„Wir sind wie ein Start-up mit den Möglichkeiten eines Weltkonzerns!“

Interview mit Mario Schmidt, Head of Business Segment Vapor Fans der TLT-Turbo GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Schmidt, TLT-Turbo tritt weltweit als eines der führenden Unternehmen in der Lüftungssystemtechnologie auf. In welchen Geschäftsbereichen engagieren Sie sich dabei genau?

Mario Schmidt: Seit mittlerweile über 150 Jahren gilt TLT-Turbo als Spezialist für die Herstellung von Industrieventilatoren samt einem umfassenden Servicebereich, in dessen Rahmen wir die Ventilatoren in ihrer jeweiligen Anwendungsumgebung warten, modernisieren, revisionieren und gegebenenfalls erneuern. Ein großer Teil unserer Produkte fließt in klassische Industriefelder ein und wird etwa beim Untertagebergbau oder in der Stahlerzeugung eingesetzt. Mit unseren Produkten treten wir erfolgreich in vielen Märkten weltweit auf. Auch in Belüftungssystemen in Tunneln und U-Bahn-Schächten, beziehungsweise in Windkanälen, wie sie etwa im Automotive- und Aerospace-Sektor anzutreffen sind, kommen unsere Produkte vielfach zum Einsatz. Ein weiterer zentraler Geschäftsbereich liegt für uns im Kraftwerkssegment, in dessen Zuge wir Ventilatoren für Kohlekraftwerke herstellen – ein Anwendungsbereich, der zumindest in Europa rückläufig ist, weshalb diese Sparte für uns voraussichtlich perspektivisch an Bedeutung verlieren wird.

Wirtschaftsforum: Sie selbst verantworten den Bereich Vapor Fans im Unternehmen – welche Lösung verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Mario Schmidt: Im Kern handelt es sich dabei um mechanische Brüdenverdichter, beziehungsweise auf Englisch um ‘fans for mechanical vapor recompression’, kurz: MVR. Diese stellen einen wichtigen Ansatz zur Kostenreduktion sowie zur Einsparung von CO2-Emissionen in vielen einschlägigen Produktionsprozessen dar: Im Rahmen weithin etablierter Verfahren werden Flüssigkeiten vornehmlich in großen Eindampfanlagen konzentriert. Dabei wird durch die Verbrennung fossiler Energieträger oder durch den Einsatz elektrischer Energie Frischdampf in einem großen Dampfkessel erzeugt. Wasser muss von Raum- auf Siedetemperatur erhitzt werden, was die Überbrückung einer hohen Temperaturdifferenz und damit einen hohen Energieeinsatz erforderlich macht. Unsere Ventilatoren setzen an dieser Stelle auf ein ganz anderes Prinzip. Sie saugen den Dampf an, der im laufenden Produktionsprozess ohnehin entsteht, heben ihn durch mechanische Verdichtung auf ein höheres Temperaturniveau und führen ihn anschließend erhitzt wieder dem eigentlichen Produktionsprozess zu. Hierdurch entsteht ein nachhaltiger Kreislauf, der wiederum ein weitreichendes Einsparpotenzial bei der aufzuwendenden Energie und damit auch bei den Kosten mit sich bringt. Der Dampfkessel muss nur noch zum Anfahren dieses Prozesses betrieben werden.

Wirtschaftsforum: Wie revolutionär ist der Ansatz von Vapor Fans?

Mario Schmidt: Die grundsätzliche MVR-Technologie ist schon seit über 40 Jahren bekannt – neu an der Lösung von TLT-Turbo ist, dass unsere Anlagen, im Gegensatz zu den Produkten unserer Mitbewerber, annähernd wartungsfrei betrieben werden können. Bei unseren Ventilatoren setzen wir auf ein Hybridkeramiklager, das zudem eine sehr hohe Lebensdauer aufweist. Der Wartungsaufwand beschränkt sich damit auf den Austausch einer Fettkartusche, der nur alle paar Jahre erforderlich ist. Darin liegt für unsere Kunden ein zentraler Mehrwert.

Wirtschaftsforum: Wie ist TLTTurbo diese Innovation möglich gewesen?

Mario Schmidt: Wir beobachten die technischen Entwicklungen in diversen Anwendungsfeldern sehr genau. In diesem Zuge ist uns aufgefallen, dass diese Hybridkeramiklagerung immer häufiger bei der Herstellung von Windkraftanlagen eingesetzt wurde – also in einem Umfeld, das aufgrund der Offshore-Standorte und großen Höhen auf eine unbedingte Wartungsarmut ausgelegt werden muss. Das fanden wir spannend und haben diesen Ansatz mit verschiedenen Tests und Designs für unsere Maschinen weiterverfolgt, um unseren Kunden damit einen wichtigen Vorteil bieten zu können.

Wirtschaftsforum: Der zentrale Faktor liegt damit letztlich in der starken Kundenorientierung Ihres Unternehmens?

Mario Schmidt: Absolut, denn genau das macht uns stark. Schon allein, weil wir mit unseren MVRs nur eine einzelne Komponente für den Eindampfprozess liefern, der dann auch wiederum nur ein Element in der Fertigungsumgebung des Endkunden darstellt. Wir müssen deshalb sowohl die Anforderungen unserer Direktkunden als auch die Bedürfnisse der Endanwender unserer Produkte intensiv im Blick behalten. Wir betrachten also nie allein eine einzelne technische Lösung, sondern stets das ganze System. Dabei haben wir eine Vielzahl von Feedback-Kanälen implementiert, unter anderem in Form von intensiven Kundenbefragungen. So sind wir stets bestens über die präzisen Anforderungen im Markt informiert.

Wirtschaftsforum: Wie bleiben Sie angesichts der vielfältigen Anwendungsfelder, die TLT-Turbo bedient, sowie des weltweiten Engagements Ihres Unternehmens flexibel genug, um diesen Anforderungen auch nachhaltig Rechnung tragen zu können?

Mario Schmidt: TLT-Turbo gehört zum Power China-Konzern und damit zu einem der 100 größten Unternehmen, die es auf der Welt überhaupt gibt. Das verleiht uns nicht nur einen wirkmächtigen finanziellen Background, sondern auch eine breite technologische Schlagkraft, mit der wir uns weltweit engagieren können. Gleichzeitig treten wir jedoch als typisches mittelständisches Unternehmen auf – mit allen Werten, die zu dieser Positionierung dazugehören. Dazu zählen Kundenorientierung, Flexibilität und Innovationsfreude. All das ist unerlässlich, um unseren Kunden die technologische Exzellenz und die unablässig hohe Servicequalität bieten zu können, für die wir inzwischen im Markt bekannt sind.

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt der Geschäftsbereich Vapor Fans inzwischen für das Unternehmen als Ganzes?

Mario Schmidt: Wir sind mit diesem Business-Segment erst 2016 in den Markt eingetreten, und oft fühlt es sich auch weiterhin ein bisschen wie ein kleines Start-up an, das sich mit einer innovativen Idee hervorgewagt hat und nun immer weiter über sich hinauswächst. Nachdem uns vor acht Jahren noch niemand in diesem Kontext kannte, haben wir mittlerweile über 150 Anlagen erfolgreich implementiert und sind gut gerüstet für neue Aufträge und Herausforderungen. Gerade in der lebensmittelverarbeitenden Industrie, in der Abfallaufbereitung und in der Chemiebranche sehen wir ein enormes Potenzial für dieses Geschäftsfeld und möchten damit auch einen wirkmächtigen Beitrag zur Verbesserung der allgemeinen Nachhaltigkeitsbilanz unserer Kunden leisten – das bleibt unser zentraler Antrieb.

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