Finanzwelt erklärt: Geschäftsmodelle der Banken sind aus der Steinzeit

Teil 20: Geschäftsmodelle der Banken sind aus der Steinzeit

Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, wir sind uns darin einig, dass die Digitalisierung eine Umwälzung der Weltwirtschaft mit sich bringt. Was sind dabei zentrale Herausforderungen für den Finanzmarkt?

Benjamin Mudlack: Absolut, da sind wir uns vollkommen einig. Der digitalen Revolution werden viele Jobs zum Opfer fallen bis hin zu gesamten Branchen, die akut beziehungsweise besonders gefährdet sind. Wenn Sie schon den Finanzmarkt ansprechen, denke ich insbesondere an die Banken- und Versicherungsbranche, aber auch an den Einzelhandel, die Automobilbranche oder klassische Werbemedien (Print- und TV-Medien). Letztere geraten schon heute durch Facebook, Google & Co. unter Druck. Die Werbung über die neuen Medien ist wesentlich zielgerichteter und kann in ihrer Wirkungsweise besser nachvollzogen und ausgewertet werden.

Digitalisierte Geschäftsprozesse sind wesentlich effizienter und kostengünstiger. Von daher wird alles, was man digital und automatisiert umsetzen kann, auch früher oder später so abgebildet. Da werden derartig viele Arbeitsplätze wegfallen, das kann sich heute kaum jemand vorstellen. Es gibt recht gute Studien zu dem Thema: Wissenschaftler aus Oxford sprechen beispielsweise im Fall der USA von einer Bedrohung für 47% aller Arbeitsplätze. Den Begriff „Arbeit“ an sich werden wir folglich früher oder später komplett neu definieren müssen. Die Gesellschaft steht vor einem unglaublichen Umbruch. Das ist Fakt!

Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker
„Der digitalen Revolution werden viele Jobs zum Opfer fallen bis hin zu gesamten Branchen, die akut beziehungsweise besonders gefährdet sind.“ Benjamin Mudlack

Wirtschaftsforum: Die Banken waren bis dato Schwergewichte in Sachen Finanzen, ohne sie lief nichts. Das scheint sich schlagartig zu ändern. Sind Banken und ihre Geschäftsmodelle zukunftsfähig?

Benjamin Mudlack: Aus meiner Sicht sind die Geschäftsmodelle der Banken von heute nicht mehr zukunftsfähig. Wir werden die nächsten 10 bis 20 Jahre oder vermutlich sogar deutlich frühzeitiger einen massiven Abbau des Filialnetzes und der damit verbundenen Arbeitsplätze erleben. Fintechs haben den Banken gesamte Geschäftsbereiche streitig gemacht. Online-Broker oder reine Internetbanken sind als Beispiel anzuführen.

Die meisten Banken haben den technologischen Fortschritt und die damit verbundenen Möglichkeiten total verschlafen und sich auf ihrem „Steinzeitgeschäftsmodell“ ausgeruht. Junge Menschen kann ich folglich von einer Bankausbildung oder Ausbildung im Versicherungsbereich nur abraten. Ich verstehe auch nicht, dass man diese Berufe überhaupt noch ausbildet. Es scheint mir fast so, als würde man vor den anstehenden Entwicklungen die Augen verschließen. Das ist sehr fahrlässig, nicht im Sinne der jungen Generation und entgegen der zwingend gebotenen Sorgfaltspflicht.

Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker
„Die meisten Banken haben den technologischen Fortschritt und die damit verbundenen Möglichkeiten total verschlafen.“ Benjamin Mudlack

Wirtschaftsforum: Es wäre naiv zu denken, dass die Digitalisierung die Börse unberührt lässt. Wo sehen Sie die größten Auswirkungen und wie bewerten Sie diese?

Benjamin Mudlack: Automatisches Orderouting gibt es schon heute. Damit ist die automatisierte Zusammenführung von Kauf- und Verkaufsaufträgen zu den idealen Börsenplätzen mit den besten Ausführungen gemeint. Der altbekannte Parkettbroker ist schon jetzt nahezu komplett der Digitalisierung zum Opfer gefallen. Automatische Handelssysteme und automatisierte Portfolio-Verwaltungssysteme werden mehr und mehr Einzug halten und klassischen Analysten den Job streitig machen. Das sind Auswirkungen, die sie schon heute beobachten können und die sich weiter fortsetzen werden. Da diese Systeme im Risiko-Management oft ähnlich funktionieren, werden wir Situationen eines Flash-Crashs häufiger erleben. Das beobachte ich definitiv mit erheblicher Skepsis.

Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker
„Der altbekannte Parkettbroker ist schon jetzt nahezu komplett der Digitalisierung zum Opfer gefallen.“ Benjamin Mudlack

Aus der Digitalisierung ergeben sich natürlich auch hervorragende Investmentmöglichkeiten. Unternehmen aus den Bereichen Robotik, Künstlicher Intelligenz und Informationstechnologien im Allgemeinen könnten die neuen Highflyer á la Google und Amazon werden. Eine weitere, sehr strategische Herangehensweise, um von Umwälzungen in gesamten Branchen zu profitieren, sind sogenannte Pair-Trades. Bei dieser markneutralen Strategie sucht man sich zwei Werte der gleichen Branche heraus und kauft den Profiteur der Digitalisierung und verkauft den Verlierer dieser Entwicklung.

Neue Medien, wie Google oder Facebook kaufen und gleichzeitig Newscorp als klassisches Medium verkaufen, wäre ein Beispiel für einen Pair-Trade. Der Schutz liegt in der Short-Positionierung. Sollte der Gesamtmarkt rückläufig sein, so ist es wahrscheinlich, dass sich ein ohnehin schon angeschlagenes Unternehmen deutlich schlechter an der Börse entwickelt. Wenn man sich mit den anstehenden Novellierungen tiefergehend auseinandersetzt, dann ergeben sich enorme Chancen, die man für den Vermögensaufbau strategisch nutzen kann.

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