Teil 16: Eine Lanze für Spekulanten brechen
Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, es gibt Wetten auf den Ausgang von Pferderennen oder die Laufzeit von Präsidentschaften – aber Wetten von Großinvestoren und Hedgefonds gegen Währungen erschließen sich mir nicht. Was steckt dahinter?
Benjamin Mudlack: Dahinter stecken natürlich unter anderem rein spekulative Gewinnerzielungsabsichten von diversen Marktteilnehmern, wie zum Beispiel von Hedgefonds. Sie analysieren die Märkte und versuchen makroökonomische Marktentwicklungen frühzeitig zu erkennen und dann mithilfe eines Finanzinstruments davon zu profitieren. Ein Beispiel war der massive Verkauf des Britischen Pfunds 1992 durch den Quantum Fonds von George Soros. Aber auch die jüngere Vergangenheit bietet einen Extremfall. Am 15.01.2015 gab die Schweizer Nationalbank (SNB) ihre Interventionspolitik auf. Was war geschehen? Die Schweiz galt schon immer als Hort der Sicherheit.
Im Zuge der Griechenland- und der Eurokrise kauften sich immer mehr Anleger Sicherheit – sie wechselten also ihre Euros und andere Währungen in Schweizer Franken, weil das Land und seine Währung als sicher und stabil gelten. Die dramatischen Folgen dieser nachvollziehbaren Sogwirkung: Der Schweizer Franken stieg und stieg immer weiter gegenüber Euro, Pfund und Dollar. Daraus ergaben sich zwei Probleme.

„Im Zuge der Griechenland- und der Eurokrise kauften sich immer mehr Anleger Sicherheit – sie wechselten also ihre Euros und andere Währungen in Schweizer Franken.“ Benjamin Mudlack
Erstens: Die Schweizer Industrie verlor an Wettbewerbsfähigkeit, ob im Tourismus oder in der Landwirtschaft. Zweitens: Die Schweiz hat eine durchaus beachtliche und wichtige Exportindustrie. Wenn die ausländischen Kunden in Schweizer Franken bezahlen müssen, wird der Kauf von Schweizer Produkten immer teurer. Zahlen sie zum Beispiel in Euro, muss der Schweizer Exporteur selbst in Schweizer Franken tauschen und hat letztlich weniger verdient. Der Anstieg des Schweizer Franken wurde mehr und mehr zum Problem für die Wirtschaft. Die Lösung lag auf der Hand und mündete in einer aggressiven Interventionspolitik der SNB. Der Plan war, den Kurs Euro gegen Schweizer Franken bei 1,20 Franken je Euro zu halten.

„Die SNB-Causa und auch das Beispiel des Pfunds zeigen, dass solche manipulativen Eingriffe selten funktionieren, gegen die Natur der Märkte stehen und zumeist erheblichen Schaden anrichten.“ Benjamin Mudlack
Die SNB war also gezwungen ab dem August 2011 massiv Euro gegen selbst erzeugte Schweizer Franken zu kaufen, um das Euro-Angebot bis zur Schwelle von 1,20 EUR/CHF zu absorbieren. Die Fremdwährungsreserven stiegen immens und die Bilanz der SNB erweiterte sich immer weiter. Der Markt und die Spekulanten erhöhten durch anhaltende Euroverkäufe (gegen Franken) den Druck auf die Nationalbank und so wurde die Maßnahme am 15.01.2015 von einem Tag auf den anderen aufgegeben. Der Euro fiel binnen kürzester Zeit von 1,20 auf zeitweise 0,96 Franken je Euro. Der Schaden war enorm, zahlreiche CFD- und Forexbroker wie zum Beispiel Alpari UK, meldeten Insolvenz an und auch die Deutsche Bank verlor rund 130 Millionen EUR. Durch die Stützkäufe befanden sich enorme Eurobestände in der Bilanz der Schweizer Nationalbank, auch diese verloren logischerweise an Wert, man schadete sich also auch selbst.
Die SNB-Causa und auch das Beispiel des Pfunds zeigen, dass solche manipulativen Eingriffe selten funktionieren, gegen die Natur der Märkte stehen und zumeist erheblichen Schaden anrichten. Derart in den Markt einzugreifen, ist ein Verbrechen. Wir brauchen flexible Preisstellungen, um Ungleichgewichte auszugleichen. Wohin planwirtschaftliche Schritte führen, sehen wir seit der Euro-Einführung. Nicht zuletzt sind diese von ihnen als Wette bezeichneten Marktfunktionen auch sehr wichtig für Unternehmen, um sich gegen Schwankungen abzusichern.

„Kommt es zu krisenartigen Situationen, ziehen sich die Marktteilnehmer zurück, die Liquidität schwindet und wir erhalten abnormale Kursstellungen und Kurssprünge.“ Benjamin Mudlack
Wirtschaftsforum: Jetzt klingt das so, als ob einige reiche Spekulanten mit ihren finanziellen Superkräften komplette Volkswirtschaften zerrütten. Moral und Ethik scheinen hier nicht gefragt, oder?
Benjamin Mudlack: In Bezug auf Ethik und Moral stimme ich Ihnen zumindest eingeschränkt zu. Und zwar, wenn wir von irrsinnigen Spekulationen auf Nahrungsmittel sprechen, die dann zu einer Verteuerung selbiger führen. Da bin ich absolut bei Ihnen, das sollte man unterbinden. Leider ist das in einer so vernetzten globalen Welt und mithilfe der heutigen Technologie nicht so einfach möglich, man würde beim Verbot zum Handel in andere Regionen ausweichen. Sind wir ehrlich: Wenn wir uns die Schlagzeilen zu Spekulanten und Hedgefonds betrachten, drängt sich automatisch der Schluss auf, dass das die Schurken und nicht die Helden sind. Dessen ungeachtet möchte ich ausdrücklich eine Lanze für die Spekulanten/Daytrader brechen. Sie sind enorm wichtig, denn sie sorgen für Liquidität in unseren Finanzmärkten.
Wenn Sie beispielsweise eine Apple-Aktie für den Vermögensaufbau kaufen möchten, dann möchten Sie nicht eine Woche warten, sondern eine Ausführung binnen kürzester Zeit und zwar zu einem fairen Preis. Liquidität ist das Blut in den Adern der Finanzmärkte. Kommt es zu krisenartigen Situationen, ziehen sich die Marktteilnehmer zurück, die Liquidität schwindet und wir erhalten abnormale Kursstellungen und Kurssprünge. Liquidität ermöglicht somit faire Kursfeststellungen und dient einem transparenteren Handel.

„Hedgefonds und Spekulanten konzentrieren sich auf Missstände und Fehlentwicklungen, zu teure Preise werden verkauft und zu günstige Preise gekauft.“ Benjamin Mudlack
Spekulation hat zudem eine sehr wichtige Funktion. Und zwar geben Spekulanten dem Markt vorzeitig Knappheitssignale. Durch ihre Analysen erkennen Spekulanten zum Beispiel eine Knappheit im Kupfer. So setzen sie auf einen steigenden Kupferpreis, indem sie Kupfer über ein Finanzinstrument kaufen. Die Nachfrage nimmt zu und die Kupferpreise steigen. Der Kupferabbau wird somit durch die gestiegenen Preise rentabler und so wird mehr Kupfer abgebaut.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch ein Überschusssignal. Das haben wir Ende 2014 bis Anfang 2016 im Öl gesehen. Der Ölpreis fiel von über 100 auf knapp 25 USD. Ab einem gewissen Preis waren verschiedene Explorationswege nicht mehr profitabel und wurden eingestellt. Der Ölpreis regulierte sich durch den Markt. Hedgefonds und Spekulanten konzentrieren sich auf Missstände und Fehlentwicklungen, zu teure Preise werden verkauft und zu günstige Preise gekauft. So sorgen diese Marktteilnehmer für faire Preise, indem sie in Richtung des fairen Preises handeln beziehungsweise sich entsprechend gegen die Fehlentwicklung positionieren. Natürlich ist es extrem wichtig, dass die Spekulanten ihren Job gut machen und oft richtig liegen. Trifft die Analyse zu häufig nicht zu, verliert der jeweilige Händler/Hedgefonds Kapital und verschwindet irgendwann vom Markt. Er wird aussortiert.

„Fließt vermehrt Kapital in eine Volkswirtschaft oder Region, wird die Bildung einer Spekulationsblase begünstigt.“ Benjamin Mudlack
Wirtschaftsforum: Diese Sphären der Finanzwelt sind für die meisten Menschen gar nicht zugänglich. Warum sollten sie sich dennoch dafür interessieren?
Benjamin Mudlack: Die Antwort liegt auf der Hand und bezieht sich vor allen Dingen auf den Bereich des Vermögensaufbaus und der Altersvorsorge. Wenn man einen größeren Betrag investieren möchte, dann sollte man schon darauf achten, ob der jeweilige Markt fair bewertet oder idealer Weise unterbewertet ist. Und wenn wir bei der Apple-Aktie bleiben, dann hat natürlich auch der Euro-Dollar-Kurs Auswirkungen auf das Investment. Sie kaufen die Apple-Aktie und der Kurs steigt nach dem Einstieg, steigt aber auch der Euro, so werden die Gewinne womöglich wieder aufgefressen.
Aber auch in Bezug auf die Sicherheit von Arbeitsplätzen sind die Entwicklungen an den Devisen- und auch Rohstoffmärkten von enormer Bedeutung. Ein zu starker Euro würde unsere exportorientierte Wirtschaft lähmen, Aufträge außerhalb des Euroraums blieben aus und am Ende der Kette kostet das Arbeitsplätze.
Wichtig ist zudem in Bezug auf Ihre Frage die Beobachtung der globalen Kapitalströme. Fließt vermehrt Kapital in eine Volkswirtschaft oder Region, wird die Bildung einer Spekulationsblase begünstigt. Das haben wir in Spanien im Immobilienbereich vor der Finanzkrise 2007 beobachtet. Wenn man eine Urlaubsimmobilie/Anlageobjekt auf Mallorca besitzt oder sich eine kaufen möchte, dann sollte man diese Kapitalströme zwingend auf der Agenda haben. Es ergibt also durchaus Sinn, sich mit diesen Wechselwirkungen auseinanderzusetzen und zu schauen, inwieweit der jeweilige Markt fair bewertet ist. Denn nur dann ergibt ein Einstieg Sinn. Das gilt insbesondere für Unternehmer, aber auch für Arbeitnehmer oder Kapitalanleger.




