Finanzwelt erklärt: Kostenmonster fressen Altersvorsorge

Teil 33: Kostenmonster fressen Altersvorsorge

Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, Fidelity International hat zuletzt eine Studie mit ernüchterndem Ergebnis vorgestellt: Wir Deutsche machen beim Sparen für die Altersvorsorge zu viel falsch! Ist das tatsächlich so?

Benjamin Mudlack: Ein uneingeschränktes Ja. Die Bundesbürger begehen erhebliche Fehler bei der Vorsorge für den Lebensabend. Jedoch sehe ich die Verantwortung nicht nur bei den Bürgern, sondern vielmehr bei den Anbietern von Altersvorsorgeprodukten (wie zum Beispiel Banken und Versicherungen) und auch bei der Politik.

Die reale Rendite der Produkte hierzulande liegt im Schnitt gerade mal bei 2% nach Abzug der Inflation. Die Amerikaner erwirtschaften im Durchschnitt 3,5%. Das ist auf mehrere Dekaden gerechnet schon ein erheblicher Unterschied. Sie werden nach den Gründen fragen: Die beiden zentralen Punkte sind die zu geringe Aktienquote in Deutschland und die extrem kostenintensiven Produkte. Von den Bürgern würde ich mir mehr Mut zur Eigeninitiative, Weiterbildung und eine höhere Aktienaffinität wünschen und vom Staat, dass er nicht die falschen Produkte fördert. Die staatlichen geförderten Produkte wie Riester und Co. sind durch den Versicherungsmantel und die hohen Abschlussprovisionen absolute intransparente Kostenmonster.

Benjamin Mudlack
„Die staatlichen geförderten Produkte wie Riester und Co. sind durch den Versicherungsmantel und die hohen Abschlussprovisionen absolute intransparente Kostenmonster.“ Benjamin Mudlack

Es gibt im Bereich der Aktien-ETF kostengünstige und vor allem gut nachvollziehbare, transparente Alternativen. Der allgemeine Sparanreiz muss zukünftig gefördert werden und zwar in frei wählbare Produkte. Man darf die Bürger nicht durch staatliche Förderungen in unsinnige Konstrukte der Versicherungen und Banken treiben. Das ist nicht nur eine Irreführung der eigenen Bürger, sondern hat durchaus auch planwirtschaftliche Züge. Gerade in Zeiten der rotgrünen Regierungsphase unter Gerhard Schröder wurden aus meiner Sicht enorm lobbygetriebene Fehlentscheidungen zu Lasten der Bürger getroffen. Die persönliche Nähe von Schröder zum Gründer des ehemaligen Strukturvertriebes AWD, Carsten Maschmeyer, ist bekannt. Und auch die Herrn Rürup und Riester spielen in diesem Zusammenhang eine fragwürdige Rolle. Das sind Zusammenhänge aus der Vergangenheit, die sich durch Internetrecherche binnen Minuten ergründen lassen. Wir sprechen hier gerade durch den demographischen Wandel über ein zentrales Problem unserer Gesellschaft. Wenn man da Klientel-Politik betreibt und sein eigenes Wohl über das der Allgemeinheit stellt, dann begeht man hier einen historischen Fehler und gefährdet den Lebensstandard unserer Bürger.

Auch die Arbeitgeber könnten mehr Verantwortung übernehmen, Anreize bieten oder gar eigene Pensionsfonds für ihre Mitarbeiter lancieren. Das wäre ein zusätzliches Argument unter anderem für hochqualifizierte Kräfte, wenn es um die Wahl des Arbeitsplatzes geht. Durch derartige Kreativität können Unternehmen nicht nur im Wettbewerb um Arbeitskräfte bestehen, sondern vielmehr die Arbeitgeber motivieren und langfristig an das Unternehmen binden. An der Stelle appelliere ich durchaus an die Fürsorge- und moralische Pflicht der Arbeitgeber sowie Unternehmer.

„Wenn man Klientel-Politik betreibt und sein eigenes Wohl über das der Allgemeinheit stellt, dann begeht man hier einen historischen Fehler und gefährdet den Lebensstandard unserer Bürger.“ Benjamin Mudlack
Benjamin Mudlack

Wirtschaftsforum: Es wird in diesem Zusammenhang auch von einem „Hedonismus-Fehler“ der künftigen Rentengeneration gesprochen. Könnten Sie das erläutern?

Benjamin Mudlack: Das hedonistische Modell bezeichnet einen Lebensstil, der geprägt ist von üppigem Konsum und somit steigenden Ausgaben im Alter. Es ist auch durchaus schön und begrüßenswert, wenn man sich den wohlverdienten Lebensabend, an dem man naturgemäß über mehr Freizeit als in den Zeiten der Erwerbstätigkeit verfügt, mit Kreuzfahrten und ähnlichen Annehmlichkeiten versüßt. Diese Lebensweise lässt sich allerdings nur mit einem adäquaten Kapitalstock umsetzen. Das Kapital werden jedoch viele Menschen in unserem Land nicht zur Verfügung haben, wenn sie ihr Geld weiterhin so falsch anlegen und den Aktienbereich nahezu komplett vernachlässigen.

Wirtschaftsforum: Die Studie gibt einen Ausblick auf mögliche Lösungen. Was halten Sie davon und wie sieht Ihr Konzept zur Altersvorsorge aus?

Benjamin Mudlack: Die Fidelity-Studie kommt zu dem Schluss das die Deutschen während des gesamten Erwerbslebens jährlich 21% ihres Bruttoverdienstes zurücklegen müssen, um sich die eigenen Konsumwünsche im Alter zu erfüllen. Japaner und Kanadier müssen der Studie zufolge nur 16% vom Bruttojahresverdienst zurücklegen, Amerikaner lediglich 15% und Briten gar nur 13%. Sie sehen, die globalen Unterschiede sind gravierend.

Den Unterschied in punkto Rendite und Kostenstruktur hatten wir als Grund bereits ausführlich thematisiert. Eine Lösung ist ganz klar so früh wie möglich mit dem Sparen zu beginnen, um maximal vom Zinseszinseffekt profitieren zu können. Dazu ist es aber nötig sich einzuschränken, denn Sparen ist nichts anderes als Konsumverzicht. Und natürlich ist es unabdingbar, die Aktienkultur in Deutschland zu stärken und Aufklärungsarbeit zu leisten. Neben der gesetzlichen Rente, eigenen Vorsorgeaktivitäten ist auch die betriebliche Altersvorsorge eine wichtige Säule, um dieses enorme Problem in den Griff zu bekommen.

Die Japaner leben im Alter wesentlich bescheidener als wir Deutschen. Sie kommen mit 72% ihres letzten in der Erwerbsphase erzielten Nettoeinkommens über die Runden. In Deutschland gelten der Studie zufolge 86% als lebensstandardsichernd. Also auch das Thema Einschränkung im Alter und eine Abkehr vom Hedonismus wird in der Studie als ein Lösungsbaustein angeführt.

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