Vorangehen und zurückbauen
Interview
Als NIS 1969 durch RWE gegründet wurde, sah die Welt noch ganz anders aus. „Kernenergie hatte damals große Zukunft“, meint Geschäftsführer Dr. Aldo Weber, der seit 1992 für die Firma tätig ist. „NIS hat als autarke Firma den Einsatz von Brennelementen in Kernkraftwerken betreut. Als dann die Euphorie um die Kernenergie in den 1980er-Jahren verflog, musste sich die Firma neu finden. Wir hatten viele hochqualifizierte Physiker, die im Bereich der digitalen Datenverarbeitung besonders kompetent waren. Da PCs damals eine neue Entwicklung waren und deren Einsatz in der Prozessdatenverarbeitung noch in den Anfängen war, haben wir Datenerfassungs- und Monitoring Systeme auf PC-Basis für die Industrie entwickelt und angeboten. Ein Beispiel hierfür sind unsere Emissionsüberwachungssysteme. Die damals verabschiedeten Richtlinien zur Reinhaltung der Luft, verlangten eine kontinuierliche Überwachung der Emissionen. Wir entwickelten daraufhin ein Emissionsüberwachungssystem zur Datenerfassung, Verarbeitung und Überwachung der Grenzwerte.“
Kunden aller Bereiche
„Es wurde ein Produkt, welches uns bis heute noch begleitet“, fährt Dr. Aldo Weber fort. „Das Produkt findet in erster Linie seinen Einsatz in konventionellen Kraftwerken. Es gibt in diesem Bereich nur drei bis vier Hersteller in Deutschland, wir haben derzeit über 1.000 Systeme im Einsatz. Man kann sagen: Alles, was raucht und qualmt und einen gewissen Schadstoffausstoß hat, braucht unser Produkt. Auch Krematorien, Müllverbrennungsanlagen und Lackierstraßen gehören zu unseren Kunden. Ein weiteres Produktbeispiel der Prozessdatenverarbeitung ist unser Condition Monitoring System. Hiermit werden die rotierenden Teile der Maschinen zur Energieerzeugung (Turbosatz) auf ihren Zustand hin überwacht. Alles, was rotierende, große Schaufeln zur Energieerzeugung hat, überwachen wir. Wir achten auf die Schwingungen, ob die Anlage optimal gefahren wird und ob sich Schäden an den Schaufeln anbahnen. Condition Monitoring ist präventiv und optimierend. Dies sind Spin-Offs unseres Systems.“
Die Ersten im Markt
Auch anderweitig erkannte die Firma die Zeichen der Zeit. „Damals hat niemand sonst an Rückbau gedacht“, erinnert sich Dr. Aldo Weber. „Wir waren die Ersten in der Nische, die Konzepte zum Rückbau und den damit verbundenen Rückbaukosten entwickelt haben. Heute sind wir der kompetente Anbieter und Marktführer in diesem Bereich. Wir erstellen Gutachten für den Rückbau von Kernkraftwerken in Deutschland, der Schweiz, Belgien und den Niederlanden. Das ist heute ein wachsendes Geschäft. Nach 2011 ganz besonders. Wir planen aber nicht nur die Rückbaukosten, sondern konzipieren und entwickeln fernhantierte Zerlegewerkzeuge für den Rückbau von Kernkraftwerken.“
Somit deckt das Unternehmen, das heute Teil der Siempelkamp-Gruppe ist, vier Geschäftsfelder ab: Datenerfassung und -verarbeitung, Fernüberwachung von Schaufelschwingungen und rotierenden Komponenten, Rückbaukostenberechnung und fernhantierter Rückbau.
„Wir sind mit unseren hochqualifizierten Ingenieuren und Physikern so breit aufgestellt, dass wir viele Bereiche im Energieerzeugungsmarkt abdecken“, meint Dr. Aldo Weber.
Zahlreiche Projekte Entsprechend vielseitig sind die Projekte, die von der Firma, für die 172 Mitarbeiter tätig sind, übernommen werden. „Weltweit haben nur wenige unsere Expertise“, betont Dr. Aldo Weber. „Wir haben zum Beispiel den Reaktordruckbehälter im Kernkraftwerk Stade zerlegt. In den USA haben wir im größten Rückbauprojekt der USA die beiden Reaktoren des Kernkraftwerks Zion nahe Chicago zerlegt. Wir haben auch den Versuchsreaktor Kahl bis zur grünen Wiese rückgebaut. Aber auch außerhalb des Rückbaus sind wir mit nennenswerten Projekten unterwegs, so werden in Rheinland-Pfalz mit unserer Software die Qualität und die damit verbundenen Grenzwerte aller Trinkwasserbrunnen überwacht oder in mehr als 70 fossilen Kraftwerken der Zustand deren Turbosätze überwacht. So haben wir mehrere Kerngeschäfte und können Flauten in bestimmten Wirtschaftsbereichen gut ausgleichen.“
Ein neuer Fokus
„Zurzeit generieren wir 80 bis 90% des Umsatzes, der zwischen 25 und 28 Millionen EUR liegt, im deutschsprachigen Raum. Das soll sich in Zukunft ändern. Wir wollen internationaler werden. Vor fünf Jahren hatten wir noch keine eigene Vertriebsstruktur“, gibt Dr. Aldo Weber zu. „Wir waren durch unsere gute Arbeit bekannt. Jetzt bauen wir einen Vertrieb auf, über Messen und Kundenbesuche. Wir wollen uns langfristig neu orientieren und deshalb den Rückbau in Deutschland und im Ausland weiter vorantreiben. Es wird zu oft übersehen, dass Rückbau uns noch für Jahrzehnte Beschäftigung sichern wird.“