Finanzwelt erklärt: Bitcoin? Eine harte Währung definiere ich anders

Teil 7: Bitcoin? Eine harte Währung definiere ich anders
Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, Kryptowährungen wie Bitcoin bestehen aus verschlüsselten Datenblöcken. Sieht so für Sie eine harte Währung im internationalen Zahlungsverkehr aus?
Benjamin Mudlack: Jetzt vor Weihnachten gab der Bitcoin über 40% nach. Wenn ich mir diese extremen Schwankungen ansehe, dann habe ich da meine Zweifel. Das ist eher eine verdammt heiße, extrem spekulative Angelegenheit. Eine harte Währung definiere ich definitiv anders. Eine harte Währung büßt nicht in ein paar Tagen 40% der Kaufkraft ein. In solchen Märkten haben Kleinanleger oder konservative Investoren nichts verloren.

„Eine harte Währung büßt nicht in ein paar Tagen 40% der Kaufkraft ein.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Zusätzlich ist das Bitcoin-Netzwerk extrem ineffizient. Der Gesamtstromverbrauch des Bitcoin-Netzwerkes ist vergleichbar mit dem Stromverbrauch von Irland. Das ist Wahnsinn. Eine Bitcoin-Transaktion, zum Beispiel eine Überweisung, beansprucht durch Rechenleistungen über 200 kWh. Mit diesem Verbrauch können Sie ein Jahr lang einen Kühlschrank betreiben. Wenn Ihnen also ein Umweltaktivist Bitcoins andienen möchte, dann sind Zweifel an seinem Verstand und seiner Integrität absolut angebracht [lacht].
Die Blockchain-Technologie ist in jedem Fall genial. Technologie-Experten bezeichnen diese Entwicklung als eine absolute Revolution. Ob sich nun ausgerechnet der Bitcoin für den Zahlungsverkehr durchsetzt, ist schwer zu beurteilen, aber auf Basis der genannten Fakten zur mangelnden Wirtschaftlichkeit eher unwahrscheinlich.

„Der innere Wert eines Bitcoins ist wie bei unserem Geld NULL.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Wirtschaftsforum: An den Finanzmärkten beherrschen Kryptowährungen die Schlagzeilen: Von „Spekulationswahn“ bis zur „Investmentchance des 21. Jahrhunderts“ ist alles dabei. Was ist es denn nun?
Benjamin Mudlack: Die extrem steile Preisentwicklung im Jahr 2017 ist definitiv spekulationsgetrieben. Der Gegenwert eines Bitcoins entspricht dem eines guten Gebrauchtwagens. Allein dieses Beispiel verdeutlicht das Ausmaß der Spekulation. Es wird nicht mehr als 21 Millionen Bitcoins geben. Das spräche tendenziell für Preisstabilität beziehungsweise für steigende Preise. Aber wer garantiert zu 100%, dass es nicht doch eines Tages mehr Coins geben wird?
Der innere Wert eines Bitcoins ist wie bei unserem Geld NULL. Als Sachwert-Befürworter ist dieser Umstand natürlich ein Contra-Argument für mich. Es gibt bereits Kryptowährungen mit Goldhinterlegung, aber diese haben eine zu geringe Marktkapitalisierung. Dennoch halte ich diese Kombination aus Innovation Blockchain und Sachwert Gold für extrem interessant und verfolgenswert. Die angesprochenen extremen Schwankungen der aktuellen Kryptowährungen sprechen ebenfalls gegen eine Funktion als Wertaufbewahrungsmittel. Eine Spekulationsentwicklung kann sich noch sehr lange fortsetzen. Banal gesagt steigt ein Markt, so lange mehr gekauft als verkauft wird und alle Verkaufsorders durch Kaufaufträge absorbiert werden.

„Anhand der Tulpomanie ist ersichtlich wie abstrus so ein Spekulationswahn ablaufen kann und wie irrational Menschen in ihrem Handeln werden können.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Lassen Sie uns kurz in das 17. Jahrhundert zurückgehen. In den Niederlanden entwickelte sich rund um Tulpenzwiebeln eine unglaubliche Spekulationsblase. Zum Ende konnte man für die teuerste Sorte vier Ochsen oder ein halbes Grachtenhaus in Amsterdam kaufen. Ein halbes Grachtenhaus wurde damals mit circa 5.000 Gulden gehandelt. 1637 platzte die Blase und viele Menschen verloren große Teile ihres Vermögens. Dem Vernehmen nach verspekulierte sich sogar der berühmte niederländische Künstler Rembrandt.
Der innere Wert der Tulpenzwiebel war damals wie heute vergleichsweise gering, aber dennoch größer als der eines Bitcoins [lacht]. Anhand der Tulpomanie ist ersichtlich wie abstrus so ein Spekulationswahn ablaufen kann und wie irrational Menschen in ihrem Handeln werden können. Und das Unglaubliche ist, dass der Mensch aus der Vergangenheit offensichtlich nichts lernt. Spekulationsblasen treten immer wieder auf. Denken Sie an den neuen Markt sowie die Technologieblase zur Jahrtausendwende oder die Immobilienblase in einigen Ländern zur letzten Finanzkrise.
Zurück in die Gegenwart. Auf dem aktuellen Niveau ist beim Bitcoin kein akzeptables Chance-Risiko-Verhältnis für professionelle Investoren darstellbar. Von 100 USD bis 1 Million USD pro Bitcoin ist alles möglich. Auf dem Preisniveau von Anfang 2017 waren der Bitcoin und andere Kryptowährungen als spekulative Beimischung geeignet. Im Vergleich zu größeren Märkten, wie zum Beispiel den Devisen-, Aktien-, oder Future-Märkten, ist der Markt der Kryptowährungen vom gehandelten Volumen extrem klein. Kommen größere Verkaufsorders in den Markt, gibt es zu wenig Käufer, die den Markt halten. Dann befindet sich der Bitcoin im freien Fall und wir sehen einen sogenannten „Flashcrash“. Das haben wir kurz vor Weihnachten letzten Jahres gesehen. Und das passiert recht oft. Diese „crashartigen Situationen“ können Sie in etablierten Märkten in dieser Häufigkeit nicht beobachten.
Es gibt Bitcon-Befürworter, die den Bitcoin als Angriff auf das staatliche Geldmonopol bezeichnen. Sie glauben doch wohl nicht ernsthaft, dass sich unsere Zentralbank oder auch andere Zentralbanken das Geldmonopol aus der Hand nehmen lassen. Diese Denkweise ist, und das meine ich nicht despektierlich, schon ziemlich naiv. China hat den Bitcoin bereits verboten. Ähnliche Schritte oder auch allgemeine regulative Eingriffe sind auch in Europa als wahrscheinliche Szenarien anzuführen und einzuplanen. Aus Kreisen der EZB und anderer Notenbanken sind Stimmen für eigene Kryptowährungen laut geworden. Eine EZB-Kryptowährung wäre ein durchaus logischer Schritt. In diesem Fall wäre man natürlich mit einem Investment in Hardware zum „Minen“ einer Kryptowährung besser aufgestellt als mit dem direkten Kauf von Bitcoins, noch dazu auf dem Niveau von deutlich über 10.000 USD.

„In jedem Fall haben Unternehmen die Möglichkeit mittels Blockchain-Technologie in Zukunft Geschäftsprozesse effizienter und somit kostengünstiger zu gestalten.“ Benjamin MudlackFinanzexperte
Wirtschaftsforum: Was haben eigentlich mittelständische Unternehmen in Deutschland von dieser Entwicklung?
Benjamin Mudlack: Für den deutschen Mittelstand sehe ich die Chance auf viele neue und interessante Geschäftsfelder rund um die Blockchain-Technologie. Kürzlich haben Sie den Venture-Capital-Investor Frank Thelen interviewt. Herr Thelen hat jüngst in das Startup Neufund investiert. Neufund möchte den Handel mit Unternehmensanteilen außerhalb der Börsen, also für nicht an der Börse handelbare Werte, mittels Blockchain revolutionieren. Bislang war der Weg zum Notar zur Beurkundung unerlässlich. Das könnte sich nun ändern.
Ähnliche Überlegungen gibt es für unter anderem auch für Grundbucheintragungen und somit auch für den Immobilienhandel und für viele andere Bereiche. Sämtliche politische Parteien versprechen uns regelmäßig vor den Wahlen einen Bürokratieabbau. Nach der Legislaturperiode beobachtet man bedauerlicherweise zumeist genau das Gegenteil. Die Blockchain ist eine Chance, tatsächlich Bürokratie abzubauen. Hoffentlich wird dieser Weg konsequent gegangen. Eine staatlich sinnvoll geförderte Startup-Finanzierung wäre wünschenswert, um Entwicklungen im Allgemeinen zu beschleunigen und zu unterstützen.
Der Mittelstand hat die Möglichkeit Liquidität in Startups zu investieren oder selbst im Bereich der Blockchain zu forschen und zu entwickeln.
Auch die Entwicklung effizienter Zahlungsverkehrsabwicklungen stellen interessante Geschäftsfelder für deutsche Unternehmen dar. In jedem Fall haben Unternehmen die Möglichkeit mittels Blockchain-Technologie in Zukunft Geschäftsprozesse effizienter und somit kostengünstiger zu gestalten. Dennoch darf man nicht blauäugig sein. Die meisten Startup-Unternehmen werden scheitern. Von den ungefähr 400 Unternehmen zu Zeiten des Neuen Marktes existieren heute noch etwa 20. Das darf man nicht vergessen. Trotzdem wünsche ich mir eine ausgeprägte Gründerkultur in unserem Land. Dazu gehört Mut und auch der Mut nach einem Scheitern sich neu zu erfinden und eine andere Idee erfolgreich zu verfolgen und umzusetzen.
Wirtschaftsforum: Werden Ihrer Meinung nach Bitcoin & Co. jemals im Alltag als Zahlungsmittel ankommen?
Benjamin Mudlack: Viele Experten gehen davon aus, dass sich Lösungen für den Zahlungsverkehr aus dem Bereich der Blockchain durchsetzen werden. Es ist genial Zahlungen von Anwender zu Anwender ohne einen Mittelsmann zu senden. Diese sogenannte Peer-to-Peer (P2P)-Technologie ist schneller, sicherer und hoffentlich auch bald kostengünstiger als wir am Beispiel vom Bitcoin verdeutlicht haben. Für den Zahlungsverkehr ist die Blockchain definitiv ein Evolutionsschritt und da werden sinnvolle Lösungen auf den Markt gelangen. Ich wiederhole mich an der Stelle gerne: Trotz meiner Begeisterung für diese Technologie möchte ich auf das Bargeld und die damit verbundene Freiheit nicht verzichten!
Lesen Sie den achten Teil unseres Expertenwissens "Finanzwelt erklärt":
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