Turnaround mit Tradition
Interview mit Natallia Dean, Direktorin der Pella Sietas GmbH
Die Sietas-Werft wurde im Jahr 1635 gegründet und ist damit die älteste noch existierende Schiffswerft in Deutschland. „Bis zum Jahr 2009 war die Werft ununterbrochen in Familienbesitz, bis die Gläubigerbanken ein anderes Management einsetzten“, berichtet Direktorin Natallia Dean, die als neue Werft-Chefin eine herausfordernde Aufgabe in schwierigen Zeiten übernommen hat und dafür im vergangenen Jahr von WISTA Germany (Women’s International Shipping & Trading Association) als Personality of the Year ausgezeichnet wurde. „Trotz des neuen Managements kam 2011 die Insolvenz. Die Banken waren nicht mehr bereit, den Schiffbau zu finanzieren.“
Bis zur Insolvenz hatte die Sietas-Werft über 390 Containerschiffe gebaut. „Das letzte Containerschiff, das 2009 in Hamburg vom Stapel lief, hieß ‘Elysee’ und hat 33 Millionen EUR gekostet“, so Natallia Dean. „Das Geschäft wurde immer härter, wir bekamen Konkurrenz aus China, die Personalkosten stiegen, genauso wie die Finanzierungskosten. Schließlich hat auch die Bankenkrise 2008 dazu geführt, dass der Schiffbau eingestellt wurde. Wir hatten eingesehen, dass die glorreiche Geschichte von Containerschiffen am Standort Hamburg-Neuenfelde zu Ende war. Deshalb haben wir eine neue Strategie festgelegt und konzentrieren uns jetzt auf Spezialschiffbau.“
Zu den Spezialschiffen, die von Pella Sietas heute gebaut werden, gehören Saugbaggerschiffe, Fähren und andere Spezialschiffe. „Wir bauen zum Beispiel Fähren für die Stadt Hamburg“, erklärt Natallia Dean. „Die neueste heißt ‘Elbphilharmonie’ und wird im Sommer geliefert.“
Letzte Vollwerft
Pella Sietas bietet das komplette Leistungsspektrum, von der Konzeption über das Design bis hin zum Bau der Schiffe. „Wir sind in Hamburg die letzte Vollwerft“, sagt Natallia Dean.
„Wir sind in Hamburg die letzte Vollwerft.“ Natallia DeanDirektorin
Das Portfolio im Spezialschiffbau reicht von Schleppschiffen, eisbrechenden Rettungsschiffen und Offshore-Schiffen über Schwergutschiffe, selbstlöschende Massengutfrachter und Saugbagger bis hin zu Fähren, Roro-Schiffen und Open Top-Containerschiffen.
Des Weiteren werden Unterbau-Sektionen für große Kreuzfahrtschiffe, zum Beispiel für die Meyer-Werft in Papenburg, in Hamburg vorgefertigt sowie Reparaturen und Umbauten vorgenommen, insbesondere die Nachrüstung mit Scrubbern, um die sich immer weiter verschärfenden Umweltvorschriften einzuhalten, aber auch Schweißreparaturen, Inspektionen, Wartungen und Instandhaltungen sowie Komplettumbauten für neue Einsatzzwecke.
Neben dem Schiffbau hat sich Pella Sietas ein zweites Standbein aufgebaut, um unabhängiger zu werden. „Wir bieten auch umfangreiche Metallbauarbeiten“, so Natallia Dean. „Zum Beispiel große Kräne und andere Anlagen für die Umschlaglogistik.“
Derzeit ist die traditionsreiche Werft mit dem Design eines kompletten Saugbaggerschiffs beschäftigt. „Dabei handelt es sich um eine sehr komplexe Arbeit“, erklärt die erfahrene Werft-Chefin. „Wir haben uns mit unserem Angebot in europaweiter Ausschreibung durchgesetzt. Dies hat viel Innovation und Know-how vorausgesetzt. Das Schiff arbeitet schließlich nah an der Küste.“
Mit dem Fokus auf Spezialschiffbau, Umbauten und Metallbau sind die Zeiten der Insolvenz bei Pella Sietas nahezu vergessen. „Wir sind jetzt wieder gut ausgelastet“, sagt Natallia Dean. „Wir konzentrieren uns auf Bereiche, in denen wir konkurrenzfähig sind. Das gelingt uns aber nur, wenn wir innovativ bleiben, weiterhin alle Leistungen aus einer Hand bieten und eng mit unseren Kunden zusammenarbeiten, damit das Schiff nachher genauso wird, wie es sich der Kunde vorgestellt hat.“
Als Vorreiter eines modernen Schiffbaus plant Pella Sietas sogar, neues Personal einzustellen. „Es soll weiter vorangehen“, sagt Natallia Dean. „Wir haben hier über 200 Leute, die alle eine Familie haben. Das motiviert sehr, sodass man die eigenen Bedürfnisse schon mal hintenanstellt.“