länge der zurückgelegten Distanzen sowie die Vielfalt der angesteuerten Regionen. Doch sind die Betriebe ausreichend darauf vorbereitet? Und welche Risiken bergen dienstliche Auslandsaufenthalte? Sicherheitsexperte Markus Weidenauer von der SecCon Group GmbH klärt über die Gefahrenlage auf und gibt Tipps, wie Unternehmen ihrer Fürsorgepflicht Folge leisten.

Durch die zunehmende weltweite Vernetzung gehören Dienstreisen immer mehr ins Job-Portfolio von Mitarbeitern unterschiedlichster Branchen und  Unternehmensgrößen. Schlagen sich diese höheren Anforderungen auch im Sicherheitsbewusstsein der Arbeitgeber nieder?

Hierzu kann ich keine seriöse Pauschalaussage treffen. Jedoch stellen wir nach wie vor fest: Während sich Global Player den gestiegenen Anforderungen bereits vor Jahren angepasst und Sicherheitsstrukturen implementiert haben, die auch eine Reiseabteilung mit einer Länderanalyse sowie ein entsprechendes Krisenmanagement einschließen, fehlt es in mittelständischen Unternehmen häufig noch immer an Sicherheitsstrukturen und Risikobewusstsein. Das zieht sich wie ein roter Faden von der obersten Führungsetage über das mittlere Management bis hin zum Mitarbeiter durch alle Ebenen. Ich selbst habe es bereits erlebt, dass Arbeitnehmer in Krisenregionen ausgesandt wurden mit nichts an der Hand als einem Erste-Hilfe-Päckchen. Dabei haben Unternehmer per Gesetz eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern. Diese wird verletzt, sobald sie Angestellte ohne entsprechende Vorbereitung oder Absicherung in Krisenländer entsenden.

Welche Gefahren bestehen für Mitarbeiter, die sich auf Dienstreisen begeben?

Zu den Gefahrenquellen gehören Terroranschläge, politische Unruhen, Überfälle mit räuberischen Handlungen, aber auch Naturkatastrophen. Je nach Zielgebiet variieren diese Risikofelder und ihre Ausmaße. Grundsätzlich gilt: Mit einer wachsenden Anzahl an Krisenherden weltweit nimmt auch die Bedrohungslage zu. Besonders die in den letzten Jahren entstandene und sehr lukrative Entführungsindustrie stellt ein großes Sicherheitsproblem für Mitarbeiter dar. 

Wie viele Arbeitgeber werden auf Dienstreise Opfer von Entführungen?

Es liegen keine genauen Zahlen vor. Die Dunkelziffer gilt hier als relativ hoch. Fest steht: Die sogenannte Entführungsindustrie boomt weltweit. Allerdings kommt es auch immer auf das Zielland an. Prinzipiell kann ich sagen: Je mehr ein Land von Kriminalität, Unruhen und Terrorismus heimgesucht wird, umso größer ist das Risiko, Opfer einer Entführung zu werden. In den meisten Fällen kommen die Betroffenen durch Lösegeldzahlungen frei. Haben Entführungen allerdings einen religiösen Hintergrund, enden sie leider meist tödlich.

Wer kommt für den „Schaden“ auf und wo finden sich im Notfall Anlaufstellen?

Viele Unternehmer glauben, dass sich die BRD in einem Entführungsfall einschaltet und die entsprechenden Verhandlungen sowie etwaige Lösegeldzahlungen übernimmt. Richtig hingegen ist, dass das Auswärtige Amt bei Auslandsentführungen in der Regel zwar die Koordination übernimmt, jedoch müssen Unternehmen den Betrag sowie die angefallenen Kosten für Rückholung und Krisenstab samt Verhandlungsführer, Flüge und Hotels anteilig tragen beziehungsweise an die Bundesrepublik Deutschland zurückzahlen. Vor allem, wenn sie ihrer Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sind. Ganz zu schweigen von den Kosten für die Krisenkommunikation, die notwendig ist, um den Imageschaden für das Unternehmen bei den Kunden und in der Öffentlichkeit möglichst abzuwenden. Derartige Vorfälle auf Dienstreisen können für ein Unternehmen existenzbedrohende Ausmaße annehmen.

Wie können Unternehmen dem vorbeugen und Risiken minimieren?

Im Rahmen des Krisenmanagements sollte unbedingt eine K&R-Versicherung abgeschlossen werden, das heißt für „Kidnapping and Ransom“, zu Deutsch: Entführung und Lösegeld. Diese beinhaltet je nach Police bereits Leistungen wie die Deckung von Erpressungsgeldern, Rechts- und Krisenberatung, Sensibilisierungstrainings und 24/7-Notrufnummern. Außerdem empfehle ich Aufklärung in Form von professioneller Beratung und im Anschluss eine erste Umsetzung zumindest kleiner Schritte. Darunter fallen unter anderem die Einholung von Reisehinweisen über das Zielland und der Aufbau und die Implementierung eines firmeninternen Krisenmanagements. Mit diesen Maßnahmen können mittelständische Unternehmen ihren Beitrag zur Sicherheit ihrer Mitarbeiter leisten und gleichzeitig auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein.

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