Warum sehen Sie automatisiertes Fahren als größte Revolution seit der Erfindung des Autos? Im Jahr sterben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation etwa 1,2 Millionen Menschen bei Verkehrsun- fällen. Die Größe von diesem Friedhof können wir uns alle gar nicht vorstellen. Mehr als 95 Prozent der Fehler gehen auf menschliches Versagen zurück. Durch automatisiertes Fahren können wir die Vision umsetzen, ohne Verkehrstote auf den Straßen auszukommen. Und der Treiber dieser Entwicklung ist nicht nur Sicherheit, sondern Komfort und Werthaltigkeit eines Fahrzeuges. Ja, stellen Sie sich vor, Sie sind heute 105 Jahre alt, sehen und hören schlecht – können aber in der Zukunft trotzdem Auto fahren. Und stellen Sie sich vor, Sie haben einen Rundum-Service und müssen nicht länger auf irgendeinem heruntergekommenen Bahnhof bei Regen, Schnee oder Wind auf einen Zug warten, der drei Stunden Verspätung hat. Mit anderen Worten: Der Individualverkehr wird deutlich besser, sicherer und komfor- tabler werden. Zentrale Systeme wie die Bahn sind dagegen deutlich störanfälliger als dezentrale. Eine wesentliche Veränderung im Individualverkehr betrifft doch die Eigentumsverhältnisse an diesem Transport- mittel, oder? Richtig, Sie sprechen das Thema Carsharing an, was sich in den Städten etabliert. Das ist der Hauptgrund, wa- rum Google oder Apple in diesem Geschäft mitmischen wollen. Wir sprechen hier nicht von einem Automarkt, sondern von einem Markt für individuelle Mobilität. Das möchte ich mit Uber verdeutlichen: 120 Jahre lang war das Taxi-Business ein lausiges Gewerbe, nie gab es eine Innovation, immer wurden nur diese vierrädrigen Taxi-Autos verkauft. Und viele „arme Burschen“ sitzen drinnen und fristen ihr Dasein, indem sie warten, bis jemand aus dem Zug steigt und ein paar Meter Taxi fährt. Dann ist jemand mit einer simplen App an den Start gegangen – und lässt plötzlich fast das ganze System zusammenbrechen. So etwas könnte auch beim Auto auch passieren. Deshalb sieht Google einen riesigen Markt für Buchungen bei individueller Mobilität – das ist das Eigentliche, was Google interessiert. Wie beeinflusst das Mobilitätsverständnis der Zukunft die Führungskräfte in den Autokonzernen? Das ist eine spannendende Frage. Premiummarken wie Mercedes, BMW, Porsche und Audi funktionieren nur deshalb, weil ein Lenkrad im Auto ist. Derjenige, der hinterm Lenkrad sitzt, ist der König. Noch vor 150 Jahren saß der König in der Kutsche und vorne auf dem Kutschbock der Diener. Das haben wir umgedreht – und nennen das im Marketing „Emotion“. Die Emotionen unserer Autos sind um dieses Lenkrad aufgebaut. Was passiert mit den mit guten Gewinnen verkaufbaren Emotionen, wenn Sie plötzlich kein Lenkrad in der Hand haben? Werden dann die schönen Marken „austauschbar“? Das Google-Video zeigt eine Revolution. Nicht in der Technik, das könnten die Ingenieure der Autobauer auch. Die Revolution liegt in der Markenführung. Das bisherige Paradigma vom „Helden hinter dem Lenkrad“ wird auf den Kopf gestellt. Es könnte wieder wie früher werden, als der König in der Kutsche saß und der Kutscher Nebensache war. Welche Rolle werden Architekten und Verkehrsplaner spielen? Sie können Städte lebenswerter gestalten. Morgen brauchen wir keine Straßen, die mit Betonplanken verstärkt sind. Die Straßen können leichter werden, vielleicht auch charmanter. Keine zehnspurigen Fahrbahnen durch die Großstadt legen, sondern mit neuen Routen die Städte wieder spannender machen. » Wirtschaftsforum: 17 www.wirtschaftsforum.de