Finanzwelt erklärt: 20 Jahre EZB? Der Euro ist zum Zankapfel Europas geworden!

Teil 23: 20 Jahre EZB? Der Euro ist zum Zankapfel Europas geworden!

Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, die Europäische Zentralbank (EZB) ist diese Tage 20 Jahre alt geworden. Ist das für Sie Anlass zu einer Geburtstags- oder doch eher einer Trauerfeier?

Benjamin Mudlack: Für mich gibt es an der Stelle keinen Anlass eine freudige Party zu feiern. Spricht man über die oberste Aufgabe der EZB, die Preisstabilität zu gewährleisten, dann könnte man aufgrund der veröffentlichten Inflationsraten zu dem Schluss kommen, dass diese Aufgabe hervorragend erfüllt wurde. Die Preisstabilität ist sicherlich auch ein Stück schön gerechnet und der dafür verwendete „Warenkorb“ spiegelt nicht das Bedarfsverhalten des einzelnen Verbrauchers wider. Vielmehr hat jeder entsprechend seiner individuellen Präferenzen einen eigenen Warenkorb und somit eine eigene Inflation. Die Zusammensetzung des Warenkorbes und generelle Errechnung der Rate ist somit fragwürdig.

Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker
„Von der EZB geht mittlerweile eine diktatorische Kraft aus.“ Benjamin Mudlack

Des Weiteren müssen wir differenzieren zwischen der reinen Verbraucherrate und den enormen Preissteigerungen bei den Vermögenswerten. Die Geldmenge wurde durch die lockere Geldpolitik massiv erweitert und das vorhandene Geld wird dann in Vermögenswerte wie Immobilien, Aktien und so weiter investiert. Das führt im weiteren Verlauf zu steigenden Preisen und einer sogenannten Asset-Inflation. Auch die Baukosten sind aufgrund der gestiegenen Nachfrage alles andere als moderat gestiegen.

Wirtschaftsforum: Kritische Stimmen monieren, dass die EZB schon lange außerhalb ihres Kerngeschäfts aktiv ist, auch in Bezug auf die Politik. Warum gilt das Credo des ersten EZB-Präsidenten Wim Duisenberg „Wir hören sie, aber wir hören nicht auf sie“ dem Anschein nach nicht mehr?

Benjamin Mudlack: Das kann ich nur unterstreichen, die EZB hat das Kerngeschäft verlassen, sie macht selbst Politik und setzt durch ihre Maßnahmen natürliche Marktmechanismen außer Kraft. Von der EZB geht mittlerweile vielmehr eine diktatorische Kraft aus. Erinnern Sie sich an die 2012 von Draghi getätigte „Whatever it takes“-Aussage, dass er alles tun werde, um den Euro zu retten? Er hat Wort gehalten und die Kaufprogramme massiv ausgeweitet. Die Deutsche Bundesbank hat im Rahmen der Target2-Salden bald 1.000 Milliarden EUR an Forderungen gegen das Eurosystem. Das sind unglaubliche Summen und man kann nicht davon ausgehen, dass diese Forderungen jemals beglichen werden. Um einen Vergleich herzustellen und das Ausmaß zu verdeutlichen, führe ich gerne die Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik an. Diese lag 2017 bei knapp 3.300 Milliarden EUR. Im Falle einer Krise wie 2007 oder gar 1929 würden Industrieproduktion und internationaler Handel einbrechen. In einem derartigen Szenario kann sich die Zahl halbieren oder ähnlich.

„Im Euro befinden sich zu viele unterschiedlich starke Volkswirtschaften. Das ist ein Konstruktionsfehler, den man korrigieren muss.“ Benjamin Mudlack
Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker

Von den massiven planwirtschaftlichen Eingriffen der EZB halte ich rein gar nichts. Im Euro befinden sich zu viele unterschiedlich starke Volkswirtschaften. Das ist ein Konstruktionsfehler, den man korrigieren muss. Die südlichen Länder benötigen eine eigene Währung um abzuwerten. Nur so werden unsere Freunde am Mittelmeer wieder wettbewerbsfähig und können ihre Güter exportieren. Warum es an der Stelle keinen Politikwechsel seitens der EZB gibt, ist mir schleierhaft. Man versucht zwanghaft dieses nicht tragfähige System am Leben zu halten. De facto hat man entgegen der politischen Versprechen eine Transferunion errichtet. Das ist unverantwortlich, verstößt gegen die geschlossenen Verträge und führt dazu, dass die Länder Europas immer weiter auseinanderdriften. Radikale und populistische Parteien finden immer mehr Zuspruch. Eine bedenkliche, aber durchaus logische Entwicklung.

Wirtschaftsforum: Optimisten wie DIW-Präsident Marcel Fratzscher betonen das Potenzial des Euro, auch als zweite globale Währung. Wie nah an der Realität sind Ihrer Meinung nach solche Aussagen tatsächlich? 

Benjamin Mudlack: Sicher ist der Euroraum groß und von globaler Bedeutung. Aber das Eurosystem ist höchst fragil und ich sehe nicht, dass der Euro den Dollar als Leitwährung ablösen wird.

Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker
„Das Eurosystem ist höchst fragil und ich sehe nicht, dass der Euro den Dollar als Leitwährung ablösen wird.“ Benjamin Mudlack

Man hält den Euro durch die lockere Geldpolitik und die damit verbundenen Eingriffe in den Markt künstlich am Leben. Da von Potenzial zu sprechen halte ich für verfehlt. Der Euro ist zum Zankapfel Europas geworden und treibt einen Keil zwischen die wirtschaftlich starken und schwachen Länder der Euro-Peripherie. Kürzlich hörte ich in diesem Kontext eine Aussage im Radio aus Italien, die extrem „deutsch-kritisch“ war. Wir würden mit unserer Wirtschaftskraft Länder wie Italien bekämpfen, erdrücken und Reformen aufzwängen. Diese aus soziologischer Sicht verheerenden Entwicklungen stehen dem Europäischem Gedanken und der Einigkeit aller Länder entgegen. Und diese Folgen werden erst dann wirksam bekämpft, wenn man das Europäische Wirtschaftssystem und auch die EU sinnvoll reformiert.

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