Teil 28: Bullenmarkt ohne Ende
Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, Rekordjubel an der Börse, die Wall Street meldet mit 3.453 Tagen den längsten Bullenmarkt aller Zeiten. Jubeln Sie mit?
Benjamin Mudlack: Selbstverständlich erfreue ich mich an einem steigenden Aktienmarkt. Aber es ist schon bedauerlich, dass so wenig Privatanleger in Deutschland davon profitieren. Das trübt meine Freude ein wenig. Eine starke Aktienkultur in unserem Lande würde ich sehr begrüßen und sie würde auch viele Probleme wie zum Beispiel das der Altersvorsorge lösen.

„Allein Apple ist für 4,1% der Kursgewinne im S&P 500 verantwortlich.“ Benjamin Mudlack
Zurück zu den Rekorden an den Märken: Wenn wir konkret bei der Wallstreet bleiben und da speziell über den breiten, 500 Unternehmen umfassenden Index S&P 500 sprechen, dann gilt anzumerken, dass circa 22% der Kurssteigerung durch die führenden Technologieunternehmen generiert wurden. Da sind in erster Linie Apple, Google, Amazon, Microsoft und Netflix zu nennen. Allein Apple ist für 4,1% der Kursgewinne im S&P 500 verantwortlich. Die Kurse vieler Unternehmen der sogenannten Old Economy laufen seit Jahren seitwärts und Finanztitel verloren sogar in diesem positiven Markumfeld an Wert. Man sollte also genau hinschauen in welche Sektoren und Einzelwerte man investiert.
Begonnen hat der derzeitige Bullenmarkt im März 2009 als der S&P nach der letzten Finanzkrise seinen Tiefpunkt bei circa 666 Punkten erreichte. Aktuell notieren wir bei etwa 2890. Das ist ein mehr als respektables Plus von über 330%. Die zuvor längste Aktienrally in der Geschichte der Wall Street hatten wir vor dem Platzen der Blase im Technologiesektor im März 2000. Damals verteuerte sich der S&P 500 vom Beginn der Rally im Oktober 1990 um plus 417%. Der aktuelle Rekord bezieht sich also auf den Zeitraum der Rally und nicht auf den prozentualen Anstieg. Letzteres könnte sich natürlich noch ändern...
„Es gibt in der Geschichte viele Beispiele, bei denen steigende Zinsen das auslösende Element für einen Bärenmarkt waren.“ Benjamin Mudlack

Wirtschaftsforum: Analysten zeigen sich positiv gestimmt und prognostizieren weiter Potenzial an den Finanzmärkten. Inwiefern erleben wir eine „Optimismus-Blase“?
Benjamin Mudlack: Nach wie vor befinden wir uns in einer Phase des Anlagenotstandes. Es gibt im Einlagenbereich keine nennenswerte Rendite und somit halten Anleger und Investoren Ausschau nach lukrativen Alternativen. Das ist ein Argument für weiter steigende Preise an den Aktienmärkten. Das Niedrigzinsniveau hat zudem auch dazu geführt, dass viele börsennotierte Unternehmen auf Fremdkapitalbasis eigene Aktien am Markt gekauft haben. Diese zusätzliche, wenn auch künstliche Nachfrage führte zu steigenden Kursen.
Die Bewertungen sind aus Sicht der meisten Analysten auf fundamentaler Basis aktuell im historischen Vergleich noch nicht alarmierend. Der Aktienmarkt ist sehr zinssensitiv und hängt folglich am Tropf der Notenbanken. Es gibt in der Geschichte viele Beispiele, bei denen steigende Zinsen das auslösende Element für einen Bärenmarkt waren. Auf die Zinspolitik der großen Notenbanken sollte man somit ein wachsames Auge richten. Eine „Optimismus-Blase“ sehe ich aktuell nicht.
Die Stimmung ist recht ambivalent. Unter anderem drückt der Handelskrieg zwischen den USA und China auf die Stimmung. Aber auch die wachsende Staatsverschuldung der großen Industrieländer, der allgemeine Schuldenstand in der Welt und die nach wie vor nicht gelöste Eurokrise stehen einem uneingeschränkten Optimismus im Wege und könnten der nächste crashauslösende „schwarze Schwan“ sein.
Wirtschaftsforum: Ein Einstieg an der Börse ist immer sinnvoll, heißt es pauschal. Würden Sie interessierten Anlegern dazu in der aktuellen Situation raten?
Benjamin Mudlack: Das Timing, um Investitionssummen als Einmalanlage zu investieren, könnte deutlich besser sein, denn grundsätzlich sollte man tief kaufen und hoch verkaufen. So platt das klingen mag, aber so ist es nun mal. Und aktuell befinden wir uns auf der Oberseite des Marktes.
Generell ist es sinnvoll Sparpläne in breit diversifizierte Branchen oder spannenden Themen-ETF´s weiter zu besparen oder auch jetzt erst zu beginnen. Bestehende Einzelpositionen würde ich gegen Kursverluste absichern. An der Börse ist es ratsam mit Szenarien zu arbeiten. Dazu gehören auch Ausstiegsszenarien, um in einer korrektiven Phase nicht übermäßig Kapital einzubüßen. Das gilt auch allgemein für den Fall, dass eine Handelsidee nicht aufgeht. Höchste Priorität sollte der Kapitalschutz genießen und somit ist es wichtig den Verlust in Grenzen zu halten.

„In Sachen Altersvorsorge und Vermögensaufbau kommt man an Aktien nicht vorbei. Das steht für mich außer Frage.“ Benjamin Mudlack
In Sachen Altersvorsorge und Vermögensaufbau kommt man an Aktien nicht vorbei. Das steht für mich außer Frage. Einsteigern empfiehlt sich der schon angesprochene ETF-Sparplan. ETF´s sind transparent, kostengünstig und man profitiert von einem Durchschnittspreiseffekt. Dafür ist es natürlich wichtig den Sparplan gerade dann diszipliniert weiter zu führen, wenn der Markt erheblich abgestürzt ist. Das kann nach einem Crash eine enorme mentale Herausforderung für Investoren werden. Der Depotstand reduziert sich und dieser Effekt strapaziert die Nerven.
Der unerfahrene Anleger läuft Gefahr in Panik zu geraten, die gekauften Positionen übereilt zu liquidieren und den Sparplan nicht weiterzuführen. Aber genau dann bekommen wir an den Märkten Kaufkurse. Wer dann die Ruhe bewahrt und den Sparplan weiter fortführt, wird über die Jahre gesehen einen ansehnlichen Ertrag erwirtschaften und hat somit einen integralen Grundstein zu Altersvorsorge/Vermögensaufbau gesetzt.