Großgruppenworkshops sind wieder im Kommen
Wirtschaftsforum Expertin: Anne M. Schüller
Einfallsreichtum entsteht am ehesten dann, wenn sich eine größere Anzahl Menschen quer durch die gesamte Firma über die Zukunft des Unternehmens Gedanken macht. Dafür haben Sie Spezialisten? Besser ist es, die „Weisheit der Vielen“ zu nutzen und jeden hilfreichen Vorstoß zu integrieren, ganz egal, aus welcher Ecke er kommt.
Durch Perspektivenvielfalt, Co-Kreativität und Überkreuzbefruchtung werden in einer größeren Gruppe die Ideen geradezu sprudeln. Gemeinsam kommt man weiter als ganz allein. Außerdem steigt die Durchdringungstiefe. Viele können viele weitere „infizieren“. Je mehr unterschiedliche Blickwinkel eingebracht werden, desto erfolgreicher werden neue Ideen gefunden und anstehende Aufgaben gelöst.
Außergewöhnliche Ideen entstehen durch Perspektivenvielfalt
Immer mehr Unternehmen haben inzwischen den Mut, die „Weisheit der Vielen“ zu nutzen. Wieso Mut? Ein Großgruppenworkshop bedeutet Basisdemokratie. Und Kontrollverlust. Man legt nächste Schritte in die Hände seiner Mitarbeiter:innen, ohne zu wissen, wohin diese steuern. Doch der Zugewinn ist gewaltig. Es geht gleichsam ein Ruck durch die gesamte Organisation.
Neue Perspektiven, neue Gedanken, neue Beziehungen, neue Kommunikationsnetze und ganz neue Ideen entstehen crossfunktional. Die Suche nach einer gemeinsamen Zukunft schweißt alle zusammen. Und die Lust am Umsetzenwollen ergibt sich ganz wie von selbst. Bei den alten Verkündungsprogrammen hingegen bleibt alles im kraftlosen Müssen.
Wie Sie Co-Kreativität und die „Weisheit der Vielen“ entfesseln
Idealerweise werden in Großgruppenworkshops an einem einzigen Tag 40 bis 80 Mitarbeiter:innen strukturiert sowie hierarchie- und abteilungsübergreifend an die zu bearbeitenden Themen herangeführt. Die Ausbeute ist immer ergiebig: eine Vielzahl von umsetzungsreifen Konzepten, die idealerweise gleich vor Ort per Gruppenentscheid abgesegnet werden und danach sofort in die Umsetzung gehen.
Sie müssen also nicht erst die üblichen Gremien durchlaufen, wo sie am Ende doch abgelehnt werden – oder versanden. Meine Erfahrung zeigt darüber hinaus: Die Mitarbeitenden steuern immer in die richtige Richtung, denn sie wissen besser, als mancher Manager glaubt, was dem Unternehmen guttut und was es dringend braucht.
Der Vormittag in einem Großgruppenworkshop
Am Vormittag steht am besten zunächst ein Impulsvortrag zu den Themenfeldern auf dem Programm, die am Nachmittag weiter bearbeitet werden sollen. Solche Impulse von außen sind überaus wichtig. Sie sorgen für einen Blick über den Tellerrand, so dass die Teilnehmer:innen nicht nur aus Vorhandenem, sondern auch aus Neuem schöpfen.
Der/die Vortragende kann neue Sichtweisen einbringen, psychologische Hintergründe darlegen, von den Besten des Fachs erzählen, vor Irrwegen warnen, auch unangenehme Wahrheiten zur Sprache bringen und hartnäckige Widerstände sachte lockern. Solches Vorgehen ist zwar dringend nötig, aber für Interne oft viel zu gefährlich.
Der Nachmittag in einem Großgruppenworkshop
Am Nachmittag schlagen die Teilnehmenden selbst Themen vor, an denen sie gemeinsam arbeiten wollen. Auch die Zuordnung zu den einzelnen Arbeitsgruppen läuft auf freiwilliger Basis. Es werden keinerlei Vorgaben von Oben gemacht, welche Aufgaben von wem zu bearbeiten sind. Die Arbeitsgruppen werden auch nicht durch Moderatoren gelenkt. Sie arbeiten autonom. Im Operativen wissen die Mitarbeitenden selbst am besten, wo es brennt, weil sie tagtäglich damit zu kämpfen haben.
Talentierte Millennials spielen bei diesem Vorgehen eine besondere Rolle. Sie sind oft die ersten, die erkennen, wenn in einer Firma etwas aus dem Ruder läuft. Sie spüren verstaubte Verfahren und überholte Prozesse am ehesten auf. Außerdem haben sie meist auch den Mut, diese infrage zu stellen. Ferner sind sie mit zeitgemäßen Lösungen in aller Regel bestens vertraut. Sie sind hervorragende Zukunftsgestalter.
Die Rolle der Führungskraft im Großgruppenworkshop
In meinen Workshops bitte ich die Führungskräfte, sich im Hintergrund zu halten. Wahre Leader sprechen erst zum Schluss und ergänzen nur noch die Dinge, die ihnen strategisch wichtig sind. In die Arbeitsgruppen der Mitarbeiter:innen gehen sie nicht. Hierarchie bremst den Arbeitsfluss. Und Kontrolle killt Kreativität.