Was moderne Arbeitslandschaften brauchen

Wirtschaftsforum Expertin: Anne M. Schüller

Die Arbeitswelt befindet sich in einem umfassenden Wandel. Sie ist agiler, adaptiver und auch vernetzter geworden. Die besten Innovationen entstehen interdisziplinär. Kundenprojekte werden in sich selbst organisierenden Teams entwickelt. Prozesse werden über Silogrenzen hinweg optimiert. All dies benötigt ein Arbeitsumfeld, das Kreativität fördert und physisches Miteinander begünstigt.

Das Setting einer Videokonferenz sorgt für Versachlichung, für Versteifung und für emotionale Distanz. Gut gemachte Arbeitslandschaften hingegen bringen Ideen ins Rollen. Passende Umfelder sind mitentscheidend dafür, dass zunächst kraftvolle Beziehungen und auf dieser Basis dann kraftvolle Arbeitsergebnisse entstehen. Sie machen das crossfunktionale Zusammenarbeiten überhaupt erst möglich.

Dazu werden die tristen, uniformen, einer industriellen Denke entsprungenen „Schreibtischfarmen“ früherer Tage zu flexiblen, farbenfrohen, inspirierenden Raumwelten mit perfekter technischer Ausstattung umfunktioniert. Das eigene Büro als Statussymbol hat ausgedient. Vielmehr entstehen Begegnungsorte, an denen weder Silos noch Machtgefüge eine Chance haben.

Wie das räumliche Umfeld Arbeitsergebnisse formt

Ins triste Einheitsgrau der seelenlos standardisierten Einzelzellen eingepfercht trägt Wissensarbeit kaum reiche Früchte. Damit das Gehirn auf Hochtouren kommt, brauchen wir ansprechende, offene, flexible Flächen, die auf die neuen Formen der Arbeit abgestimmt sind und sowohl konzentriertes Vorgehen als auch einen regen Austausch möglich machen. Allgemeines Wohlbefinden geht mit einer besseren Leistung einher.

Wir suchen unsere Mitmenschen am liebsten auf gleicher Ebene auf, das ist ein Relikt aus unserer Zeit als Savannenmenschen. So ist in Jungunternehmen die in die Breite gehende Zusammenarbeitsfläche längst dominierend. Dort werden die Arbeitsplätze nicht nach hierarchischen, sondern nach funktionalen Gesichtspunkten gestaltet. Orte intensiver Arbeit, Räume der Geselligkeit und Räume der Ruhe gehören dazu.

Wo Kopfarbeit sich bis in die Freizeit erstreckt, da muss man auch Freizeit an den Arbeitsplatz lassen. Und da, wo eine physische Zusammenarbeit erwünscht ist, weil sie zu den besten Ergebnissen führt, da müssen Arbeitsumgebungen so attraktiv sein, dass sie die Vorteile eines Homeoffices überstrahlen. Zudem wird es im Homeoffice auf Dauer auch an Wertschätzung fehlen, weil die Arbeit dort nicht gesehen wird.

Wie Kopfarbeit sinnvoll unterstützt werden kann

Um in Zukunft krisenfester zu werden, sind frische, neue, unkonventionelle Ideen elementar. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass die Denkarbeit des Gehirns in vier Phasen verläuft: Inspirieren, konzentrieren, aktivieren, regenerieren. Diesen Rhythmus gilt es durch freie Zeiteinteilung zu unterstützen. Und: Gehirne ermüden sehr schnell.

Doch Phasen der geistigen Regeneration kommen im klassischen Arbeitsleben vielfach zu kurz. „Bitte kein Sofa“, hört man von so manchem Chef, wenn es um die architektonische Büroneukonzeption geht. „Meine Leute sollen arbeiten und nicht rumhängen“, heißt es zur Begründung. Tja, vom Wesen der Kopfarbeit hat man dort nichts verstanden. Eine monotone Arbeitsumgebung lässt Ergebnisarmut entstehen.

Kreativität entsteht nicht nach Stundenplan und auf Befehl. Sie ist eher wie eine launische Diva, die die richtigen Umstände braucht. Muße und Heiterkeit gehören dazu. Auch Freiraum und Austausch sind wichtig. Neurobiologisch betrachtet entwickeln sich kreative Ideen, indem das Gehirn auf geistige Wanderschaft gehen kann und bestehendes Wissen mit neuem Gedankengut kombiniert.

Farben, Düfte und eine passende Musik stimulieren

Die Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation fanden heraus: Hohe Decken lassen Luft zum Denken. Für fokussierte Arbeiten hingegen sind niedrige Decken besser geeignet. Natur und speziell die Farbe Grün fördern die visuelle Kreativität. Ein leicht süßlicher Duft, etwa der nach Vanille, Zitrusfrüchten oder Pfefferminz aktiviert und macht leistungsfähig. Lavendel hingegen beruhigt.

Zündende Einfälle werden durch ein passendes Milieu sehr begünstigt. Sie brauchen auch das, was man „psychologische Sicherheit“ nennt. Entsprechende Rückzugsorte erleichtern das konzentrierte Arbeiten in der geforderten hohen Geschwindigkeit. Stille Plätze in der Natur sind dabei sehr willkommen. Besondere Aufmerksamkeit verdient neben Farben und Düften auch Musik: Hierüber lassen sich Stimmungen modulieren.

Eine gut ausgestattete bistroähnliche Küche ist in modernen Bürogebäuden elementar. Sie ist ein Erholungsort und macht Plauschpausen möglich. Einfallsreichtum entsteht ja vor allem dann, wenn unser Denkapparat entspannt ist und Gedankenrohlinge mit anderen teilt. So kann man sich im Bistro auch ganz ungezwungen in Form von „Blind Dates“ mit Kollegen aus anderen Arbeitsbereichen treffen, um sich zu vernetzen.

Zum Konzept der Arbeitslandschaften bei Google

Das Konzept der Arbeitslandschaften bei Google dient vielen als Vorbild. Jason Harper, Real Estate Project Executive Europe hat es in der Trendstudie New Work Order so erklärt: „Wir wollen, dass es den Leuten wirklich gut geht, dass das Büro ihr Leben vereinfacht und die Mitarbeiter sich freuen, hier zu sein.“ Weiter führt er folgendes aus:

„Wir arbeiten nicht non-territorial. Non-territoriales Arbeiten bietet sich an für Unternehmen, bei denen die Mitarbeiter nur selten im Büro sind. Bei uns ist das nicht möglich und auch nicht erwünscht. Hier hat jeder einen eigenen Schreibtisch. In Hamburg sitzen circa 30 Mitarbeiter in jeder Büroeinheit. Die Open Spaces sind immer in einer Sackgasse platziert, um Durchgangsverkehr zu vermeiden.

An Laufzonen haben wir auf jedem Stockwerk Treffpunkte wie die Microkitchens ausgebildet. Kommunikation ist das A und O. Aber weil jeder auch mal einen ruhigen Platz zur Konzentration braucht, haben wir kleine Besprechungs- und Rückzugsecken und abgeschlossene Räume für Videokonferenzen geschaffen. Rückzugsorte sind genauso wichtig wie Treffpunkte.“ Natürlich muss es nicht überall wie bei Google aussehen. Doch die grobe Richtung, die stimmt.

Die Mitarbeitenden bei der Planung miteinbeziehen

Wenn Sie einen Umbau planen, dann lassen Sie die Mitarbeitenden das unbedingt selbst gestalten, damit diese am Ende sagen: „Das ist genau der Ort, an dem ich gerne bin und bestens arbeiten kann.“ Ein gravierender Fehler: Das Großraumbüro für alle, das derzeit wieder so gern von „Oben“ aus angeordnet wird. Lärm lenkt ab und sorgt für Stress. Wissensarbeit braucht zwar offenen Austausch, aber unbedingt auch Orte der Stille.

„Sowohl als auch“ ist der richtige Weg. Projektgruppen benötigen andere Räumlichkeiten als Scrum-Teams. Design Thinking braucht einen anderen Ort als die Routinearbeit. Zudem ist zum Beispiel der Rechtsbereich mit seinem hohen Anteil an vertraulicher Arbeit und die Personalverwaltung, die mit datenschutzsensiblen personenbezogenen Daten hantiert, in abgeschotteten Bereichen besser aufgehoben.

Grundsätzlich müssen sich Arbeitsorte den Anforderungen der Mitarbeitenden anpassen - und nicht umgekehrt. Zudem müssen sie, genauso wie die unternehmensinternen Strukturen, unkompliziert und situativ wandelbar sein, um sich dem ständigen Wechsel zwischen Präsenzarbeit und virtuellem Austausch, der in Zukunft weiter steigen wird, jederzeit gewachsen zu zeigen.

In wandelbaren Arbeitslandschaften bleiben auch die Mitarbeitenden in Bewegung und eisen nicht in Routinen ein. Man stumpft irgendwann ab, wenn man immer in gleichförmiger Umgebung ist. Neue Reize hingegen bringen einen auf neue Gedanken. Eine moderne Arbeitsumgebung steigert zudem die Arbeitgeber-Attraktivität. Sie lockt vor allem die heiß umworbenen jungen Talente geradezu an.

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